Aus der Sicht eines Praktikers: Aufträge immer genau lesen

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Ich disponiere seit über 10 Jahren zu 70-80 Prozent kleine Solo-LKW (Sprinter), die restlichen 20-30 Prozent sind ganz normale Tautliner / Hängerzüge etc. Als Disponent muss man auf den Fahrer eingehen, damit die Zusammenarbeit so unkompliziert ablaufen kann wie nur möglich. Viele vergessen dabei, dass wir alle nur Menschen sind. Egal ob Fahrer oder Dispo, jeder hat das Recht mal Fehler zu machen und jeder macht Fehler.

In meinem Beiträgen werde ich euch anhand von Beispielen schildern, womit wir uns tagtäglich als Disponenten herumschlagen müssen. Viele werden sich bestimmt in der einen oder anderen Situation wiederfinden.

Hier kommt Fall Nummer zwei. ( Alle Personen und Namen sind frei erfunden).

Ich habe von einem Kunden eine kurze E-Mail mit einem Auftrag für den Transport von einer Palette mit Ware von einem Gewicht von 900 Kilo von München nach Leipzig bekommen. Ich dachte mir nicht viel dabei, sehe nur den Auftrag und denke:  „Wolle, das passt doch in unseren Sprinter rein“.

Ich rufe meinen Kunden Frau Lorenz an und bestätige ihr sofort, dass wir die Ware am nächsten Tag in den Morgenstunden sofort abholen kommen, vereinbare noch die Uhrzeit und den Preis. Kennt jeder von euch. Bis dahin ist alles ok. 

Nach einer Stunde bekomme ich per E-Mail die Bestätigung. Freue mich natürlich, habe wieder Arbeit für einen meiner Fahrer.

– „Christian,  schaue bitte, wer von den Fahrern verfügbar ist”.

Ohne mir nochmal genau den Auftrag durchzulesen… ! (Selber schuld) Ich nehme übrigens alle Fehler, die ich mache, immer auf meine Kappe. Und stehe dazu!

Denn ich gehe ja fest davon aus, dass die Ladung in meinen Sprinter passt.

Der Montag geht zu Ende.  Mein Fahrer fährt in der Frühe um 07:00 nach München zum Kunden, um die Ladung abzuholen.  Ich komme gegen acht Uhr ins Büro, freue mich wieder auf einen neuen actionreichen Vormittag und denke mir nur: “Neue Woche, neue Probleme, neue Ereignisse. Auf geht’s.” Was passiert? Es klingelt das Telefon. Frau Lorenz ruft an. Ich hoffe nur, dass sie nicht den Auftrag stornieren will.

-„Einen schönen Guten Morgen Frau Lorenz. Ich hoffe es geht Ihnen gut.Hatten Sie ein ruhiges Wochenende?“ Parallel klingelt das zweite Telefon. Mein Fahrer Christian ruft an!

Mein Puls wird schneller und ich denke mir: Was haben wir falsch gemacht?

Frau Lorenz ist eine ganz nette Person:

– „Guten Morgen Herr Wolle, danke der Nachfrage. Alles ist in Ordnung. Ich wollte Sie nur informieren, dass Ihr Fahrer bei uns ist. Wollen Sie nur eine Palette mitnehmen oder alle vier ?

-Ich antworte: „Frau Lorenz, was meinen Sie mit vier Paletten? Ich dachte es wäre nur eine? Bitte warten Sie kurz, mein Fahrer ist in der anderen Leitung. Kann ich Sie bitte in zwei Minuten zurückrufen?“ 

-Frau Lorenz: „Ja, kein Problem,  Herr Wolle,  machen Sie in Ruhe“

Ich schnappe mir sofort das zweite  Telefon und rede mit meinem Fahrer Christian.

-„Servus Christian, sag mal,  mein Kunde ruft mich an, er meint es sind vier Paletten? Es sollte doch nur eine Palette mit 900 kg sein?“

-Christian: „Guten Morgen Wolle, wir haben ein Problem. Soll ich 3600 Kilogramm oder nur 900 Kilogramm aufladen? Denn die wollen mir hier vier Paletten geben. Du hast mir aber gesagt, es wäre nur eine.

 -Ich verfalle nicht in Panik und sage: „Christian,warte kurz. Ich gehe ins System und schaue mir den Auftrag vom Kunden genau an, gib mir bitte eine Minute“ 

Ich suche mir sofort den Vorgang raus. Und sehe das Kleingedruckte:  Paletten: vier  Stück je 900 Kilogramm. Na toll. Tausend Dinge gehen mir durch den Kopf. Wo war ich mit meinen Gedanken, warum habe ich den Auftrag nur überflogen? An diesem Beispiel sieht man: Nobody is perfect! Wir alle sind alle – zum Glück –  nur Menschen. Jetzt geht es darum,  den Fehler schnellstmöglich zu korrigieren,  damit der Kunde zufrieden ist. 

-„Christian, warte bitte,  ich glaube ich habe eine Fehler gemacht.Ich muss dir für heute etwas anderes suchen. Verlasse bitte das Firmengelände und warte auf dem Parkplatz. Mein Fehler. Ich hätte den Auftrag genauer durchlesen sollen. 

Chris kennt das,  wenn er selber was falsch macht, reiße ich ihm den Kopf dafür auch nicht ab.

-„Kein Problem Wolle, alles gut. Dann was anderes halt, ich warte dann auf deine Info“

Rufe sofort Frau Lorenz an:

-„Frau Lorenz, es tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe am Freitag einen Fehler gemacht und das Kleingedruckte nicht gelesen. Ich dachte, es wäre nur eine Palette mit 900 Kg und habe deshalb zu Ihnen nur eine kleine Plane gesendet. Bitte entschuldigen Sie meinen Fehler.“

Frau Lorenz bleibt  cool und reagiert wirklich supernett:

-„Herr Wolle,  das ist überhaupt kein Problem, das kann jedem passieren.(Übrigens nicht jeder Kunde reagiert so wie Frau Lorenz. Hatte schon Kunden, die nicht so freundlich waren und kein Verständnis für meinen Fehler hatten) .

-Sie fragt: “Nimmt ihr Fahrer jetzt die Palette mit und Sie kommen mit einen anderen LKW oder wie machen wir das jetzt?“

Ich versuche eine Lösung zu finden:

-„Frau Lorenz, bitte geben Sie mir 10 Minuten. Ich versuche ihnen unseren 12 Tonner oder 13.6m Tautliner hinzustellen. Meinen Fahrer ziehe ich sofort ab“.

-Frau Lorenz: „Machen Sie in aller Ruhe,  Herr Wolle. Es ist ja erst 8 Uhr 15. Kein Stress. Wollen Sie den Preis nachverhandeln?”

(Also hier bin ich jetzt komplett baff. Ich war mich sicher, dass ich jetzt  ein Storno oder Frachtabzug bekomme):

-„Sehr gerne Frau Lorenz, wenn Ich Ihnen meinen LKW hinstelle, der ist ein wenig teurer als unsere kleine Plane“.

Frau Lorenz und ich einigen uns auf einen neuen Preis und innerhalb von einer Stunde  habe ich ihr dann einen Ersatz-LKW besorgt.

Sie war übrigens sehr zufrieden, dass es so schnell geklappt hatte und für meinen Fahrer Christian habe ich auf die Schnelle auch was finden können.

An diesem Beispiel sieht man in vollen Zügen die Menschlichkeit. Aber auch wie wichtig Kommunikation ist. Darum liebe ich meine Arbeit und bin von ihr nie gelangweilt.

Besonders wichtig in diesem Job ist deshalb (stichpunktartig zusammengefasst):

  • Lies E-Mails und SMS genau durch
  • Hinterfrage immer und stelle die richtigen Fragen
  • Nimm Dir Zeit, lass  keinen Stress aufkommen und verfalle nicht in Panik
  • Fahrer können aus Versehen an einen falschen Ort fahren
  • Du als Dispo kannst was im Auftrag übersehen haben
  • Sei ehrlich zu deinem Fahrer und Kunden
  • Wenn es Probleme gibt, bewahre immer die Ruhe und verschaffe dir einen genauen Überblick
  • Eine gute Kommunikation mit dem Fahrer ist das A und O.  Lass Dir, wenn nötig, alle Details erklären ( Wo steht er, Straße /Büro / Ort PLZ)
  • Schicke ihm,  wenn nötig,  eine Karte oder die Koordinaten zu
  • Stresse den Fahrer nicht unnötig (bau keinen Druck auf)
  • Am Ende muss der Kunde zufrieden sein

Foto: Trans.INFO

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