TransInfo

Gefco hat den Weg gefunden, Leerfahrten und hohe Kosten der Auftragsbearbeitung zu begrenzen. CEO Luc Nadal verrät uns die Einzelheiten

Lesezeit 10 Min.
|

16.10.2019

„Stellen Sie sich vor,  Sie betreiben eine kleine Transportfirma. Sie haben 20 LKW, die von Warschau nach Krakau fahren. Die LKW sind meistens zu 80 % beladen. Wenn GEFCO das weiß, kann sie Ihnen einen Auftrag für diese Strecke senden, so dass die LKWs bis zu 100 % geladen sind“, überzeugt Luc Nadal, der Geschäftsführer der GEFCO-Gruppe in einem Gespräch mit Trans.INFO.

Dorota Ziemkowska, Trans.INFO: Warum hat GEFCO die Chronotruck-Plattform gekauft?

Luc Nadal, Vorstandsvorsitzender der GEFCO-Gruppe: Unserer Meinung nach wird die Digitalisierung in der Logistik viel verändern. Natürlich handeln viele Kunden weiterhin traditionell – sie rufen an, fragen nach dem Preis oder senden E-Mails. Es zeigt sich jedoch immer besser, wie sehr die neuen Technologien diese Arbeit beeinflussen werden.
Für uns ist Chronotruck ein Werkzeug, das der Digitalisierung von GEFCO dienen soll. Es ermöglicht Angebote automatisch zu platzieren und zu beobachten, wie die Ladungen fließen und was für eine Nachfrage für sie gibt es. Das ist uns sehr wichtig.

Vorläufig aber benutzen die Plattform ausschließlich in Frankreich tätige Transportunternehmen, oder?

Ja, das ist erst der Anfang. Wir reden zurzeit von einer neuen, sehr kleinen, von drei Franzosen gegründeten Firma. Die Plattform wird sich erst entwickeln.

Was für Pläne gibt es für die weitere Entwicklung? Während einer Konferenz anlässlich des 20. Jubiläums von GEFCO Polska haben Sie erwähnt, dass sich die Plattform auf andere Länder ausweiten werde. Ist Polen auch dabei?

Ich weiß, dass Rafał Krajewski, der Generaldirektor von GEFCO Polska, für neue Technologien Interesse hat. Deswegen wird Polen eines der ersten Länder sein, in welchen sowohl Chronotruck, als auch Moveecar (Digitalplattform für die Autoindustrie – Anm. der Redaktion) implementiert werden.

Wie genau wird Chronotruck die mit GEFCO zusammenarbeitenden Unternehmen unterstützen?

Unsere Arbeit sieht heute so aus, dass wir vom Kunden telefonisch oder per E-Mail eine Transportanfrage erhalten. Demnächst müssen wir dieses Angebot in unser eigenes System einpflegen. Der Spediteur beginnt einen Transporteur zu suchen – sei es von eigener Flotte oder auch von unseren Subunternehmern. Meistens ruft er die potenziellen Interessenten an.
Dank der Plattform wird das alles viel schneller laufen. Wir werden sofort an unsere Partner – Transportfirmen – Frachtangebote senden und ihnen neue Möglichkeiten geben. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine kleine Transportfirma mit 20 LKWs und fahren aus Warschau nach Krakau. Wenn ich das weiß, kann ich Ihnen einen Auftrag für diese Strecke senden. Für Sie verbindet sich dies mit lauter Nutzen. Statt die nur zu 80 % beladenen LKWs zu fahren, werden Sie die Ware bis auf 100 % füllen können.

Das Hauptergebnis soll also die Begrenzung von Leerfahrten sein. Noch etwas?

Gewiss, erstens die Leerfahrten zu begrenzen. Zweitens, den Informationsaustausch zwischen den Partnern zu beschleunigen. Infolge dessen kommt ein weiterer Nutzen vor – wir reduzieren die mit Bearbeitung von Transportaufträgen verbundenen Kosten.

Inwiefern ist das ein revolutionäres Werkzeug? Heutzutage funktionieren u.a. in Polen Frachtenbörsen und viele Transporteure erstellen eigene Plattformen zum Austausch von Daten mit Subunternehmern.

Unsere Plattform kann sich mit ihnen verbinden. Sie bietet viele Lösungen, die es bei traditionalen Börsen nicht gibt, zum Beispiel suggeriert die Preise. Grundsätzlich kann man sie als Spediteur bezeichnen.

Haben Sie vor der der Expansion von Uber Freight in Europa Angst? Uber wird auch als digitale Spedition funktionieren.

Natürlich kann Uber Freight als unser Wettbewerber in diesem Bereich gelten. Es kann virtualen Zugriff auf die ganze Welt der Kunden und Spediteure haben. Ich denke aber, dass es viel davon abhängt, wie es auf den Markt von Warentransporten kommen will.
Als Uber in Städten, auf dem Taxi-Markt erschien, war es ein entscheidender Durchbruch. Anfänglich glaubte man, es werde für die Taxis eine Gefahr. Doch schauen Sie darauf, was zum Beispiel in Paris passiert ist. Die Taxifahrer gebrauchen es ebenfalls – dank der App haben sie auf eine breitere Gruppe von Kunden Zugriff und brauchen nicht zu stehen und auf einen Anruf von ihnen zu warten.

Wie beabsichtigt also GEFCO auf die Änderungen zu reagieren, die Uber einführen wird?

Ich denke mal, dass die Erweiterung der Plattform, von der wir sprechen, eine ausgezeichnete Antwort sein wird. Wir haben heute Kunden, die bei uns Preise anfragen und gleichzeitig Anfragen auch an solche Firmen wie DB Schenker oder Raben senden. Das ist normal, weil wir in einer Wettbewerbswelt leben. In Kürze ist das alles aber digitalisiert. Solche Firmen wie GEFCO werden also Werkzeuge brauchen, solche Anfragen automatisch zu sammeln und Lösungen zu suchen. Ich denke, dass das alles in zehn Jahren so funktionieren wird, dass die Logistikbetreiber imstande sind, 60-70 % der Transporte automatisch zu finden und ihre Spediteure sich mit übrigen 30 % befassen werden.
Eine Folge davon wird das Erscheinen von großen Plattformen, Kommunikationsebenen zwischen Kunden und Lieferanten von Dienstleistungen sein. Jede große Transportfirma oder logistischer Betreiber wird so etwas bauen. Die Plattformen werden neben Uber parallel funktionieren, genauso wie das heutzutage beim Lufttransport der Fall ist. Wenn Sie einen Ticket suchen, können Sie in die Opodo-Plattform einsteigen. Die Anfrage nach dem billigsten Ticket für die jeweilige Strecke wird automatisch an viele Transporteure weitergeleitet. Neben Opodo funktionieren jedoch ebenfalls andere, ähnliche Plattformen, wie Expedia oder Lastminute.com. Ähnlich wird es in unserer Branche kommen. Es werden mehrere Plattformen, u.a. unsere, erscheinen, mithilfe welcher die Kunden Transporte suchen können. Wir beabsichtigen keine Börse zu gründen, die den ganzen Markt umfassen wird. Wir sind nicht groß genug, aber wir können eine Plattform für unsere Kunden und Spediteure erstellen.

Sie wollen also sagen, dass es in Zukunft zu einer Revolution in der Zusammenarbeit zwischen Logistikfirmen und ihren Kunden kommen kann. Ich habe Meinungen gefunden, dass es infolge dessen eine fast vollständige Auslöschung von festen Verträgen geben kann, weil diese im Gegenteil zu den Spotverträgen nicht mehr so wichtig seien. Stimmen Sie dem zu?

Nicht ganz. Der Vertrag ist und wird sowohl für den Spediteur als auch für uns sehr wichtig bleiben. Wir garantieren dem Subunternehmer in ihm, dass er unser Geschäftspartner, sagen wir, über das nächste Jahr, bleibt. Er wiederum garantiert uns, was auch immer passiert, führt er für uns die notwendige Arbeit aus. Er wird uns nicht enttäuschen, sonst gelangt er auf die schwarze Liste. Wir unterschreiben einen Partnervertrag im Sinne der Losung von GEFCO Partners Unlimited nicht nur mit Kunden, sondern auch mit Subunternehmern, Transporteuren. Dadurch haben sie die Sicherheit, Geld pünktlich zu bekommen. Uns ist das auch sehr wichtig. Man kann nicht jede Woche die Geschäftspartner nur deswegen wechseln, um, sagen wir, einen Euro einzusparen. Wir wollen zuverlässige Partner haben und deswegen werden wir auf Verträge nicht verzichten.

Kehren wir noch einmal zum Chronotruck selbst zurück. In den Pressemitteilungen betonen Sie, dass dadurch ein Spediteur auch gefunden werden kann, wo der Markt verhältnismäßig klein ist. Auf welche Art und Weise?

Wir sind der Meinung, dass die Anbindung an eine Plattform im Interesse jeder Transportfirma ist. Das ist unentgeltlich und gewährt die Möglichkeit, Zugang zu einer Masse von Informationen betreffend Transporte auf verschiedenen Strecken zu haben. Hat der Spediteur Interesse daran, so nimmt er die Ladung. Und wie erwähnt, zahlt er für den Zugriff auf die Information nicht.

Er zahlt nicht mit Geld, sondern mit Daten. Und diese gelten heutzutage als eines der wertvollsten Güter.

Um klarzustellen: Ich habe keine Absicht, in die Beziehungen zwischen einer Transportfirma und ihren Kunden einzugreifen. Ich frage nicht, für wen diese Firma arbeitet. Ich muss jedoch wissen, wann der LKW von A nach B für uns fährt und wo er sich aktuell befindet. Wenn es ein Problem geben wird, ist der LKW kaputt oder im Stau steckt, muss ich den Kunden informieren und eine Lösung finden. Ich kann zum Beispiel um Interessen des Endabnehmers sorgen, indem ich ein anderes Fahrzeug hinschicke.
Zweitens will ich, dass die Übermittlung von Informationen automatisch abläuft. Ich will keine Gruppe von Menschen haben, deren Arbeit nur auf Ausführung von administrativen Tätigkeiten, z.B. auf Übermittlung von Rechnungen, beruht.

Haben Sie sich mit dem Unmut seitens der Spediteure in Bezug auf die Plattformen oder Werkzeuge zum Datenaustausch konfrontiert gesehen?

Persönlich rate ich den Transporteuren, dass sie sich der Plattform anschließen. Wollen sie das nicht, dann ist es i.O. Die Frage ist aber, warum sie heute mit GEFCO zusammenarbeiten? Weil sie dadurch die Möglichkeit haben, für solche Firmen wie z.B. PSA (französischer Konzern, Eigentümer der Marken Peugeot, Opel, Citroën – Anm. der Redaktion), sogar wenn sie nur über 20-30 LKWs verfügen, tätig zu sein.

Wie viele Spediteure nutzen zurzeit den Chronotruck?

Zurzeit sprechen wir über etwa 80.000 Fahrzeuge in unserer Datenbank.

Welche Zukunft sehen Sie vor den Transportunternehmen, die sich mit keiner Plattform verknüpfen wollen?

Sie werden groß genug sein müssen, um etwas eigenes zu schaffen, weil die Kunden heutzutage die typisch administrativen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ladungen loswerden wollen. Außerdem sollen diese Spediteure überlegen, wie sie in Zukunft den Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Große Firmen, wie z.B. PSA, IKEA, L’Oréal sprechen nicht direkt mit den Transporteuren. Sie bedienen sich der Logistikbetreiber, die eben die vorgenannten Plattformen haben und mit ihrer Hilfe die Ladungen zuteilen. Man muss also zumindest an diese angebunden sein.
Für die vorgenannten, großen Firmen, fahren tausende LKW die Ladungen – so ist die Wahrheit. PSA oder L’Oréal werden Gespräche mit einem Transportunternehmen, das kein Riese ist, nicht mal in Betracht ziehen. Sie melden sich bei GEFCO, XPO, Raben, Waberers, Kühne + Nagel. Willst du also von allen unabhängig sein, musst du mindestens solche Dimensionen haben wie die oben genannten Firmen.

Foto: Gefco

Tags