Im März hat das Europäische Parlament den Entwurf der Reform der EU-Zollunion angenommen. Diese zielt auf eine Vereinfachung und Straffung der Zollverfahren ab. Hintergrund ist der immense Druck, dem die EU-Zollbehörden aufgrund des stark gestiegenen Handelsvolumens ausgesetzt sind.
Kernstück des neuen Systems soll eine EU-Zolldatenplattform werden, die von einer neu geschaffenen EU-Zollbehörde überwacht wird. Diese Plattform soll nach und nach die bestehende IT-Infrastruktur der Zollbehörden in den EU-Mitgliedstaaten ersetzen. Die EU verspricht sich davon nicht nur eine bessere Risikobewertung und effektivere Zollkontrollen, sondern auch jährliche Einsparungen von bis zu 2 Milliarden Euro an Betriebskosten.
Unternehmen, die Waren in die EU importieren, werden künftig alle Informationen zu ihren Produkten und Lieferketten in die neue EU-Zolldatenplattform eingeben. Dadurch müssen sie nur noch über ein einziges Portal kommunizieren und können die Daten für mehrere Sendungen nur einmal übermitteln.
Ein weiteres Element der Reform ist die Einführung des Status „Trust & Check“-Händler. Diese besonders vertrauenswürdigen Händler sollen in bestimmten Fällen,in deren Geschäftsabläufe und Lieferketten vollständig transparent sind, ihre Waren ohne aktives Tätigwerden der Zollbehörden in der EU in den Verkehr bringen können.
Die Datenplattform soll voraussichtlich ab 2028 für Sendungen des elektronischen Handels und ab 2032 freiwillig für alle anderen Einführer verfügbar sein.„Trust & Check“-Händlern wird ermöglicht, Einfuhren bei den Zollbehörden des Mitgliedstaats abzuwickeln, in dem sie ansässig sind – unabhängig davon, wo die Waren in der EU eintreffen.
Im Jahr 2035 plant die EU, zu prüfen, ob diese Möglichkeit auf alle Wirtschaftsbeteiligten ausgeweitet werden kann. Ab 2038 soll die Plattform für alle verpflichtend werden.
Ein wesentlicher Unterschied zum derzeitigen Zollsystem besteht darin, dass bisher die Verantwortung bei den einzelnen Verbrauchern und Beförderern lag. Zölle und Mehrwertsteuer sollen künftig bereits beim Kauf entrichtet werden, sodass Verbraucher bei der Ankunft der Sendung nicht mit versteckten Gebühren oder unerwarteten Formalitäten überrascht werden.
Die EU reagiert auch auf die Tatsache, dass derzeit bis zu 65 Prozent der Waren mit einem zu niedrigen Wert angemeldet werden, um Zollgebühren zu vermeiden. Aus dem Grund soll künftig der Schwellenwert für die Zollbefreiung von Waren unter 150 Euro aufgehoben werden.
Auf Speditionen kommen zusätzliche Belastungen zu
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat den Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform der EU-Zollunion in Bezug auf die Auswirkungen auf Speditionen und Logistikdienstleister analysiert und in einer am 6. Juni veröffentlichten Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Kommission für einen reformierten Zollkodex der Union erhebliche Nachteile festgestellt.
Vor allem sollen Importeure und Exporteure im Zuge der Reform der Zollunion nach dem Prinzip „Alles aus einer Hand“ die Verantwortung für steuerliche und nicht fiskalische Compliance-Vorschriften übernehmen. Wenn diese Unternehmen jedoch nicht in der EU ansässig sind, sollen Speditionen und Logistikdienstleister als indirekte Vertreter fungieren und somit als Einführer oder Ausführer gelten.
Allerdings wird der Status eines geprüften vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten (T&C) grundsätzlich nur Importeuren und Exporteuren offenstehen. Logistikunternehmen können diesen Status nur als indirekte Vertreter erlangen, während direkte Zollvertreter die Vorteile des T&C-Status nur nutzen können, wenn ihr Kunde ebenfalls T&C-zertifiziert ist. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben, die nicht T&C-zertifiziert sind.
Die nicht nachvollziehbare Abschaffung des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für zollrechtliche Vereinfachungen (AEOC) und der Übergang zum T&C-Regime verfolgt einen ‚Alles-oder-Nichts‘-Ansatz: Unternehmen, die nicht T&C-zertifiziert sind, werden kaum noch Vorteile gewährt. Dies wird sich besonders nachteilig auf Speditionen und Logistikdienstleister sowie auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auswirken, heißt es in der Stellungnahme des DSLV.
Zur Veranschaulichung des Problems beruft sich der Verband auf einen Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs (13/2023: Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte) und beziffert, dass im Jahr 2022 EU-weit 18.210 Unternehmen die Zertifizierung als Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte hatten. Von diesen waren 74 Prozent an den gesamten EU-Einfuhren und 83 Prozent an den gesamten EU-Ausfuhren beteiligt. Sogar 80 Prozent der Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten waren Speditionen und Logistikunternehmen, davon haben 97 Prozent die Zollabfertigung in direkter Stellvertretung und lediglich 3 Prozent in indirekter Stellvertretung realisiert.
Die Folgen der Abschaffung des AEO-Regimes und der Ersetzung durch den „Trust & Check“-Status (T&C) liegen laut dem DSLV auf der Hand: Unternehmen, die sich für diesen Status nicht qualifizieren, werden stark benachteiligt. Dies könnte besonders schwierig für Speditionen und Logistikdienstleister sein, die bisher als direkte Zollvertreter von dem AEO-Regime profitiert haben.
Problematisch ist laut dem DSLV auch der Vorschlag, Handelsplattformen als fiktive Einführer einzustufen. Im Fall von Handelsplattformen ohne EU-Niederlassung wird die Haftung auf Speditionen und Logistikdienstleister als indirekte Vertreter übertragen.
Es mutet geradezu absurd an, dass Spediteure und Logistikdienstleister, die in den meisten Fällen selbst KMU sind, das nicht fiskalische Risiko und die Haftung für teils milliardenschwere drittländische eCommerce-Plattformen übernehmen sollen, nur weil diese keine Niederlassung in der EU haben, alarmiert der Verband in der Stellungnahme.
Sollten die Vorschläge für die Reform der EU-Zollunion nicht überarbeitet werden, sieht der DSLV die Reform als eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit von KMU und Speditionen.