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Allianz Commercial: Schiffshavarien auf dem Tiefststand

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Laut einem jüngsten Report von Allianz Safety and Shipping ist die Zahl ausgefallener Schiffe auf 26 gegenüber 41 im Jahr 2022 gesunken.

Ein jüngst veröffentlichter Safety and Shipping Review von Allianz Commercial beziffert, dass während vor 30 Jahren noch etwa 200 große Schiffe pro Jahr havarierten, 2023 es nur noch 26 waren. Dieses Rekordtief entspricht einem Rückgang mehr als einem Drittel gegenüber 2022 (41) und mehr als 70 Prozent im Vergleich zu 2013 (729). Allerdings steht die Branche nichtsdestotrotz vor zahlreichen Herausforderungen wie Gefahren durch Kriege und geopolitische Spannungen, die Folgen des Klimawandels sowie der zunehmende Druck zur grünen Transformation der Flotten.

Konflikte wie im Gazastreifen und in der Ukraine verändern die globale Schifffahrt und wirken sich auf die Sicherheit von Besatzung und Schiffen, Lieferketten und Infrastruktur und sogar auf die Umwelt aus. Die Piraterie ist vor allem am Horn von Afrika auf dem Vormarsch, während anhaltende Störungen durch die Dürre im Panamakanal zeigen, wie sich der Klimawandel auf die Schifffahrt auswirkt. Diese zusätzlichen Risiken kommen zu einer Zeit, in der sich die Branche ihrer größten Herausforderung, der Dekarbonisierung, stellen muss, sagt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting, bei Allianz Commercial.

Südostasien ist Havarie-Hotspot

Laut Bericht würden in Südostasien in den letzten zehn Jahren 729 Gesamtausfälle gemeldet, was die Region zum Hotspot für Havarie macht, gefolgt vom östlichen Mittelmeer und dem Schwarzen Meer.

Auf Frachtschiffe entfielen wiederum über 60 Prozent der 2023 weltweit ausgefallenen Schiffe. Mit einem Anteil von 50 Prozent waren gesunkene Schiffe die Hauptursache für alle Gesamtverluste. Extreme Wetterbedingungen waren für mindestens acht Schiffsverluste weltweit verantwortlich, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich höher ist, führt der Bericht weiter auf.

Die Zahl der weltweit gemeldeten Schiffsunfälle ist im vergangenen Jahr leicht gesunken, von 3.036 auf 2.951. Die Britischen Inseln verzeichneten dabei die höchste Zahl mit 695 Unfällen. Auch die Anzahl der Brände an Bord von Schiffen ist zurückgegangen: Im Jahr 2023 wurden 205 Brandfälle gemeldet. Dennoch bleiben Brände ein erhebliches Sicherheitsproblem auf größeren Schiffen, da in den letzten fünf Jahren 55 Totalverluste durch Brände verursacht wurden.

Geopolitische Konflikte machen Schifffahrt besonders anfällig

Aktuelle Ereignisse, wie der Krieg im Gazastreifen, zeigen deutlich, wie verletzlich die globale Schifffahrt gegenüber geopolitischen Konflikten geworden ist. Im Roten Meer wurden über 100 Schiffe von militanten Huthi-Rebellen angegriffen, als Reaktion auf den Konflikt. Die Autoren des Berichts gehen davon aus, dass die Beeinträchtigungen der Schifffahrt in der Region voraussichtlich auch in naher Zukunft anhalten werden. Zudem steigt die Zahl der Angriffe somalischer Piraten.

Drohnen sind als neue Technologie eine zunehmende Bedrohung für die Handelsschifffahrt. Sie sind billig, einfach herzustellen und ohne Schutz der Kriegsmarine schwer abzuwehren. Weitere technologiegestützte Angriffe auf die Schifffahrt und Häfen sind durchaus denkbar. Die Berichte über GPS-Störungen auf Schiffen nehmen zu, insbesondere in der Straße von Hormus, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, sagt Khanna.

Schattenflotte wird immer größer

Zudem verweist der Report auf ein weiteres Problem in Form eines erheblichen Wachstum einer “Schattenflotte” von Tankschiffen, was auf die zunehmende Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen russische Öl- und Gasexporte zurückzuführen ist. Diese Schattenlotte soll mittlerweile sogar zwischen 600 und 1.400 Schiffen umfassen, die bisher in mindestens 50 Zwischenfälle wie beispielsweise Brände oder etwa Ölverschmutzung verwickelt waren.

„Es handelt sich zumeist um ältere, schlecht gewartete Schiffe, die außerhalb der internationalen Vorschriften und oft ohne angemessene Versicherung betrieben werden. Dies birgt ernsthafte Umwelt- und Sicherheitsrisiken.Die Kosten dieser Vorfälle fallen oft den Regierungen oder den Versicherern der anderen Schiffe zur Last, sagt Justus Heinrich, Leiter der Schifffahrtsversicherung in Deutschland und der Schweiz bei Allianz Commercial.

Suezkanal und Panamakanal bleiben Sorgenkinder

Der Konflikt im Nahen Osten hat den Transitverkehr durch den Suezkanal und den Handel stark beeinträchtigt und seit Anfang 2024 zu Rückgängen von über 40 Prozent geführt. Hinzu kommen die durch die Dürre verursachten Störungen im Panamakanal. Lange Umwege und alternativen Routen sind unvermeidlich. Vor allem für kleinere Schiffe, die normalerweise Küstengewässer befahren, stellt dies eine größere Herausforderung dar. Die Infrastruktur zur Unterstützung, insbesondere geeignete Nothäfen für die größten Schiffe, könnte ebenfalls fehlen. Um den Zeitverlust durch Umwege zu minimieren, erhöhen die umgeleiteten Schiffe ihre Geschwindigkeit, was zu höheren Emissionen führt. Umleitungen aufgrund der Situation im Roten Meer werden bereits als Hauptgrund für den Anstieg der Emissionen im EU-Schifffahrtssektor um 14 Prozent in diesem Jahr genannt,warnt der Report.

Dabei ist die Schifffahrtsindustrie für etwa drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und die Dekarbonisierung bringt in diesem Bereich vielfältige Herausforderungen für die Branche mit sich. Die Autoren des Berichts empfehlen eine Infrastruktur zu entwickeln, die den Betrieb von Schiffen mit alternativen Kraftstoffen ermöglicht und gleichzeitig den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen unterstützt. Darüber hinaus müssen potenzielle Sicherheitsrisiken für Hafenbetreiber und Schiffsbesatzungen beim Umgang mit alternativen Kraftstoffen, die giftig oder explosiv sein können, berücksichtigt und gemanagt werden.

Die Erhöhung der Werftkapazitäten wird von entscheidender Bedeutung sein, da die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Schiffen zunimmt. Diese Kapazitäten sind derzeit durch lange Wartezeiten und hohe Baupreise begrenzt, betont Heinrich.

Bis 2050 müssen jährlich über 3.500 Schiffe gebaut oder umgerüstet werden, was bei der gleichzeitig sinkenden Zahl der Werften zu einer Herausforderung werden. Maschinenschäden oder -ausfälle sind auch die häufigste Ursache für Schiffsunfälle und machen im Jahr 2023 weltweit mehr als die Hälfte der Unfälle aus (1.587).

Kapazitätsengpässe auf den Werften können sich auf Reparaturen und Wartung auswirken. Bei beschädigten Schiffen kann es daher zu langen Verzögerungen kommen,mahnt Heinrich.

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