Im ersten Halbjahr 2023 sind in Deutschland laut Bundesverband Deutsche Startups mit 1300 Neugründungen 16 Prozent mehr Start-ups im Vergleich zum Halbjahr 2022 entstanden. Auch die Zahl der deutschen Unicorns hat sich seit 2018 auf 33 mehr als vervierfacht, obwohl Deutschland im internationalen Vergleich pro Kopf weiterhin hinter den USA oder Israel liegt.
Der Blick auf die Startup-Landschaft in Deutschland zeigt, dass die aktuelle Lage auch für junge Wachstumsunternehmen eine Belastung darstellt – gleichzeitig wird deutlich: Startups bleiben für unsere Wirtschaft ein unersetzlicher Innovationsmotor. Sie passen ihre Wachstumsstrategien angesichts knapper Ressourcen agil an – entsprechend schnell sollten auch die für sie wichtigen politischen Maßnahmen umgesetzt werden. Die Bundesregierung muss Startup-Themen mit mehr Priorität vorantreiben und das Zukunftsfinanzierungsgesetz im Sinne deutscher Startups ausgestalten, sagt Franziska Teubert, Geschäftsführerin Startup-Verband.
Trotzdem bleibt die wirtschaftliche Lage nicht ohne Auswirkung auf die Gründerszene. Das aktuelle Geschäftsklima liegt laut dem Deutschen Startup Monitor (DSM) von Startup-Verband und PwC Deutschland nur knapp über dem Tiefpunkt während der Corona-Krise. Auch die allgemeine Bewertung des Startup-Ökosystems fiel negativer aus als im Vorjahr.
Zu einer Herausforderung wird vor allem die Kapitalbeschaffung, da viele Start-ups in Deutschland eine stärkere Zurückhaltung von Investoren erleben – nur 15 Prozent der Gründer bewerten die Investmentbereitschaft von VCs und Business Angels positiv, so der Deutsche Startup Monitor.
Diese Tendenz ist auch in einer Befragung von Tech-Start-ups des Digitalverbands Bitkom sichtbar. Acht von zehn Start-ups (79 Prozent) sagen, dass durch die konjunkturelle Entwicklung Investoren deutlich zurückhaltender geworden sind, 7 von 10 (71 Prozent) haben in den kommenden 24 Monaten Kapitalbedarf – im Durchschnitt geht es dabei um 2,3 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zum Vorjahr mit 3,3 Millionen Euro ein Rückgang um fast ein Drittel. Nur 3 Prozent der Startups geben an, keinen Kapitalbedarf zu haben, ein Viertel (25 Prozent) konnte oder wollte dazu keine Angaben machen.
17 Prozent der Startups mit Kapitalbedarf haben die Finanzierung für die nächsten zwei Jahre bereits gesichert und es steht ausreichend Geld zur Verfügung, mehr als drei Viertel (79 Prozent) sind allerdings noch auf der Suche. Und immerhin 14 Prozent von ihnen halten es derzeit für unwahrscheinlich, dass sie das benötigte Geld auftreiben können.
Viele Start-ups mussten zuletzt auf die Kostenbremse treten und ihre Profitabilität erhöhen, dadurch ist der durchschnittliche Kapitalbedarf zurückgegangen. Die Zurückhaltung der Investoren darf aber nicht Wachstum und internationale Expansion deutscher Start-ups ausbremsen. Auch die Politik sollte die Entwicklungen in den kommenden Monaten genau verfolgen und wenn nötig gegensteuern, sagt Niklas Veltkamp, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung.
Strategie wird angepasst
Die wirtschaftliche Lage zwingt viele Start-ups dazu ihre Strategie an die Marktsituation anzupassen. Während im letzten Jahr noch 44 Prozent der Start-ups eine Finanzierung durch Venture Capital geplant haben, sinkt die Zahl deutlich auf knapp über ein Drittel. Gleichzeitig gibt aktuell rund ein Drittel Liquidität als eine zentrale Herausforderung an, gegenüber einem Viertel im Vorjahr, berichtet der Start-up-Verband.
Auch die Bitkom-Umfrage kommt zu ähnlichen Erkenntnissen: Demnach sind aktuell ist nur rund ein Drittel (32 Prozent) der Gründer der Meinung, dass es in Deutschland ausreichend Venture Capital gibt. Ebenfalls rund ein Drittel (34 Prozent) überlegt aufgrund des Kapitalmangels mit dem eigenen Startup ins Ausland zu gehen.
Diverse Experten halten es auch für möglich, dass die Zahl der Fusionen und Übernahmen nach dem Rekordjahr 2022 weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben könnte. Laut der EY-Studie „Venture capital & start-ups in Germany 2022“ stieg die Zahl der Übernahmen deutscher Jungunternehmen von 171 im Jahr 2021 auf 203 im 2022. Dabei gingen 67 Prozent der Deals von ausländischen Investoren aus: 78 Transaktionen entfielen auf Käufer aus dem europäischen Ausland getätigt, 53 auf Käufer aus den USA und 7 auf Käufer aus Asien.
Die Anzahl der Übernahmen stieg deshalb im Vergleich zum Rekordjahr 2021 noch einmal deutlich. Besonders groß war das Interesse von Investoren aus dem Ausland. „Ein deutliches Zeichen, wie wettbewerbsfähig hiesige Start-ups und ihre Ideen und Geschäftsmodelle im internationalen Vergleich sind. Gleichzeitig aber auch ein Alarmzeichen an die Politik, da damit viel Innovationspotenzial aus Deutschland abfließt, sagt Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY.
Diese Startup-Trends muss man kennen
Automatisierung und Robotisierung
Das in Dresden ansässige Start-up WAKU Robotics wurde Ende 2019 gegründet. Das junge Unternehmen setzt sich das Ziel, die Automatisierung und Robotisierung in der Logistik voranzubringen. Hierfür bietet WAKU Robotics ein cloudbasiertes Orchestrierungs- und Management-Tool für eine lückenlose Kommunikation zwischen mobilen Robotersystemen an.
Data Mining
Das Dortmuner Start-up MotionMiners bietet MotionMiners bietet eine digitale Lösung für Prozessoptimierungen im industriellen Kontext an. Motion-Mining® ermöglicht eine anonyme und ganzheitliche Analyse der Effizienz und Ergonomie von manuellen Arbeitsprozessen. Mitarbeiter werden mit Sensoren und die Arbeitsumgebung mit Beacons ausgestattet. Anschließend werden die Daten mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen ausgewertet.
Video-Interview: Viele Unternehmen fangen jetzt erst an, den Wert von Daten zu erkennen
KI
Das Berliner Start-up traide AI wurde 2021 von Leonie Althaus, Philipp Friebertshäuser und Hendrik Niemann gegründet. traide AI setzt sich zum Ziel zollrechtliche Prozesse mittels KI zu optimieren und so den internationalen Handel für Unternehmen effizienter und sicherer zu machen.
Gründerinterview: KI rückt immer mehr in die Mitte der Gesellschaft
CO2-Management
Das Berliner Start-up Cozero bietet eine holistische CO2-Management-Software an, die ein breites Spektrum an Emissionsfaktoren, wie zum Beispiel den Energieverbrauch von Gebäuden und Transportmitteln, den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen sowie die Nutzung von IT-Infrastrukturen berücksichtigt.
Für die Softwarelösung wurde Cozero im November 2022 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.
Video-Interview: Wie kommt man aus dem Thema Greenwashing raus?