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Wachstum in der Logistik: Warum ein Logistikleiter vom operativen Geschäft die Finger lassen sollte

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Die Corona-Krise hat gezeigt: Logistik ist systemrelevant. Wer dies nicht nur als Lippenbekenntnis versteht, baut seinen Logistikleiter zur Führungsperson auf – und entbindet ihn von allen operativen Aufgaben.

Diese Geschichte schrieb das wahre Leben: Der Logistikleiter eines mittelständischen Online-Händlers trug die komplette Verantwortung des Unternehmenswachstums auf den eigenen Schultern. Er war nicht nur der beste operative Logistiker auf der Fläche und sprang ein, wo immer es gerade brannte. Er setzte auch die weiteren Wachstumsvorgaben der Geschäftsleitung um, integrierte neue Sortimente und andere Themen und war das Sprachrohr in die IT-Abteilung. Irgendwann kam, was kommen musste: Der Logistiker ist unter der Last der Anforderungen zusammengebrochen. Diagnose Burn-Out.

Dieser mittelständische Online-Händler und sein Logistik-Chef sind in der Branche beileibe kein Einzelfall. Nicht zuletzt durch Corona arbeiten viele Unternehmen in der Logistik an ihren Kapazitätsgrenzen. Gleichzeitig merken sie, dass ihr Lager unter der dauerhaften Belastung an hohen Volumina entweder leidet, an Performance verliert oder verstärkt Fehler produziert. Hier besteht also die dringende Notwendigkeit zur Professionalisierung und Optimierung. Doch wo anfangen? Ein erster Schritt könnte sein, den Logistikleiter von allen operativen Aufgaben zu entbinden.

Ein guter Standortleiter packt keine Päckchen

Denn bei vielen Mittelständlern und Lagergrößen bis etwa 10.000 Quadratmetern mit 30 bis 60 Mitarbeitern ist die Logistik Organisation oftmals auf eine Führungskraft ausgerichtet. Wie der Logistikleiter in unserem Eingangsbeispiel sehen diese ihr Selbstverständnis darin, operative Probleme und Saison-Spitzen in letzter Instanz selbst zu lösen. Bei Peaks rund um den Black Friday oder andere verkaufsstarke Events packte ein pragmatischer Lagerleiter in der Vergangenheit stets selbst mit an. Er lieferte die Portion Extra-Energie und Motivation für alle, die notwendig war, um derartige Sonderherausforderungen zu bewältigen.

Das geht gut, solange sich solche Hochvolumenphasen auf einige wenige pro Jahr beschränken. Ziehen sich diese Absatzspitzen – wie jetzt durch Corona im Online-Handel – in die Länge, kommt auch der zupackendste und engagierteste Lagerchef irgendwann an seine Grenzen. Entsprechend wichtig ist es, eine Führungsstruktur einzuführen, in der ein Standortleiter von allen operativen Problemlösungen entbunden wird und stattdessen eine funktionierende und skalierbare Organisation aufbaut, die ihn unterstützt. Im Idealfall kennt er zwar weiterhin die Prozesse und Zusammenhänge, verbringt aber nur noch einen geringen Teil seiner Arbeitszeit tatsächlich auf der Fläche und ist überhaupt nicht mehr operativ involviert. Stattdessen sitzen er und sein Team in einem Büro, beschäftigen sich mit Auswertungen der Vergangenheit, Mitarbeiterplanung sowie Forecasts für die kommenden Monate oder das nächste Jahr. In Form von Best- und Worst-Case-Szenarios analysieren sie, was passiert, wenn sich das eigene Geschäft verdoppelt oder halbiert, eruieren die Bottlenecks und erarbeiten entsprechende Strategien für Prozesse und die Organisation.

Soweit die Theorie. Tatsächlich allerdings haben viele Unternehmen zwar erkannt, dass Logistik systemrelevant ist. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass sich entsprechend die Investitionsbudgets für die Optimierung der Logistik erhöhen. Dabei ist der Zeitpunkt dafür genau jetzt gekommen. Die Erfahrung besagt, dass sich Investitionen in Infrastruktur, darunter beispielsweise Kartonaufrichter, Verschließer oder kleine Fördertechnikstrecken, oft bereits ab 50 Mitarbeitern rechnen – und wenn sinnvoll eingesetzt – auch eine Motivation für das Personal sind.

Planen Sie Ihre Logistik so, dass dem Logistikleiter jederzeit ein Ziegelstein auf den Kopf fallen könnte

Ein weiteres Argument für die Entlastung des unersetzlichen Lagerleiters ist die aus Großunternehmen bekannte und zugegebenermaßen martialisch klingende Ziegelstein-Theorie: Was passiert denn im Unternehmen, wenn den entscheidenden Keyplayern ein Ziegelstein auf den Kopf fällt? Wer vertritt dann den Lagerleiter? Oft finden sich in der Logistik-Organisation motivierte und engagierte Mitarbeiter mit hoher Fachkompetenz und pragmatischen Lösungsansätzen. Diese können jedoch meist nur kleine Einheiten gut organisieren, weil ihnen Skills in Sachen Führung und Kommunikation fehlen. Und welcher operative Logistiker sitzt gerne in Besprechungen und Schulungen? Die Management-Ausbildung, die in der Zentrale jeder C-Level-Mitarbeiter genießt, bleibt Logistikmitarbeitern leider häufig vorenthalten. Und durch höheres Gehalt oder einen zusätzlichen Bonus wird die Führungskompetenz nicht besser. Hier können beispielsweise Coachings durch spezialisierte Berater helfen, die Logistik verstehen, die oft besonderen Motivationsstrukturen von Lagermitarbeitern kennen und gleichzeitig wissen, wie Führung funktioniert.

Der unter Burn-Out leidende Logistikleiter des mittelständischen Versenders hat von einem solchen Coaching profitiert. Mit nur ein wenig Hilfestellung ist es ihm gelungen, die Führungsorganisation neu auszurichten und eine neue Führungsphilosophie zu verankern, die der gesamten Truppe zugute kommt. Inzwischen rockt er wieder den ganzen Laden – und das ganz entspannt. Denn er hat gelernt: Ich habe ein Team unter mir, das ich entwickelt und aufgebaut habe. Und auf dieses Team kann ich mich verlassen. Dieser Ansatz funktioniert sehr gut. Auch im größten Stress.

Foto: Fotolia

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