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Autostandort Deutschland verliert an Bedeutung

Immer mehr Unternehmen aus der Autoindustrie wollen ihre Investitionen aus Deutschland ins Ausland verlagern. Im Hinblick auf die Investitionsattraktivität hat vor allem Polen eine führende Position eingenommen.

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Die Autoindustrie in Deutschland schwächelt und zieht die gesamtdeutsche Wirtschaft nach unten. Die Inlandsproduktion der größten deutschen Autobauer ist in Deutschland binnen zehn Jahren um mehr als 36 Prozent eingebrochen, während die Auslandsproduktion von 8,6 auf über zehn Millionen stieg, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Zahlen des Informationsdienstes „Marklines“. Vor allem die Automobilzulieferindustrie kriselt.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat kürzlich unter den Automobilzulieferern sowie den mittelständisch geprägten Herstellern von Anhängern, Aufbauten und Bussen eine Umfrage durchgeführt.

85 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, durch Bürokratie stark oder sogar sehr stark belastet zu sein.
Ebenfalls die Energiekosten sind weiter eine große Herausforderung für die Automobilzulieferindustrie und den automobilen Mittelstand in Deutschland. 71 Prozent der Unternehmen geben an, stark oder sogar sehr stark durch den hohen Strompreis belastet zu sein.

Unternehmen klagen auch über die Auftragslage. Während im Mai noch 42 Prozent der Unternehmen sagten, dass Auftragsmangel aktuell nur eine geringe oder überhaupt keine Herausforderung ist, gaben das in der aktuellen Umfrage nur noch 22 Prozent zu Protokoll.

Die Umfrage zeigt außerdem eine immer stärker werdende Tendenz zu Investitionsverlagerungen der Unternehmen: Mehr als jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) plant eine Investitionsverlagerung ins Ausland, während es im Mai 2023 noch 27 Prozent waren. Lediglich 1 Prozent der befragten Unternehmen will seine Investitionen in Deutschland angesichts der aktuellen Lage erhöhen. Die Verlagerungsziele sind laut Umfrage andere EU-Länder, Asien und Nordamerika (in dieser Reihenfolge).

Unsere Umfrage zeigt deutlich: Der automobile Mittelstand in Deutschland leidet immens unter überbordender Bürokratie und hohen Energiekosten. Dass immer mehr Unternehmen Investitionen ins Ausland verlagern, ist ein Warnsignal für Berlin! Es gilt, gegenzusteuern und regulatorisches Klein-Klein durch langfristige Strategien für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu ersetzen, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Produktionsverlagerungen gen Osteuropa

Im Hinblick auf die Investitionsattraktivität hat vor allem Polen als Verlagerungsziel eine führende Position eingenommen – vor der Tschechischen Republik und vor Rumänien.

Laut der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer sind aktuell 6.000 deutsche Tochterunternehmen in Polen angesiedelt und beschäftigen dort etwa 430.000 Mitarbeiter.Das bisherige Investitionsvolumen von deutschen Unternehmen beläuft sich auf einen Wert von 40 Milliarden US-Dollar.

Viele Unternehmen haben das Potential des Investitionsstandortes Polen schon vor Jahren erkannt. So weitet der Autobauer Mercedes-Benz seine Produktion dortzulande kontinuierlich aus. Im Juli haben die Bauarbeiten für die bereits dritte Fabrik des Unternehmens in Polen begonnen, in der in Zukunft elektrische Vans entstehen werden. Der Standort wurde im Zuge einer Neuordnung des europäischen Produktionsnetzwerkes des Unternehmens ausgewählt, da er der Van-Sparte eine Optimierung der Kosten und der Lieferkette ermöglicht.

Aber auch immer mehr in Deutschland angesiedelte ausländische Unternehmen sind auf der Flucht nach Osteuropa.

Im September hat der französische Autozulieferer Valeo die Streichung von 300 Stellen im Werk in Bad Neustadt im Landkreis Rhön-Grabfeld bekannt gegeben. Die Fertigung der Elektromotoren soll in Zukunft in einem Werk Czechowice-Dziedzice in Polen stattfinden.

Ebenfalls der Hersteller von Dichtungssystemen für die Automobilindustrie Cooper Standard mit Hauptsitz im US-amerikanischen Novi im Bundesstaat Michigan will rund 60 Arbeitsplätze vom Standort Lindau am Bodensee nach Polen verlagern.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass Unternehmen im Jahr 2022 so viel Geld aus Deutschland abgezogen haben wie noch nie zuvor. Insgesamt sind rund 132 Milliarden Dollar (125 Milliarden Euro) mehr Direktinvestitionen abgeflossen, als im gleichen Zeitraum in die Bundesrepublik investiert wurden. Die Tendenz hält an.

Die Investitionsbedingungen in Deutschland haben sich aufgrund der hohen Energiepreise und dem zunehmenden Fachkräftemangel zuletzt noch einmal verschlechtert, sagt IW-Ökonom Christian Rusche.

Das Institut warnt, dass dies im schlimmsten Fall der Beginn der Deindustrialisierung sein könnte.

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