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Circular Economy: Geschäftschance für Transport und Logistik

Logistische Dienstleistungen werden sich durch zirkuläre Geschäftsmodelle radikal wandeln, erklärt Martin Neuhold, Leader Supply Chain & Operations Europe West der Beratungsfirma EY in einer Fachsequenz am 21. Oktober 2021 im Rahmen des Deutschen Logistik-Kongresses. Unsere Zukunft liegt in der Circular Economy, deutsch Kreislaufwirtschaft, und damit in einer lokalisierten sowie zustands- und kreislaufspezifischen End-to-End Logistik, die alle Stakeholder einbezieht. Logistik- und Transportunternehmen haben damit heute die Chance sich vom Dienstleister zum Wertschöpfer zu entwickeln.

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Gemäß Weltwirtschaftsforum sind heute gerade einmal 9 % der Wirtschaft zirkulär. Das heißt, 91 % der Rohstoffe die wir dem Planeten nehmen und in Produkte umwandeln werden schlussendlich verbrannt oder landen auf Müllhalden, in den Meeren oder sonst wo. Zudem fallen dabei circa 50 % der CO2 Emissionen an.

Das Konzept der Circular Economy

Bei der Definition der Kreislaufwirtschaft stellen Experten unter anderem die Verminderung von Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und Abfall – oder besser Überschussmaterial – in jedem Schritt des Produktlebenszyklus heraus. Andere Fachleute legen den Schwerpunkt auf die Transformation und betonen die Möglichkeit, die Überschussmaterialien aus Fabriken oder anderen Produktionsanlagen als wertvolle Ressource für andere Herstellungsprozesse zu nutzen. Einige Experten beziehen die soziale Dimension ebenfalls mit ein, beispielsweise durch die Betonung der Sicherheit von Arbeitern und Konsumenten.

Deborah Dull definiert in ihrem Buch Circular Supply Chain: 17 Common Questions (How Any Supply Chain Can Take the Next Step) drei Prinzipien: Abfall herausdesignen (design waste out), Materialien und Ressourcen zirkulieren lassen (circulate materials and resources) und natürliche Systeme schaffen (generate natural systems). Während Produktionsunternehmen vor allem die Prinzipien eins und zwei verfolgen, ist für Logistik- und Transportdienstleister der Systemgedanke vorrangig. Denn im zirkulären System sind logistische Services kritische Erfolgsfaktoren, denn Weiternutzung, Wiedernutzung, Reparatur, Wiederherstellung und Recycling erfordern auch logistische Prozesse.

Umweltzentriertes Wirtschaften ist dabei nicht der altruistische Schutz der Umwelt aus ethischen Beweggründen. Es ist eine mittelfristige Wette darauf, dass Unternehmen und Gesellschaften, die Ressourcen- und Klimaneutralität anstreben und dies in ihren Geschäftsmodellen verankern, bessere Resultate erzielen als diejenigen Unternehmen die den linearen Ansatz von «take, make, waste» («entnehmen, verarbeiten, verschwenden») verfolgen. Das sprunghaft gestiegene Interesse an Nachhaltigkeits-Fonds und Bonds ist ein Indiz für die Haltbarkeit der Hypothese. Unternehmen sollten demzufolge intrinsisch motiviert sein die Transformation in Richtung «repair, reuse, recycle» («reparieren, wiederverwenden, recyceln») anzugehen.

Herausforderungen und Erfordernisse

Schnell wird allerdings klar, dass es bei der Circular Economy um die substanzielle Neuorientierung der Geschäftstätigkeit geht. Dies nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern im gesamten Eco-System. Es geht um die Umgestaltung von Industrien, um den Aufbau eines alternativen, oder zumindest um die erhebliche Erweiterung des bestehenden Wirtschaftssystems. D.h. die Tragweite des zirkulären Unterfangens könnte kaum weitreichender sein.

Zugleich erfordert die Transformation zirkuläres Wissen, neue Fertigkeiten sowie Transparenz und Zusammenarbeit. Unsere derzeitige weitgehend lineare Wirtschaft fußt auf sehr umfangreichem und teilweise äußerst detailliertem Wissen. Der lineare Wissensfundus wächst zudem kontinuierlich. Der Übergang von der linearen zur zirkulären Wirtschaft erfordert die heutige Wissensbasis zu nutzen, bei ihrer gleichzeitiger Erweiterung um die Zirkularität. Hier sind Staat, Wirtschaft und Wissenschaft gefordert Initiative zu ergreifen.

Der Weg in die Zirkularität

Unternehmen können das Thema grundsätzlich «top-down» oder «bottom-up» angehen. Top-down beschreibt die Zerlegung bestehender Produkte, Prozesse oder Modelle in die Einzelteile, um zu ermitteln, welche Bestandteile schon zirkulär sind. Schnell kommen wir jedoch an den Punkt, dass Informationen über Materialien und Verbindungsstoffe fehlen. Auch mangelt es an After-Sales und anderen Prozessen. Das führt zum «bottom-up» Ansatz. Hierbei geht es darum ein Produkt, ein Geschäftsmodell von Grund auf so zu gestalten, dass es zirkulär ausgelegt ist. Natürlich sind beide Ansätze kombinierbar.

Zentral ist, zirkuläre Logistikkanäle zu schaffen. Dabei hilft die Reverse-Logistik. Zudem gewähren Miet- und Leasingmodelle die Mitarbeit der Nutzer. Die Sharing Economy ist ebenfalls Teil des Konzepts. Logistik kann mit wiederverwendbarer Verpackung unterstützen. Diese kann im Pool verwaltet und von verschiedenen Verladern genutzt werden. Ohne Digitalisierung keine Circular Economy. Auf der einen Seite fußt die Kreislaufwirtschaft auf Transparenz in Bezug auf Rohstoffe, Produktionsverfahren, Prozesse etc., auf der anderen Seite erleichtern digitale Applikationen die Einbindung der Stakeholder über Unternehmens- und Branchengrenzen hinaus. Transport- und Logistikunternehmen sind gefordert digitale Kompetenz aufzubauen, damit sie sich reibungslos in die neuen zirkulären Geschäftsmodelle integrieren können.

Der Blick in die Zukunft

Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Das gilt auch für die Circular Economy. Die Aussicht auf höhere Gewinne durch zirkuläre Produkte oder eine Bevorzugung bei der öffentlichen Ausschreibung, führt auch zu Fehlentwicklungen. Die Rede ist von Greenwashing, d.h. der Behauptung zirkulär zu handeln, ohne dies tatsächlich zu tun. Die Circular Economy braucht Vertrauen und dieses wir durch Greenwasher untergraben. Es bedarf daher neutraler unabhängiger Organisationen, die die Transformation begleiten, um Fortschritte herauszustellen und Fehlentwicklungen anzuprangern.

Während etablierte Unternehmen an der Transformation ihrer Geschäftsmodelle arbeiten liegt die Zukunft zu einem Großteil in den Händen der Neugründer. Laut Green Start-Up Monitor 2020 sind heute bereits 21% der deutschen Startups grün. Und obwohl die Kapitalbeschaffung für sie zum Teil eine größere Herausforderung sein mag, sind die Entwicklungsaussichten vielversprechender als bei nicht-grünen Startups und den eher etablierten Unternehmen.

Das Feld der Circular Economy ist weitgehend unbearbeitet. Unternehmen haben heute die Chance sich nicht nur von der Masse abzuheben, sondern zudem neue Geschäftsfelder zu besetzen, die wahrscheinlich bessere Margen aufweisen, als die heutigen Cash Cows. Angesichts des Interesses Seitens Staat und EU, ist auch mit der einen oder anderen finanziellen Unterstützung zu rechnen. Und was in Bezug auf Verhaltensänderung, die die Circular Economy in der Tat benötigt, möglich ist, hat die Corona-Krise eindrucksvoll gezeigt: denn wer hätte gedacht, dass Milliarden von Menschen auf Anweisung auf einmal von heute auf morgen zuhause bleiben würden?

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