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Das Kabotage-Dilemma: Wie sehen die Güterverkehrskontrollen im In- und Ausland wirklich aus?

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Wer und wie viel in Wirklichkeit kontrolliert wird? Wo befindet sich Deutschland gegenüber anderen EU-Staaten? Laut der Verordnung Nr. 1072/2009 unterliegen alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsamen Regeln. Halten sich auch wirklich alle an diese?

Viele inländische Transportunternehmer und Berufskraftfahrer klagen über die Nichteinhaltung der Kabotagebestimmungen. Dieser Missbrauch ist bereits Tagesordnung in Deutschland, der von Jahr zu Jahr wächst. Die Schuld wird der Konkurrenz aus Osteuropa in die Schuhe geschoben, besonders wenn es um das Thema Kabotage geht. Diese führe angeblich zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. Doch das Problem wird auch hausgemacht. Trucks aus anderen EU-Mitgliedsstaaten dürfen nur begrenzt Transporte in einem EU-Land fahren, damit sich Speditionen mit Sitz in Billiglohnländern keinen Marktvorteil verschaffen. Doch viele der eingesetzten ausländischen Lkw gehören sogar zu Auslandstöchtern deutscher Speditionen und schaffen sich damit die eigene Konkurrenz.

Nehmen wir z.B. einen polnischen Fahrer, der Waren nach Deutschland liefert. Er darf hier maximal noch drei weitere Binnentransporte durchführen und erst dann muss er zurück ins Heimatland, das heißt Kabotage. Es ist jedoch verboten, einen leeren Lkw ins Zielland zu schicken, um Aufträge durchzuführen. Mit Kabotage sind Speditionen in der Lage, Leerfahren zu vermeiden. Dadurch steigt das Angebot und der Lkw-Verkehr wird effizienter.

Umweltschutz, denn das ist auch der Grundgedanke der hinter der Kabotage steckt. Dieser wird heute leider überhaupt nicht mehr erkannt. Aber so weit die Theorie…

In der Praxis

In Wirklichkeit nehmen es Transporteure mit dieser Regel aber nicht so genau. Lkw-Flotten aus Ost- und Südosteuropa bleiben monatelang am Stück in Deutschland stehen. Die Fahrer leben teilweise unter unwürdigen Bedingungen in ihren engen Kabinen am Rande der Autobahnen oder in Gewerbegebieten. Hierzu gibt es eine interessante Doku von ZDF über die Sklaven der Straße.

Kontrollen im Inland

EU-Mobilitätspakete sollten die Vorschriften verschärfen. Doch es fehle weiterhin an Kontrollen, so die Berufskraftfahrer. Deshalb setzt BAG auf mehr Personal für mehr Sicherheit auf der Straße. Geplant sei, im laufenden Jahr bis zu 80 zusätzliche Kontrolleure einzustellen. Im April wurden davon bereits 42 Kontrolleure eingestellt. Das sind rund 30 Prozent mehr Leute als voriges Jahr. Insgesamt werde der Straßenkontrolldienst dann mit deutlich über 300 Beschäftigten aufgerüstet sein.

Laut der BAG Straßenkontrollstatistik , wurden im Jahr 2019 insgesamt 623 000 Kontrollen durchgeführt. Die Zahlen für 2020 sind noch nicht ausgewertet. Im Q1 2021 wurden bereits vom BAG über 3 700 Fahrzeuge kontrolliert, die auf die Einhaltung der Kabotagebestimmungen, sowie zur Kontrolle der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit überprüft wurden. Das Ergebnis, 220 dieser Fahrzeuge führten unzulässige Kabotagebeförderungen durch. Hingegen von den vielen Kontrollen im Jahr 2019 wurden 45.001 Fahrzeuge beanstandet.

Kabotage in Nachbarländern

Man muss bedenken, dass im Vergleich zu anderen EU-Staaten die Verkehrsleistung ausländischer Transportunternehmen im deutschen Binnenverkehr von Jahr zu Jahr zunimmt. Die folgende Grafik zeigt, wo der meiste Kabotageverkehr stattfindet.

Österreich kontrolliert mehr

Laut dem Ressortsprecher des Bundesministeriums für Inneres in Österreich (BMI) wurden während der Kontrollen von Lkws und Bussen im Jahr 2020 insgesamt 211.852 Anzeigen erstattet. Im Vergleich zum Vorjahr kann Österreich einen Rückgang von 22,9% angeben. (2019: 274.702 Verstoße). Der Hauptanteil davon betraf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeitvorgaben im gewerblichen Güter- und Personenverkehr (83.264), gefolgt von technischen Fahrzeugmängeln an Karosserie, Bremsen und Reifen (59.885), Überladungen (34.617) und mangelnder Ladungssicherung (5.021). Insgesamt mussten von den Kontrollorganen 26.046 Lkw und Bussen die Weiterfahrt wegen schwerwiegender Verstöße oder Mängel bzw. wegen Gefahr im Verzuge untersagt werden (2019: 31.687), ein Rückgang von 17,8 %.

Hingegen auf dem Gefahrgutsektor wurden 8.134 Gefahrguttransporte (Beförderungseinheiten) im Jahr 2020 einer intensiven Kontrolle unterzogen (2019: 10.373). Insgesamt mussten hier die Organe der Bundespolizei 561 Beförderungseinheiten die Weiterfahrt wegen Gefahr im Verzuge untersagen (2019: 623).

Wie viel Kontrollpersonal gibt es?

Auch zum Stand des geschulten Kontrollpersonals war BMI kooperativ und teilte der Redaktion standfeste Daten mit.

Mit Stand 14.4.2021 haben wir in Österreich 1.016 Schwerverkehrskontrollorgane ausgebildet, davon sind 262 auch für die Gefahrgutkontrolle geschult, so der Ressortsprecher des Bundesministeriums für Inneres in Österreich –  Harald Sörös, B.A., M.A.

Allein von diesem geschulten Schwerverkehrskontrollorgane wurden im Jahr 2020 – 78.490 Schwerverkehrskontrollen durchgeführt.

Wer führt die Kontrollen durch?

Die Tabelle bietet einen Überblick über die Kontrolldienste, die unter anderem auch für die Durchsetzung der Kabotagevorschriften zuständig sind.

FAZIT

Um eine positive Bilanz ziehen zu können, müssen wir abwarten, wie sich die Kontrollen im Q2 erweisen. Wird die Aufstockung des Personals bei BAG helfen, um wirksamer gegen Lohndumping und das Nomadentum vorzugehen?

Eines ist sicher, um für mehr Wettbewerbsgleichheit zu sorgen muss man dauerhafter Kabotage einen Riegel vorschieben. Das neue Regelwerk sieht zwar eine viertägige Abkühlungsphase vor und die Zugmaschine muss ebenso alle zwei Monate zum operativen Sitz des Unternehmens zurückkehren. Doch es fehle dazu in Deutschland eine Rechtsgrundlage, gerade mit Blick auf die Überwachung der Rückkehrpflicht. Hierbei sollen die Tachografen helfen, um Grenzübertritte zu registrieren und damit Betrug wirksamer bekämpfen zu können.

Foto: Trans.Info/Publications Office of the European Union

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