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Gründerinterview: “Das perfekte Produkt entsteht selten gleich zu Beginn.”

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Angefangen hat alles 2020 mit einem Forschungsprojekt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Ein Jahr später ist Kiezbote zu einem eigenständigen Unternehmen geworden. Das Ziel ist aber dasselbe geblieben: Pakete genau dann zuzustellen, wenn der Kunde sie haben möchte. In unserem Interview erzählt Co-Founder und CEO Daniel Quiter, woher der Name für das Projekt kommt, was er am Anfang rückblickend anders gemacht hätte und welche Ziele sich das junge Unternehmen für die nächsten fünf Jahre setzt.

Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Womit genau beschäftigt sich Ihr Startup?

Daniel Quiter, Co-Founder und CEO bei Kiezbote: Der Boom des Online-Handels sorgt für ein immer größeres Paketvolumen, wovon auch die Paketdienstleister profitieren sollten. Doch deren Lieferkonzepte sind zunehmend überlastet und erweisen sich als ungeeignet. Die Folge sind zunehmende Verbraucherbeschwerden, da der Lieferservice auf der schwierigen letzten Meile gerade in urbanen Gebieten nicht den Kundenanforderungen entspricht.

Daher haben wir den Kiezboten ins Leben gerufen. Wir sind ein White-Label-Dienstleister auf der letzten Meile, der Pakete genau dann zustellt, wenn der Kunde sie haben möchte. Dazu sammeln wir Sendungen aller Versender zentral im Kiez, stellen diese auf Abruf per App im Wunschzeitfenster zu und holen Retouren ab – umweltfreundlich mit dem Lastenrad.

Was ist einzigartig an Ihrer Idee?

Wir verstehen uns als Premium-Last Mile-Dienstleister, der Pakete persönlich im durch den Kunden bestimmten Wunschzeitfenster übergibt. Wir arbeiten anbieterunabhängig und können dadurch Pakete aller Paketdienstleister und Versender bündeln und in einer Zustellung dem Kunden übergeben.

Im Vergleich mit anderen Anbietern konzentrieren wir uns immer auf einen „Kiez“, daher wird unser Unternehmen Kiezbote GmbH genannt. Dadurch können wir mit unseren umweltfreundlichen Lastenrädern unterwegs sein und tragen so zur Entlastung der Umwelt und Infrastruktur bei.

Mit unserer Dienstleistung wollen wir die letzte Meile der Paketzustellung in urbanen Räumen nachhaltig verändern: Statt verschiedenen Paketzustellern mit Lieferwagen und schlechtem Zustellservice übernehmen wir die letzte Meile für die großen Paket-Dienstleister und liefern serviceorientiert, gebündelt, umweltfreundlich sowie stadtverträglich.

Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?

Die Idee stammt von unserem Mitgründer Prof. Stephan Seeck, der aufgrund persönlichem Paketfrust eine Lösung gesucht hat. Er wohnte im fünften Stock und – der Erzählung nach – erhält seine Frau viele Pakete. Manchmal sind an einem Tag bis zu vier verschiedene Boten die Treppen hochgelaufen, nur um jeweils ein einzelnes Buch zuzustellen. Doch obwohl er in der Pandemie den ganzen Tag zu Hause war, konnte er am Abend öfters einen Hinweiszettel über eine verpasste Lieferung dem Briefkasten entnehmen. Daraufhin wurde die Idee des Kiezboten geboren, welche anschließend im Rahmen eines Forschungsprojekts erfolgreich konzipiert und pilotiert wurde.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?

Derzeit sind wir privat finanziert, streben jedoch eine Fremdfinanzierung durch geeignete Kapitalgeber für die Skalierung unseres Konzepts an.

Was waren die größten Hindernisse bei der Gründung Ihres Startups?

Da wir unsere Lösung aktuell lediglich für Endkunden anbieten, war die Kundenakquise zu Beginn sehr hart und zeitintensiv. Doch unsere Lösung hat sich durch unsere zufriedenen Kunden im Kiez schnell herumgesprochen und so konnten wir uns jede Woche über eine steigende Anzahl an Paketen freuen. Darüber hinaus haben wir uns Guerilla-Marketing-Maßnahmen überlegt, die einigen Kunden zu unserer Freude im Gedächtnis geblieben sind.

Was war der Wendepunkt, als die ersten Kunden auftauchten und Sie zu glauben begonnen haben, dass dies funktionieren würde?

Von Beginn an waren wir sehr enthusiastisch am Werk, da wir das enorme Potenzial der Serviceverbesserung für unsere Kunden gesehen haben. Zudem haben wir aufgrund des direkten Kundenkontakts viele stärkende Rückmeldungen zum Konzept und der Dienstleistung erhalten, sodass wir alleine unseren Kunden zuliebe nicht ans Aufhören gedacht haben.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?

Da wir als Forschungsprojekt gestartet sind, verfügt unser Team zwar über viel Expertise im Bereich der Logistik und Unternehmensentwicklung. Dadurch fehlte uns jedoch am Anfang die richtige Marketingstrategie, um Endkunden zu erreichen und von unserer Lösung zu begeistern.

Welche Tipps würden Sie anderen Startup-Gründern geben, die gerade erst anfangen?

Das perfekte Produkt entsteht selten gleich zu Beginn. Es benötigt neben guten Einfällen auch ehrliche Rückmeldungen der Nutzergruppen, damit das Produkt zu dem wird, was es einmal sein soll. Daher ist es sehr wichtig, dass man ausreichend Zeit für Feedback einplant und versucht, möglichst viele und ehrliche Gespräche mit den Nutzern über das Produkt zu führen und diese auch professionell auswertet. Man selbst hat den Vorteil, dadurch spannende Einsichten und neue Ideen zu gewinnen und gleichzeitig den Kunden durch aktive Partizipation zu binden.

Was ist die größte unmittelbare Herausforderung für Ihr Unternehmen und wo sehen Sie sich selbst in 5 Jahren?

Derzeit arbeiten wir aktiv daran, den Kiezboten neben Berlin Charlottenburg auch in andere Bezirke zu bringen. Zudem planen wir, unsere Dienstleistung dem Einzelhandel mit zusätzlichen Features zur Verfügung zu stellen. Dadurch könnten wir unseren B2C- mit dem B2B-Bereich verbinden, indem zukünftig z. B. Waren lokal versendet werden – ohne den Umweg über den Hauptlauf und die Verteilzentren. In fünf Jahren würde ich mir wünschen, dass weit weniger Fahrzeuge in den Städten unterwegs sind und es mehr nachhaltigere Transportmöglichkeiten und -konzepte für urbane Gebiete gibt. Der Kiezbote soll dazu entscheidend beitragen.

Was würden Sie tun, wenn Sie kein Startup-Unternehmen gründen würden?

Nach dem Studium hatte ich zwei Optionen: Entweder ich begebe mich in ein Angestelltenverhältnis, dessen sichere Umgebung man wahrscheinlich ungern verlassen hätte. Oder aber ich gründe mit meinen Mitstreitern ein eigenes Unternehmen und entwickele Lösungen, die den Alltag der Menschen entlasten und gleichzeitig zu einer besseren Umwelt beitragen. Dabei möchte ich bleiben.

Foto: HTW Berlin / Alexander Rentsch

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