Das Problem ist nicht neu. Seit einigen Jahren nimmt der Umschlag in deutschen Seehäfen kontinuierlich ab. Doch die aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Lage hat den Prozess noch einmal beschleunigt. Besonders im Jahr 2022 rutschten die Seehäfen ins negative Terrain.
Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist der Güterumschlag der deutschen Seehäfen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent gesunken. Insgesamt wurden 279,1 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen.Allerdings ging der Güterempfang aus dem Ausland mit 1,5 Prozent deutlich weniger stark zurück als die ins Ausland versendete Gütermenge (-7,0 Prozent). Die zwei für den Güterumschlag bedeutendsten deutsche Seehäfen Hamburg und Bremerhaven verzeichneten zum Vorjahr je ein Minus von 7,2 Prozent und 8,7 Prozent.
Auch der Containerumschlag der deutschen Seehäfen lag 2022 mit 13,9 Millionen TEU (Twenty-foot-Equivalent-Unit) um 6,3 Prozent unter dem Vorjahreswert (14,8 Millionen TEU) und auch unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019.
Eine Besserung der Lage ist derzeit nicht in Sicht. Die für die bisherigen drei Quartale des laufenden Jahres vorliegenden Zahlen der Seehäfen lassen darauf schließen, dass die Mengenentwicklung im Jahr 2023 konjunkturbedingt rückläufig sein wird und den Vorjahreswert nicht überschreiten wird.
Die Konkurrenz ist billiger und schneller
Strukturelle Defizite der zwei größten deutschen Seehäfen haben dazu geführt, dass diese im internationalen Wettbewerb vor allem von Rotterdam und Antwerpen abgehängt werden, die im Hinblick auf Automatisierung und Prozesseffizienz weit vorne sind. Gestiegen ist aber auch in letzter Zeit die Bedeutung der Mittelmeerhäfen oder des Hafens in Danzig in Polen, der Hamburg und Bremerhaven künftig ebenfalls den Rang ablaufen könnte.
Im Jahr 2020 hat Prof. Dr. Frank Ordemann vom Institut für Logistikmanagement an der Hochschule Ostfalia in einer Studie die Lage der deutschen Seehäfen analysiert und festgestellt, dass der Containerumschlag mittelfristig stagnieren wird, da diese sowohl hinsichtlich der Kosten und aber auch hinsichtlich der Transitzeiten gegenüber anderen Seehäfen keinen Vorteil bieten können. Dass der Service schlicht zu teuer ist, darauf weisen auch viele andere Experten hin. Erst letztens hat die Hamburg Port Authority (HPA) bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Erhöhung der Hafennutzungsentgelte ab Januar 2024 angekündigt- diesmal um 6,5 Prozent.
Als Gegenmaßnahme gegen die Probleme hat Ordemann eine Kooperation zwischen den Seehäfen Hamburg, Bremerhaven und dem JadeWeserPort vorgeschlagen, im Rahmen der alle drei Häfen auch im Hinterland über die Bahn miteinander verbunden wären.
Die Idee einer solchen Hafengemeinschaft ist nicht unüblich. Beispielsweise haben sich im April 2022 die Häfen der Städte Antwerpen und Brügge zusammengetan und fungieren seitdem als Einheit. Doch gerade bei Kooperation tun sich die deutschen Seehäfen schwer. Die im Jahr 2020 angekündigten Pläne für eine Großfusion zwischen Hamburg, Bremerhaven und dem JadeWeserPort sind kläglich gescheitert. Im Jahr 2022 haben die Betreiber der Häfen eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, dass sie vor dem Hintergrund der geopolitischen Situation mit bisher unabsehbaren Auswirkungen darauf verständigt, ihre Gespräche über eine Kooperation ihrer Terminalgesellschaften so lange zu vertagen, bis die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Fortsetzung wieder stabil genug sind.
Politisch vernachlässigt und unterfinanziert
Die Hafenwirtschaft hat große Erwartungen an die kommende Nationale Hafenstrategie der Bundesregierung. Diese soll noch dieses Jahr in die Wege geleitet werden und den Hafenstandort Deutschland stärken sowie dem Bedeutungsverlust entgegensteuern.
Die Hafenwirtschaft hat enorme Bedeutung für das Land. National betrachtet ist sie eine wesentliche Säule der deutschen Industrie- und Exportwirtschaft. Sinkende Konsumnachfrage und dadurch zurückgehende Produktion in der Industrie wird in den Seehäfen oft mit zuerst sichtbar. Der Blick auf die Seehäfen in unseren Nachbarländern zeigt, dass wir es hier primär mit globalen Problemen zu tun haben. Nichtdestotrotz trifft diese Phase der konjunkturellen Schwäche unsere Branche zur Unzeit. Wir müssen wichtige Transformationsprozesse stemmen, vor allem bei der Digitalisierung und Automatisierung sowie bei der Umstellung auf klimafreundliche Antriebe. In den genannten Transformationsprozessen aber auch bei neuen Aufgaben der Häfen, speziell bei der Energieversorgung, stehen wir vor einer wichtigen Phase, betont Angela Titzrath, Präsidentin des ZDS.
Laut BLG-CEO Frank Dreeke sollte sich der Bund vor allem bei Investitionen stärker einbringen. Während der DVF-Veranstaltung „Deutsche Häfen und Schifffahrt auf Kurs für die Energie- und Klimawende“ forderte er konsequente Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit des Hafen- und Schifffahrtsstandortes Deutschland:
Die Häfen werden zu Knotenpunkten globaler Transportketten für grüne Energie. Damit das funktioniert, müssen strategische Investitionen über einen langen Zeitraum konsequent durchgehalten werden – von der Schifffahrt, den Terminalbetreibern, den Häfen und auch vom Bund. Darum ist die Anhebung des Hafenlastenausgleichs zwingend erforderlich. Im Übrigen bleibt der Wettbewerb im Umschlagsgeschäft, der Wettbewerb zwischen den Häfen und Transportketten zu einhundert Prozent relevant. Umschlagsentwicklung, Infrastruktur, seewärtige Zufahrten und Leistung der Hinterlandanbindungen – das sind Kernpunkte, an dem wir den Erfolg der Nationalen Hafenstrategie messen werden, sagte er.
Er bemängelte, dass Deutschland bei den Infrastrukturen in den Häfen und der Anbindung an das Hinterland dem Bedarf beziehungsweise der Nachfrage der Reedereien hinterherbaut.
Das ist einer der Gründe, warum Häfen in den Niederlanden, Belgien und Polen Marktanteile gewinnen, so Dreeke.
Entscheidend ist aus seiner Sicht aber vor allem, schnell in die Umsetzungen der Hafenstrategie zu kommen.
Wir brauchen mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr, damit die deutschen Seehäfen wettbewerbsfähig bleiben, forderte er im Vorfeld der Nationalen Maritime Konferenz.