Corona-Pandemie, Brexit, neue Zollbestimmungen – die Wellen schlagen hoch in den globalisierten Lieferketten. Schnell und besonnen auf unerwartete Ereignisse zu reagieren, wird für Unternehmen zur Überlebensfrage. Was, wenn ein wichtiger Partner nicht liefern kann oder sich nicht an Compliance-Standards hält? Existiert ein „Plan B“ in der Beschaffung? Stehen alternative Anbieter bereit? Um mehr Flexibilität zu gewinnen, Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegensteuern zu können, sollten Logistik-Entscheider die zukunftsfähige Gestaltung ihres Lieferantenmanagements ganz oben auf die Agenda setzen.
Wer die Zusammenarbeit mit seinen direkten Lieferanten und Vorlieferanten optimiert, kann Produkte besser, schneller und zu niedrigeren Kosten beschaffen bzw. herstellen. Soweit die Theorie. In der Praxis fällt es vielen Unternehmen schwer, den Überblick über die oft komplexen Lieferantennetzwerke zu behalten und sämtliche Risiken in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. Eine Studie der Beratungsunternehmen Forrester Consulting und Ivalua hat ergeben, dass viele Unternehmen das Lieferantenmanagement bislang eher vernachlässigt haben. Von mehr als 400 befragten Entscheidern aus den Bereichen Beschaffung, Supply Chain Management, Vertrieb und Finanzen verfügte gerade einmal die Hälfte über eine eigene Strategie für das Lieferantenmanagement.
Proaktive Lieferantensteuerung
Die jüngsten Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben jedoch gezeigt, wie wichtig eine proaktive Steuerung der Lieferantenbeziehungen ist. Kommt es zu Lieferengpässen oder Ausfällen – etwa durch die Schließung von Produktionsstätten, Einreise- und Ausreisebeschränkungen oder Verbote im Hinblick auf bestimmte Transportrouten, kann sich dies geschäftsschädigend oder sogar existenzbedrohend auswirken. Worauf sollten Unternehmen jetzt besonders achten? Was können Entscheider tun, um aktuelle Risiken zu minimieren und auch langfristig für eine stabile, planbare Beschaffung zu sorgen?
Zentrale Ansprechpartner für das Lieferantenmanagement
Als Sofortmaßnahme in fordernden Zeiten empfiehlt beispielsweise das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG die Aktualisierung bzw. – falls nicht vorhanden – schnellstmögliche Einrichtung eines Krisenstabs für das Lieferantenmanagement. Zentrale Ansprechpartner und die klare Definition von Zuständigkeiten sind ebenso wichtig wie Vertretungsregelungen, um die Kontinuität beispielsweise auch bei der Überprüfung von Lieferantenbeziehungen zu gewährleisten.
Risikoscreening der Lieferketten
Mithilfe einer kurzfristigen Risikoanalyse können Unternehmen wertvolle Erkenntnisse über mögliche Schwachstellen in ihrem Lieferantennetzwerk gewinnen: Sind alle Produktionsstätten und Hauptniederlassungen der Lieferanten identifiziert? Mit welchen Zulieferbetrieben arbeiten diese wiederum zusammen? Und welche Lieferanten sind im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz oder mangelnde Lieferfähigkeit besonders gefährdet? Falls Engpässe oder Ausfälle drohen, müssen mögliche Maßnahmen mit den „kritischen“ Lieferanten abgestimmt werden.
Alternativen vorbereiten, Ressourcen sichern
In jedem Fall ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit Alternativen auseinanderzusetzen – und so für den Fall gewappnet zu sein, dass es tatsächlich zum Ausfall eines wichtigen Lieferanten kommt. Hierbei kann es sich lohnen, auch regionale Quellen bzw. alternative Lieferrouten zu berücksichtigen. Kurze Lieferketten können in Krisenzeiten mehr Sicherheit bedeuten als eine länderübergreifende Supply Chain. Aber nicht nur bei den Geschäftspartnern, auch im eigenen Unternehmen – etwa im Einkauf – gilt es die notwendigen (Personal-)Ressourcen zu sichern und Engpässe zu vermeiden.
Mehr Transparenz und Sicherheit durch Digitalisierung
Ein nachhaltiges Lieferanten- und Risikomanagement zu etablieren ist ein permanenter Prozess – und keineswegs abgeschlossen. Vielmehr geht es darum, Liefernetzwerke transparenter zu gestalten, die Flexibilität zu erhöhen und so dauerhaft die eigene Resilienz und Kontinuität zu verbessern. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die Digitalisierung. Digitale Technologien wie Cloud Computing oder Big Data Analytics bieten die Chance, das Lieferantenmanagement auf ein höheres Niveau zu heben. Die automatisierte Erfassung und Auswertung relevanter Daten etwa erleichtern das Erkennen von Risiken und die Einhaltung von Compliance-Anforderungen. Cloud Computing ermöglicht die nahtlose Integration operativer Prozesse im Einkauf; Lieferanten können laufend bewertet und reibungslos in das eigene Unternehmen eingebunden werden. Voraussetzung ist nicht zuletzt eine strukturierte Kommunikation zum Einsatz digitaler Technologien – und die Bereitschaft aller Beteiligten, vertrauensvoll zu kollaborieren.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Hermes Supply Chain Blog.
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