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Eurozone verharrt im rezessiven Bereich, Deutschland sackt wirtschaftlich immer tiefer ab

Der HCOB Einkaufsmanagerindex Industrie für die Eurozone ist abermals gesunken. Vor allem das geringe Wachstum in Deutschland und Frankreich bremst die Erholung der europäischen Wirtschaft.

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Der von S&P Global erhobene HCOB Einkaufsmanagerindex Industrie Eurozone sank binnen Monatsfrist um 0,4 Punkte auf ein 3-Monatstief von 46,1. Die Eurozone-Industrie verharrte im März laut aktueller HCOB PMI Umfrage zwar erneut im rezessiven Bereich, die Rückgänge bei Produktion und Auftragseingang haben sich jedoch ein weiteres Mal verlangsamt. Der Rückgang der Industrieproduktion fiel im März so schwach aus wie zuletzt im April 2023.Die Geschäftsaussichten hellten sich binnen Jahresfrist merklich auf, sie blieben jedoch relativ gedämpft, was den Arbeitsmarkt abermals belastete. Der entsprechende Index verharrte jedoch knapp unter seinem Langzeit-Durchschnittswert.

Die Lieferkettenengpässe schwächten sich deutlich ab, wodurch sich die Lieferzeiten so stark verkürzten wie zuletzt vor sechs Monaten. Gleichzeitig sanken die Einkaufspreise mit der niedrigsten Rate seit einem Jahr, während die Verkaufspreise stärker reduziert wurden als zuletzt.

Auf Länderebene war die Entwicklung deutlich differenziert. Von den von der Umfrage erfassten Ländern vermeldete Griechenland das stärkste Wachstum seit über zwei Jahren. Rang zwei belegte Spanien dank einem moderaten Aufwärtstrend. Ebenfalls Italiens Industriesektor verzeichnete erstmals seit einem Jahr wieder ein Mini-Wachstum. Deutschland und Frankreich versackten hingegen in der Rezession.

Das verarbeitende Gewerbe der Eurozone fährt üblicherweise auf mehreren Zylindern, das sind vor allem die Euro-4 Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Sie machen zusammen drei Viertel des verarbeitenden Gewerbes der Eurozone aus. Derzeit haben wir die ungewöhnliche Situation, dass mit Deutschland und Frankreich gleich zwei Zylinder mehr oder weniger ausgefallen sind. Italien und Spanien hingegen sind im März bzw. bereits im Februar wieder in Bewegung gekommen. Das reicht bislang aber nicht, um die Eurozone insgesamt wieder in den Wachstumsmodus zu bringen. Nur wenn alle Zylinder wieder zum Laufen kommen, kann von einer nachhaltigen Konjunkturwende ausgegangen werden,
kommentierte Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.

Deutschland nach wie vor in der Schrumpfungszone

Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland sackte im März noch tiefer in die Schrumpfungszone ab. Mit 41,9 Punkten verzeichnete den schlechtesten Wert seit fünf Monaten. Haupttreiber für den rückläufigen Hauptindex waren Rückgänge sowohl bei der Beschäftigung als auch bei den Vormateriallagern.

Die Einschätzungen hinsichtlich der zukünftigen Produktionsraten fielen im März zwar wieder positiv aus, dennoch kam es aufgrund der anhaltend schwachen Nachfrage zu weiteren Stellenstreichungen und einem Abbau der Vormateriallager. Der Wettbewerb um Neuaufträge feuerte abermals die Preisnachlässe an.

Die Daten von März lassen darauf schließen, dass bei immer mehr Herstellern Fertigungskapazitäten frei werden, was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass Auftragsbestände rasant abnehmen und Personal abgebaut wird. Der Jobabbau hat sich in den vergangenen sieben Monaten so sehr beschleunigt wie seit über dreieinhalb Jahren nicht mehr.

Das verarbeitende Gewerbe in Deutschland befindet sich seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres in der Rezession und die jüngsten PMI-Werte deuten auf einen weiteren Abschwung im ersten Quartal 2024 hin. Erschwerend kommt hinzu, dass der Abschwung flächendeckend ist und sowohl Investitionsgüter als auch Vorleistungs- und Konsumgüter umfasst, so de la Rubia.

Nichtsdestotrotz blicken mehr der Befragten mit mehr Optimismus als in naher Vergangenheit in die Zukunft und sind zuversichtlich, dass die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte wieder anziehen wird. Dennoch bleiben die Erwartungen vergleichsweise verhalten, was zumindest teilweise an der noch immer vorherrschenden Unsicherheit an vielen Märkten liegt.


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Wirtschaftsforschungsinstitute korrigieren Prognosen erneut nach unten

In einem zum Ende des ersten Quartals veröffentlichten Frühjahrsgutachten korrigierten die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose für das laufende Jahr abermals nach unten und erwarten nun nur noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent. Im Herbstgutachten wurden noch 1,3 Prozent prognostiziert. Für das kommende Jahr steht weiterhin ein Plus von 1,4 Prozent in Aussicht. Insgesamt wird die Wirtschaftsleistung infolge der verzögerten Erholung um über 30 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Verantwortlich für die rückläufige sind sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Faktoren.

Im bisherigen Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum ändert sich nur die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Dur, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Gegenwind kommt aber auch aus dem Ausland. Laut Erhebung sind die deutschen Ausfuhren trotz steigender weltwirtschaftlicher Aktivität zurückgegangen, was auf eine schwache Nachfrage nach den für Deutschland bedeutsamen Investitions- und Vorleistungsgütern zurückzuführen war.

Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland nimmt ab

Die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sieht zudem die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Gefahr.

Wir haben zu lange von der Substanz gelebt und wichtige Reformen vernachlässigt. Aktuell schätzt fast jeder zweite internationale CFO (46%) andere Länder und Regionen als wachstumsstärker ein. Neue Investitionen in den kommenden fünf Jahren werden sie prioritär dort tätigen, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Präsentation der Studie „Business Destination Germany 2024“.

So weist der KPMG-Standort-Index für Deutschland, in den 23 Standortfaktoren einfließen, nur noch einen Wert von +1,2 auf der Skala von +10 (Spitze im EU-Vergleich) bis -10 (Schlusslicht im EU-Vergleich) auf gegenüber +3,1 im Jahr 2017. Kritisiert wird vor allem eine mangelnde Offenheit für ausländische Investoren (-16 Prozentpunkte), eine gesunkenen Ausrichtung auf die Bedürfnisse ausländischer Investoren (-13 Prozentpunkte) sowie eine unzureichende Förderung und wenige Anreize für Unternehmensansiedlungen bzw. -erweiterungen (-10 Prozentpunkte).

Deutsche Unternehmen verlagern ihre Produktion zunehmend ins Ausland. Auch internationale Investoren bewerten die Schwächen Deutschlands immer kritischer. Diese Entwicklung ist alarmierend, da diese Unternehmen rund ein Fünftel der deutschen Bruttowertschöpfung erwirtschaften. Damit steht die Zukunft des Standorts auf dem Spiel. Um diese Negativtrends zu brechen und Deutschland wieder an die Spitze in der EU zu führen, braucht es jetzt ein konzertiertes Maßnahmenbündel. Die Forderungen des „Industrial Deals“ nach einem Business Case für Europa und Deutschland unterschreibe ich daher voll, so Glunz.

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