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Bildnachweis: @ Flickr/ Brian Wotherspoon CC BY-NC-SA 2.0 (nur zu Illustrationszwecken)

Geotab-Studie: Mehr Unfälle im Straßengüterverkehr. Deutschland an trauriger Spitze

Geotab, Anbieter von IoT- und vernetzten Transportlösungen, hat im Rahmen der Studie „2024 State of Commercial Transportation“ Telematikdaten von über einer Million Nutzfahrzeugen analysiert. Fazit: Mehr Unfälle bei gleicher Kilometerleistung.

Lesezeit 7 Min.

Die Studie „2024 State of Commercial Transportation“ von Geotab zeigt die Unfallhäufigkeit im Straßengüterverkehr unter Berufskraftfahrern weltweit. Zu diesem Zweck wurden Telematikdaten aus mehr als einer Million Fahrzeugen analysiert, darunter sowohl LKW, Lieferwagen als auch Taxis. Die Daten zeigen einen allgemeinen Trend zu weniger Kilometern bis zu einer Kollision.

Deutschland ist unter den traurigen Spitzenreitern im weltweiten Vergleich. Laut der Geotab-Studie ist die Unfallentfernung bis 2023 um 27,3 Prozent gesunken.

Datenanalyse in verschiedenen Ländern

Spanien + 5.66 %
Italien + 5.25  %
Brasilien + 4.03 %

In diesen Ländern steigt die Zahl der gefahrenen Kilometer pro Kollision, was auf verbesserte Sicherheitsmaßnahmen und weniger Unfälle hindeutet. Diese Ergebnisse werden auf eine allgemeine Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit in diesen Ländern zurückgeführt, u. a. durch strengere Vorschriften und verstärkte Kontrollen.

Portugal – 30.03 %
Deutschland – 27.3 %
Großbritannien – 19.12 %
USA – 12.63 %

Einige Länder verzeichnen jedoch einen Rückgang der pro Kollision zurückgelegten Kilometer, was ein Zeichen dafür ist, dass der Schwerpunkt stärker auf Sicherheitsmaßnahmen gelegt werden muss.

Gründe für den Anstieg

Die Redaktion befragte Dieter Schäfer, vom Vorstand des Vereins “Hellwach mit 80 km/h” und Autor Fachbuchs“Max Achtzig – 40 Tonnen Verantwortung!”, nach den Gründen für die Zunahme von Zusammenstößen und Unfällen im Straßenverkehr in Deutschland.

Es gibt nicht die eine Antwort, wenn man aber das Ursachengeflecht begriffen hat, sind die Lösungen ziemlich einfach. Wir müssen da unterscheiden in persönliche und technische Lösungen”, erklärt Schäfer.

Als Hauptursache für Auffahrunfälle nennt Schäfer das vorsätzliche Unterschreiten des Sicherheitsabstandes, die seiner Meinung nach “durch das Kopfkino der Fahrer” entstehen.

Die haben das Gefühl, wenn sie zu viel Abstand lassen, dass der Hintermann sofort überholt und sie dadurch immer weiter nach hinten in der Kolonne durchgereicht werden und dadurch Zeit verlieren. Das ist natürlich Quatsch, aber nur schwer aus den Köpfen herauszubekommen”, erklärt Schäfer weiter.

Ablenkung und Sekundenschlaf, können sogar tödlich enden, “weil diese alle ungebremst und mit Anlauf geschehen”. Die Ursachen seien vielfältig, so Schäfer und zählt wie folgt den Fahrermangel, die prekären Arbeitsverhältnisse, europaweite Schulungsdefizite und fehlende LKW-Parkplätze auf, sogar Umwelteinflüsse wie Lärm und Hitze insbesondere zur Nachtzeit haben Einfluss auf die Kondition der Fahrer.

Überdies fehlt weiterhin soziale Nachhaltigkeit an den Be- und Entladestellen, “wo immer noch nicht überall Zugang zu sauberen Toiletten, Duschräumen oder Erholungsräumen für die Fahrer besteht. Hinzu kommt physischer Stress über die Abladeverpflichtungen”, fügt Schäfer hinzu.

Verbesserung des Sicherheitsansatzes und mehr Schulungen

Auf der technischen Seite mangelt es an Wissen über LKW-Assistenzsysteme. “Nicht wenige Fahrer können nicht einmal die Wirkungsweise des Abstandsregeltempomaten von der des Notbremsassistenten unterscheiden. Letzterer muss nach UN ECE Verordnung jederzeit vom Fahrer übersteuerbar sein. Genau hier liegen die Ursachen für mehr als 25 Prozent der Auffahrunfälle”, betont Schäfer und nennt als Beispiel, dass Fahrer sogar glauben,” mit AEBS, ART und Spurhalteassistent autonom zu fahren“.

Der abgelenkte Fahrer wird im letzten Moment vor dem errechneten Bremspunkt gewarnt, schreckt hoch und reißt im Fluchtreflex das Lenkrad herum. Damit übersteuert er die Notbremsung und schaltet die Bremskaskade komplett ab. Resultat ist ein nach links versetzter Aufprall auf den Vordermann”.

Geotab-Studie: 40 Prozent weniger Unfälle dank Künstlicher Intelligenz

Ein wichtiger Trend, der in dem Bericht hervorgehoben wird, ist die zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) und Datenintelligenz im Flottenbetrieb. Insbesondere die generative KI revolutioniert die Branche und ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Aspekte ihres Betriebs zu optimieren. Die Studie zeigt, dass Flotten, die die Sicherheitsfunktionen von Geotab nutzen, eine 40-prozentige Reduzierung der Kollisionsraten verzeichnen konnten.

Wirtschaftliche Herausforderungen wie steigende Treibstoffkosten und globale Ungewissheit üben einen immensen Druck auf die Flottenbudgets aus. Unternehmen nutzen zunehmend datengestützte Erkenntnisse, um Kosteneinsparungsmöglichkeiten zu identifizieren. Der Bericht von Geotab unterstreicht, wie wichtig es ist, Routen zu optimieren, Leerfahrten zu reduzieren und kraftstoffsparende Fahrpraktiken einzuführen, um die Auswirkungen der steigenden Kosten zu mindern.

Die Untersuchungen von Geotab zeigen auch eine positive Korrelation zwischen der Einführung fortschrittlicher Sicherheitsfunktionen (z. B. Coaching in der Fahrerkabine, Kollisionsrekonstruktion und Fahrersicherheits-Scorecards) und einer Verringerung der Kollisionsrate. Dies unterstreicht das Potenzial der Technologie zur Verbesserung der Flottensicherheit.

Sicherheit im Unternehmen

Neben den Sicherheitsfunktionen können Transportunternehmen durch entsprechende Schulungen die Sicherheit erhöhen.

Transportunternehmen die bereit sind, eine Selbstverpflichtung zur Max Achtzig Idee einzugehen, unser Sicherheitsregister in ihre Fahrerhandbücher integrieren und sich mit ihrem Fahrpersonal zu den 10 Max Achtzig Regeln bekennen, deutlich weniger Unfallschäden haben werden als andere”, betont Dieter Schäfer.

Außerdem tragen auch die Industrie und der Handel zur Sicherheit im Straßengüterverkehr bei. “Mit ihrer an den Tag gelegten Praxis gegenüber Logistik- und Transportunternehmen sind diese mitverantwortlich für die Stressoren, welche die Ursache Sekundenschlaf begünstigen”.

Alle reden von mehr Wertschätzung für Fahrer, um den Fahrermangel einzudämmen. Hier können sie in punkto sozialer Nachhaltigkeit in Vorleistung treten”, schlussfolgert Dieter Schäfer.

Nachhaltigkeit: “Kleine Schritte für große Veränderungen”

Durch die Nutzung von Datenintelligenz und modernsten Modellen der künstlichen Intelligenz können Fuhrparks angesichts steigender Kraftstoffpreise, regulatorischer Änderungen und wirtschaftlicher Unsicherheit nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen verbessern, sondern auch die Produktivität steigern und die Kosten senken.

Nachhaltigkeit ist ein weiteres zentrales Thema des Berichts. Angesichts der wachsenden Besorgnis über den Klimawandel rückt die Verringerung der Kohlenstoffemissionen im Transportsektor immer mehr in den Mittelpunkt. Die Untersuchung von Geotab zeigt, dass viele Unternehmen einen “kleinen Schritt für große Veränderungen”-Ansatz für Nachhaltigkeit verfolgen und sich realistische und messbare Ziele für die Emissionsreduzierung setzen.

Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist ein zentraler Pfeiler vieler Nachhaltigkeitsstrategien. Obwohl die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zunimmt, zeigen die Ergebnisse von Geotab, dass sich das Wachstum in einigen Ländern, insbesondere in Deutschland und Italien, verlangsamt hat. Diese Verlangsamung wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt, darunter eine fehlende Ladeinfrastruktur, eine begrenzte Verfügbarkeit von Modellen und wirtschaftliche Bedenken. Der Bericht stellt außerdem fest, dass in den Vereinigten Staaten leichte LKW die mittelschweren LKW ersetzen, während in Europa das Gegenteil der Fall ist.

Mit dem zunehmenden Durchschnittsalter der Fahrzeuge in gewerblichen Flotten steigt auch der Bedarf an effektiven Wartungsstrategien. Die Daten von Geotab zeigen einen stetigen Anstieg des Durchschnittsalters der Fahrzeuge in allen Fahrzeugkategorien. Dies unterstreicht die Bedeutung einer vorbeugenden und vorausschauenden Wartung, um den sicheren und effizienten Betrieb alternder Flotten zu gewährleisten.

Mitarbeit: Pölös Zsófia

 

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