Ein Praxisfall aus dem Alltag zeigt, wie das deutsche Speditions- und Transportrecht funktioniert. Im Fachbeitrag „Wenn die Ware nicht ankommt – Wer haftet im Transportrecht?“ erläutert Rechtsanwältin Nilofar Bawla, wie das Handelsgesetzbuch (HGB) zwischen Spediteur und Frachtführer unterscheidet – und wie Versender sich vor Schäden schützen können.
Der Praxisfall
Frau Berger betreibt einen Online-Shop für Designermöbel in Hamburg. Für den Versand ihrer Ware beauftragt sie regelmäßig eine Spedition, die Möbel deutschlandweit mit eigenen LKW ausliefert. Eines Tages bestellt ein Kunde in München ein teures Designer-Sideboard im Wert von 3.500 Euro. Der Spediteur holt die Sendung ab und macht einen nächtlichen Zwischenstopp auf einem unbewachten Rastplatz. Dort wird der LKW aufgebrochen und das Sideboard gestohlen. Der Kunde verlangt Ersatz, und Frau Berger steht vor der Frage: Wer haftet für den Schaden – sie selbst oder die Spedition?
Spediteur oder Frachtführer – wer haftet?
Im HGB werden zwei Rollen unterschieden:
- Spediteur (§ 453 HGB): Organisiert den Versand, beauftragt Dritte und handelt im Namen und auf Rechnung des Versenders.
- Frachtführer (§ 407 HGB): Führt den Transport mit eigenen Fahrzeugen selbst durch.
Da die Spedition in diesem Fall ihre eigene LKW-Flotte einsetzte, gilt sie rechtlich als Frachtführerin. Damit übernimmt sie automatisch die Haftung für jeden Schaden, der während der Beförderung entsteht – unabhängig von eigenem Verschulden.
Obhutshaftung greift automatisch (§ 425 HGB)
Bawla weist darauf hin, dass der Frachtführer für Verlust oder Beschädigung während seiner Obhut haftet – von der Warenübernahme bis zur Auslieferung. Selbst ohne grobes Verschulden kommt es zur sogenannten Obhutshaftung, sobald der Diebstahl im Verantwortungsbereich des Frachtführers geschieht.
Haftungsobergrenze nach Gewicht (§ 431 HGB)
Die gesetzliche Haftung ist auf 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) pro Kilogramm beschränkt (ca. 10 Euro/kg). Ein 80 kg-Sideboard etwa wird mit maximal rund 800 Euro ersetzt – weit unter dem tatsächlichen Warenwert.
Empfohlene Absicherung
Um die Differenz zum Realwert auszugleichen, rät Bawla:
- Wertdeklaration (§ 429 HGB): Höhere Haftungsobergrenze gegen Aufpreis.
- Transportversicherung: Absicherung des vollen Warenwerts unabhängig von kg-Grenzen.
Besonderheiten bei Subunternehmern
Beauftragt der Spediteur Subunternehmer, haftet er für deren sorgfältige Auswahl (§ 454 HGB). Tritt er als Fixkostenspediteur (§ 459 HGB) auf, übernimmt er selbst das volle Transportrisiko – vergleichbar mit Frachtführerpflichten. Bawla empfiehlt in die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp), um weitere Details zu klären.
Diese kann man beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) abrufen unter: https://www.dslv.org/de/adsp
Quelle: Fachbeitrag „Wenn die Ware nicht ankommt – Wer haftet im Transportrecht?“ von Rechtsanwältin Nilofar Bawla erschienen auf anwalt.de (09.06.2025).