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Interview: Ein Startup zu gründen und zu führen ist wie eine Achterbahnfahrt

Lesezeit 7 Min.

Das in Böblingen ansässige Start-up pakadoo GmbH wurde 2015 als Corporate-Start-up der LGI GmbH gegründet und 2018 in eine eigene GmbH umgewandelt. Das junge Unternehmen bietet eine SAAS-Plattform für ganzheitliche City-Logistik an, die den Warenempfang und -versand für Bürger, Händler und Unternehmen einfacher, emissionsärmer und bequemer macht. Unternehmen können zusätzlich mit dem Einsatz der Software innerbetriebliche Prozesse beim Paketmanagement optimieren.

In unserem Kurzinterview erzählt Mit-Gründer und -Geschäftsführer Markus Ziegler, warum ein Start-up zu gründen und zu führen wie eine Achterbahnfahrt ist und was er rückblickend in der Startphase anders gemacht hätte.

Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Womit genau beschäftigt sich Ihr Startup?

Markus Ziegler, Mit-Gründer und -Geschäftsführer von pakadoo GmbH: Wir fördern die Lebensqualität in Städten, indem wir dafür sorgen, dass Pakete und Waren genau dort zugestellt werden, wo Empfänger sie haben möchten – unabhängig vom Paketdienst. Dabei reduzieren wir durch Paketbündelung Verkehr und CO2-Emissionen.

Durch den Boom beim Onlineshopping steigen die Zahlen im Paketversand stetig an. Das hat erhöhten Lieferverkehr, verstopfte Straßen durch in zweiter Reihe parkende Lieferfahrzeuge und eine stärkere Umweltbelastung in den Städten zur Folge. Gleichzeitig sind viele Paketempfänger nicht zuhause, wenn das Paket zugestellt werden soll. Last but not least leidet der stationäre Handel unter dem Online-Boom und benötigt digitale Unterstützung.

Die pakadoo SAAS-Plattform für ganzheitliche City-Logistik macht den Warenempfang und -versand für Bürger, Händler und Unternehmen einfacher, emissionsärmer und bequemer. Bei Unternehmen können mit dem Einsatz unserer Software zusätzlich innerbetriebliche Prozesse beim Paketmanagement optimiert werden.

Ein großer Trend – aktuell noch befeuert durch die Corona-Pandemie – ist das Thema, die Aufenthaltsqualität in Städten wieder zu steigern und der Verödung der Innenstädte entgegenzuwirken. Das können wir durch eine Reduktion von Lieferverkehren und dem Angebot von zusätzlichen Services für den lokalen Handel erreichen. Genauso wichtig ist der Trend zu mehr Nachhaltigkeit. Hier gibt es strenge Vorgaben und Zielsetzungen der EU zu Schadstoffemissionen. Ziel ist, bis 2050 eine Klimaneutralität zu erreichen.

Was ist einzigartig an Ihrem Produkt?

Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und integrieren alle relevanten Touchpoints einer Stadt – Stadtverwaltung, Unternehmen, Handel, Bürger – in unseren City-Logistik-Projekten. Gleichzeitig können wir von der Planung über die wissenschaftliche Begleitung bis hin zum Integrieren von lokalen Partnern und zur konkreten Umsetzung von Maßnahmen alle relevanten Projektschritte begleiten. Das gibt es bisher so noch nicht am Markt.

Durch Kooperationen kann ein noch umfassenderes, attraktiveres Angebot für alle Zielgruppen entwickelt werden. Wenn beispielsweise Onlineshops oder Paketdienstleister Daten zur Verfügung stellen, werden die Prozesse schneller, effizienter und für die Mitbürger transparenter. Davon profitieren alle Partner.

Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?

Die Idee entstand vor einigen Jahren in einem Innovationsworkshop bei meinem früheren Arbeitgeber. Kris Van Lancker, einer meiner Mitarbeiter, hatte das Problem, das er seine Pakete immer samstags beider Postfiliale abholen musste, da er tagsüber nicht zuhause und die Filiale nach seinem Feierabend schon geschlossen war. Da lag es für ihn nahe, dass Pakete doch dort zugestellt werden sollten, wo der Empfänger sich aufhält.

Daraus haben wir dann zunächst eine Software für den Empfang privater Pakete am Arbeitsplatz entwickelt, quasi ein Minimal Viable Product – auch wenn wir damals noch nicht wussten, was das überhaupt war. 2014 haben wir den Service in unserem damaligen Unternehmen, der LGI Logistics Group International GmbH getestet und dann bei Hewlett Packard verifiziert. HP war so begeistert, dass wir nach acht Wochen mit einem deutschlandweiten Rollout beginnen konnten. Daraufhin wurde bei der LGI entschieden, zunächst einen eigenen Geschäftsbereich für pakadoo und später dann ein Corporate Startup zu gründen. 2018 wurde pakadoo ausgegründet und in eine eigenständige GmbH umgewandelt.

Ausschlaggebend für die Entwicklung des Service und die daraus resultierende Gründung des Startups war das umfangreiche Logistik-Know-how meines Teams sowie meine Erfahrung im Bereich IT, Prozess- und Geschäftsentwicklung, das ich mir durch die Mitarbeit am Aufbau der LGI, eines sehr großen Logistik-Unternehmens erworben hatte.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?

Zunächst waren wir als Geschäftsbereich und Corporate Startup von der LGI finanziert. Seit unserer Ausgründung Ende 2018 werden wir finanziert durch Verso Capital, eine Investmentgesellschaft aus Finnland mit Präsenz in München.

Was waren die größten Hindernisse?

Durch unseren LGI-Hintergrund hatten wir zunächst kein Know-How in Bezug auf B2C-Vertrieb, auch waren wir zu sehr Corporate und zu wenig Start-up. Daher haben wir permanent an unserem Know-how gearbeitet und gerade zu Beginn auch externe Berater mit ins Boot geholt. In unserem Team war und ist nicht nur permanentes Lernen, sondern auch Flexibilität und Pivotieren gefordert.

Was war der Wendepunkt?

Es gab bei pakadoo mehrere Wendepunkte. Ein erster wichtiger Meilenstein war, dass HP bzw. die Mitarbeiter dort von der Lösung überzeugt war – ansonsten wäre unser Startup nie entstanden. Der nächste wichtige Punkt war die Ausgründung von pakadoo durch die Investition von Verso Capital in pakadoo. Dier Herauslösung aus Konzernstrukturen hat uns noch schneller und flexibler gemacht. Der dritte Wendepunkt war das Verbreitern und Pivotieren unseres Geschäftsmodells ab dem Jahr 2018. Ohne das zusätzliche Angebot von paketdienstunabhängigen Paketschränken, einer Software für die Verwaltung von geschäftlichen Paketen und nicht zuletzt von ganzheitlichen City-Logistik-Konzepten hätten wir Corona nicht überlebt, denn 90% des Volumens bei Unternehmen ist 2020 in der ersten Corona-Phase weggefallen. Dennoch konnten wir 2020 den Vorjahresumsatz erreichen, 2021 werden wir einen deutlichen Umsatzsprung machen.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?

Mit meinem Wissen heute würde ich kein Freemium Modell mehr anbieten, sondern mich schneller auf die Umsätze konzentrieren. Auch hatten wir unsere Wachstumskurve zu aggressiv geplant und nur auf einen Einnahmestrom gesetzt, was nicht funktioniert hat. Ich würde aus heutiger Sicht auf jeden Fall früher einen Partner aus dem Startup-Umfeld mit an Bord nehmen, um schneller zu lernen, wie ein Startup zu denken.

Welche Tipps würden Sie anderen Startup-Gründern?

Ein Startup zu gründen und zu führen ist wie eine Achterbahnfahrt, daher sollte man sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Man muss immer an seine Idee glauben, diese aber permanent überprüfen und weiterentwickeln.

Was ist die größte unmittelbare Herausforderung?

Im Moment ist unsere größte Herausforderung – wie sicher bei vielen Unternehmen – trotz Corona weiter stark zu wachsen. In 5 Jahren sehe ich pakadoo im europäischen Markt etabliert Marke für ganzheitliche City-Logistik.

Was würden Sie tun, wenn Sie kein Startup-Unternehmen gründen würden?

Wenn ich kein eigenes Unternehmen gründen würde, würde ich Innovationen in einem Corporate Startup vorantreiben.

Foto: Markus Ziegler, Mit-Gründer und -Geschäftsführer von pakadoo GmbH

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