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Foto: Webfleet Europe

Interview: Polnische Transportunternehmen können nicht mehr nur über den Preis konkurrieren

Telematik ist viel mehr als ein Technik-Trend. Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss auf Telematiklösungen setzen. In unserem Interview haben wir mit Taco van der Leij, Vice President von Webfleet Europe gesprochen.

Lesezeit 12 Min.

Michał Pakulniewicz, Trans.iNFO: Das letzte Mal sprachen wir vor einem Jahr im September während der IAA in Hannover. Damals sagten Sie, dass Webfleet Mitte 2023 ein Telematikprodukt für die Kühlkettenindustrie auf den Markt bringen wird. Und tatsächlich ist das Produkt bereits auf dem Markt. Wie hat es sich bisher bewährt?

Taco van der Leij, Vice-President von Webfleet Europe: Ja, das Produkt wurde in der ersten Jahreshälfte auf den Markt gebracht. Natürlich braucht es immer ein wenig Zeit, bis es von den Kunden aktiv genutzt werden kann. Interessanterweise war es bisher in Polen am erfolgreichsten. Wir haben einige große Unternehmen auf dem Markt, die das System nutzen, aber auch eine Reihe von mittelgroßen Unternehmen. Wir sehen, dass die Kühlkette einen relativ großen Teil des Logistikmarktes ausmacht, und wir sehen vor allem in Polen, Spanien und Frankreich eine große Nachfrage. Alle diese Länder sind große Hersteller von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten. Webfleet Cold Chain ist ein wichtiges Produkt, weil es die Qualität der Waren sichert und den Spediteuren gewährleistet, dass sie die richtigen Bedingungen für den Transport der temperaturempfindlichen Gütern haben. Wir sind eigentlich recht zufrieden mit der Leistung des Systems.

Sie erwähnten, dass große und mittelgroße Unternehmen bereits Interesse an Webfleet Cold Chain zeigen. Da wir gerade beim Thema Unternehmensgröße sind, möchte ich Sie nach dem Kundenprofil in Polen fragen. Der polnische Transportmarkt ist sehr fragmentiert und voller kleiner Familienunternehmen. Was relativ fehlt fehlt, sind Unternehmen mit Hunderten oder gar Tausenden von Fahrzeugen. Wer sind also Ihre Hauptkunden in Polen, die kleinen Firmen, die Niederlassungen internationaler Logistikunternehmen?

Wir sind ursprünglich ein deutsches Unternehmen und haben dort unseren größten Kundenstamm. Wenn man sich Webfleet im Allgemeinen ansieht, ist es ursprünglich für den Mittelstand konzipiert. Auch in Deutschland gibt es viele Familienbetriebe und kleine Unternehmen, die 10-20 LKW haben. Das ist unser Ursprung. Aber wir sind gewachsen, wir haben unsere Fähigkeiten und Systeme angepasst und können jetzt auch sehr große Kunden ansprechen. Wir haben zwar auch Kunden mit 1000 oder sogar 2000 Fahrzeugen, aber der Kern unserer Kunden sind mittelständische Unternehmen mit etwa 50 Fahrzeugen. Wenn wir uns insbesondere den polnischen Markt anschauen, ist das einer unserer stärksten Wachstumsbereiche. Die Adaption von Telematik und digitalen Lösungen kam etwas später auf den polnischen Markt, insbesondere im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen. Wir stellen fest, dass immer mehr kleinere Unternehmen in Polen der Meinung sind, dass sie dies brauchen, um die Leistung ihrer Flotte zu steigern. Wir sehen das Segment der kleinen Unternehmen als den stärksten Wachstumsbereich in Polen. Aber was den gesamten Kundenstamm betrifft, so haben wir einige große Firmen, aber der Großteil sind mittelgroße Unternehmen mit etwa 50 Fahrzeugen.

Worauf ist Ihrer Meinung nach diese Verzögerung bei der Öffnung für die Telematik in Polen im Vergleich zu den westeuropäischen Märkten zurückzuführen? Fehlende Mittel? Mangel an Bewusstsein?

Ich glaube nicht, dass es ein Mangel an Bewusstsein ist. Wir haben keine Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt, aber ich bin der Meinung, dass Unternehmensführung bedeutet, viele Probleme zu haben, sich ständigen Herausforderungen zu stellen usw. Telematik ist nicht die oberste Priorität. Es gibt immer wichtigere Dinge – Kundenbetreuung, neue Vorschriften und die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu sein. Das bedeutet, eine wettbewerbsfähige Kostenbasis zu haben. Ich glaube, dass die polnische Kostenbasis lange Zeit gut genug war, um wettbewerbsfähig zu sein. Es waren keine Telematiksysteme erforderlich, um den Betrieb zu optimieren. In den letzten Jahren sind die Kosten, die Arbeitskosten in Polen aufgrund des Wirtschaftswachstums gestiegen. Sie sind jetzt viel höher als in der Vergangenheit. Polnische Transportunternehmen können also nicht mehr allein über den Preis konkurrieren. Sie müssen auf Lösungen setzen, die die Gesamtleistung ihrer Flotte weiter verbessern. Ich finde polnischen Transportunternehmen eigentlich recht offen und anpassungsfähig gegenüber Innovationen.

Wie wichtig ist Polen für Webfleet in Bezug auf den Anteil am Umsatz?

Wir sind ursprünglich ein deutsches Unternehmen und Deutschland ist bei weitem unser größter Markt. Danach kommen Länder, die in der Telematik stark sind, wie die Niederlande und Großbritannien. Frankreich und Polen liegen knapp dahinter. Aber Polen ist für uns der am schnellsten wachsende Markt. Und auch die Wachstumsperspektive ist vielversprechend.

Wie verkaufen Sie also einem kleinen Familienunternehmen in Polen Telematikdienste? Ein solches Unternehmen hat doch sehr wahrscheinlich mit hohen Treibstoffkosten und steigenden Lohnkosten zu kämpfen. Da zählt jeder Cent. Wie können Sie dieses Unternehmen davon überzeugen, in Telematik zu investieren?

Natürlich müssen wir bedenken, dass jede Region anders ist und ihre Nuancen hat und auch jede Branche anders ist. Aber im Großen und Ganzen gibt es einige wichtige Dinge, die die Telematik mit sich bringt. Zum einen eine bessere Kostenkontrolle. Unternehmen sind in der Lage, Kraftstoff zu sparen. Unsere Kunden können nach der Implementierung der Tools bis zu 10 %, 15 % und sogar 20 % des Kraftstoffs einsparen. Das allein spart schon eine Menge Geld. Zweitens können Sie Ihr Auftragsmanagement und Ihre Aktivitäten weiter optimieren. Und drittens kann man mit einem geeigneten Telematiksystem viel Zeit sparen. Das reduziert den Verwaltungsaufwand und setzt Personalressourcen frei. Zum Beispiel der Fahrtenschreiber – Sie müssen die Informationen einmal im Monat herunterladen, eine Person dafür abstellen, sie verwalten, den Überblick behalten, wann sie es tun müssen usw. Wenn man das aus der Ferne erledigen kann, spart man Zeit, weil man all diese Aufgaben nicht mehr erledigen muss. Der letzte Punkt ist, dass unsere Systeme Ihnen helfen, alle neuen EU-Vorschriften einzuhalten und Geldstrafen zu vermeiden.Die Investitionskosten sind meiner Meinung nach kein Problem.Die größte Herausforderung für die Unternehmen ist die Änderung der Arbeitsweise, die Anpassung an etwas Neues.Die Besitzer kleinerer Speditionen sind in der Regel sehr beschäftigt, haben wenig Zeit und wollen die LKW nicht von der Straße nehmen, um die Ausrüstung installieren zu lassen, und außerdem müssen die Fahrer überzeugt und geschult werden. Diese internen Investitionen sind wahrscheinlich einer der Gründe, warum sich die Unternehmen vor dieser Maßnahme drücken.Ich würde  die folgende Frage stellen: Was macht Ihre Konkurrenz?Wollen Sie der Letzte sein, der die Dienste einführt?

In diesem Jahr haben Sie eine Partnerschaft mit Renault in Bezug auf Ihr Produkt OEM.connect angekündigt, bei dem Ihre Telematiksysteme in den neu hergestellten Fahrzeugen vorinstalliert sind.Sie haben bereits eine Reihe von Herstellern in Ihrem Portfolio, bei denen das System in PKW und leichten Nutzfahrzeugen installiert ist.Wird dieses Produkt in naher Zukunft auch für LKW verfügbar sein?

Ja, wir haben OEM.connect mit mehreren Herstellern von kleineren Fahrzeugen und sogar Transportern integriert. Schwere Nutzfahrzeuge sind der nächste Schritt. Aber das ist ein weit entferntes Thema. In dieser Fahrzeugkategorie sind wir bereits aktiv und arbeiten mit RIO, der Telematikplattform von MAN, zusammen. Im Allgemeinen müssen bei Lastkraftwagen jedoch sehr viel mehr Daten aus dem Fahrzeug gewonnen werden, und es müssen viele zusätzliche Funktionen bereitgestellt werden, wie die Integration des Systems mit dem Fahrtenschreiber, und man braucht Tools, um Daten über den Zustand der Reifen zu erhalten. Darüber hinaus wollen auch die Kühlkettenunternehmen ihre Daten haben, und es gibt auch eine Reihe von Informationen über die Anhänger. Daher wird es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis die Lkw-Hersteller integrierte Telematik mit hoher Datenqualität anbieten können.

Führen Sie bereits konkrete Gespräche darüber?

Ja, wir sind mit verschiedenen Herstellern im Gespräch, aber nicht mit allen. Bei den Kleintransportern haben wir die meisten der führenden Marken im Portfolio, aber bei den Lkw geht es viel langsamer und wird noch einige Zeit dauern.

Gibt es Lösungen für schwere Fahrzeuge, an denen Webfleet derzeit arbeitet und die in naher Zukunft auf den Markt kommen werden?

Dieses Jahr war für uns in Bezug auf Schwertransportlösungen bisher recht arbeitsreich. Ich habe bereits Webfleet Cold Chain erwähnt. Wir hatten bereits ein Produkt, das die wichtigsten Parameter von Anhängern überwacht, und dieses Jahr haben wir eine neue Version hinzugefügt, die um Informationen zu den Bremsen erweitert wurde. Darüber hinaus haben wir auch ein Reifenüberwachungssystem hinzugefügt. Dies ist die neueste Lösung, die wir im vergangenen Sommer auf den Markt gebracht haben.
Wir werden dieses Produkt für die Kühlkette laufend weiterentwickeln.

Ein weiteres Produkt, das wir vor kurzem auf den Markt gebracht haben, ist ein Produkt, das an die Anforderungen für intelligente Fahrtenschreiber angepasst ist. Wir werden kontinuierlich in Dienstleistungen investieren, die das Leben der Fahrer erleichtern und ihnen helfen, ihre Arbeit effizient zu erledigen. Unser Fahrerterminal verfügt über ein Auftragsmanagementmodul, mit dem sie Aufträge annehmen, die Route zum Kunden oder den gesamten Arbeitstag planen können. Darüber hinaus haben wir dieses Tool um die Möglichkeit erweitert, Unterschriften und Fotos anzuhängen. Kurz gesagt, wir entwickeln und erweitern die Funktionen für die Fahrer. Wichtig ist, dass es möglich ist, alle Systeme über eine API (Application Programming Interface) zu verbinden.

Die Telematik ist heute kein geschlossenes System mehr, sondern ein offenes, bei dem der Fahrer über ein Terminal mit dem Flottenmanager in Verbindung treten und interagieren kann. Darüber hinaus haben wir mehrere Anwendungen, die ständig im Terminal oder im so genannten Back-End aktiviert sind. Dadurch kann der Flottenmanager auf mehr Daten und Informationen zugreifen.
Kurz gesagt, wir bringen keine neuen Produkte auf den Markt, sondern konzentrieren uns darauf, bestehende Lösungen zu verbessern, zu ersetzen und an die neuesten Standards anzupassen.

Wie sieht es mit Produkten im Zusammenhang mit der Elektrifizierung des Fuhrparks aus? Dies ist eines der meist diskutierten Themen im Verkehrswesen.

Wir investieren sehr viel in die Elektrifizierung des Verkehrs. Wir haben eine Menge Ladedaten, die das so genannte intelligente Laden ermöglichen. Wenn Sie zum Beispiel eine Flotte von Elektrofahrzeugen haben, müssen Sie diese hin und wieder zum Aufladen zurück zur Basis bringen. Wenn sie alle zur gleichen Zeit geladen werden, muss das Unternehmen entweder die zugehörige Infrastruktur ausbauen, was eine ziemlich teure Investition ist, oder es muss das Timing entsprechend steuern. Wir können eine Lösung anbieten, die sich in die Ladeinfrastruktur an der Basis einfügt und dabei hilft, die Ladezeiten zu optimieren. Dies hilft den Unternehmen, die Infrastrukturkosten zu senken und die Leistung der Flotte zu verbessern. Das dafür zuständige Tool – Webfleet EV Smart Charging – wird in erster Linie von Busunternehmen genutzt, kann aber auch LKW-Besitzern dienen.

Wie entwickeln sich die Produkte für Elektrofahrzeuge auf dem polnischen Markt? Die Elektrifizierung des Verkehrs wird in unserem Land mit einer gewissen Skepsis betrachtet, da Elektrofahrzeuge für den Fernverkehr, auf den polnische Spediteure spezialisiert sind, als ungeeignet gelten.

Ich bin positiv überrascht, denn wir erhalten recht viele Anfragen aus Polen. Aus unserer Sicht ist Polen, wenn man sich den Absatz unserer Produkte ansieht, kein rückständiges Land, was die Elektrifizierung angeht. Das gilt zwar nicht für Fernverkehrs-LKW, sondern eher für Elektro-Lieferwagen, Elektro-Gabelstapler oder Elektro-Busse. Insgesamt sehen wir aber, dass die Nachfrage in Polen recht gut ist. Es gibt Länder, die in dieser Hinsicht im Rückstand sind.

Welche Produkte wird in nächster Zeit entwickeln?

Wir verfügen bereits über Instrumente, mit denen die Kunden ihre CO2-Emissionen melden können, was ab dem nächsten Jahr obligatorisch sein wird. Unser Tool liefert diese Daten für jedes Fahrzeug. Wir sind auch bereit, Reifendrucküberwachungssysteme (TPMS) einzuführen, die ebenfalls ab dem nächsten Jahr obligatorisch sein werden. Wir bereiten auch ein kleines Tool für Fahrer vor, das Informationen über Fahrstil, Reifendruck usw. liefert. Dieses Gerät ist noch kleiner als ProM, das wir letztes Jahr herausgebracht haben. Es kann an eine Blackbox angeschlossen werden und liefert dann alle grundlegenden Daten, die ein Fahrer benötigt. Es kann auch als Startplakette verwendet werden – eine Art Ersatz für eine Fahrerkarte. Dieses Produkt wird im Dezember auf den Markt kommen.

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