Foto: Rhenus Gruppe

Kurzinterview: Die meisten Arbeitgeber der Branche haben realisiert, dass ein „weiter so“ nicht möglich ist

Was müssen Unternehmen gegen den Fachkräftemangel tun? Oft reichen moderne Arbeitsbedingungen mit attraktiven Vergütungsmodellen nicht mehr aus, behauptet in unserem Interview Ronny Sassen von der Rhenus Special Delivery.

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Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Europaweit klagen Unternehmen über Fachkräftemangel. Betroffen ist auch die Transport- und Logistikbranche. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Thema?

Ronny Sassen, Geschäftsführer der Rhenus Special Delivery:Innerhalb der Rhenus Special Delivery verzeichnen wir seit Jahresanfang im Schnitt 85 offene Stellen – und dies über alle Unternehmensbereiche hinweg. Besonders schwierig ist die Besetzung der gewerblichen Stellen im Lager, bei der Auslieferung und im Montagebereich. Aber auch die Besetzung von Querschnittspositionen stellt uns vor große Herausforderungen, beispielsweise in der Softwareentwicklung und im Senior-Projektmanagement. Die Auswahl freier Stellen für Arbeitnehmer ist derzeit sehr groß. Als Arbeitgeber müssen wir daher nicht nur ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen, sondern auch den Bewerbungsprozess möglichst einfach, transparent und zügig gestalten, um die ‚time to hire‘ möglichst kurz zu halten. Wir versuchen überdies, über unsere internen Nachwuchsprogramme Stellen zu besetzen.

Macht die Politik Ihrer Meinung nach genug? Welche politischen Strategien könnten das Problem langfristig lösen?

Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um freie Stellen unbürokratisch mit Fachkräften aus dem Ausland besetzen zu können. Denn die zunehmenden Herausforderungen und ein sich verschärfender Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende können wir nicht allein mit nationalen oder europäischen Arbeitskräften lösen. Daher sollten die Bedingungen der Arbeitsaufnahme von nicht-europäischen Arbeitnehmern in Deutschland weiter erleichtert werden. Hinzu kommt der demografische Wandel, der den Trend des Fachkräftemangels noch weiter verstärken wird.“

Und was können Unternehmen machen, damit die Berufe in der Transport- und Logistikbranche wieder ein wenig attraktiver werden?

Die meisten Arbeitgeber der Branche haben realisiert, dass ein ‚weiter so‘ nicht möglich ist. Viele Unternehmen haben daher moderne Arbeitsbedingungen mit attraktiven Vergütungsmodellen im Rahmen der marktüblichen Gehaltsstrukturen geschaffen. Viel wichtiger ist jedoch, dass das Image und die Sicht der Gesellschaft auf die Transport- und Logistikbranche verbessert werden. Wir sind der Motor in Europa und machen den Wandel zum Multichannel-Shopping überhaupt erst möglich. Dies sollte Anerkennung mit sich bringen, die zu einer höheren Attraktivität für potenzielle neue Arbeitnehmer führt. Innerhalb unserer Unternehmen der Special Delivery setzen wir darüber hinaus auf eine starke HR-Abteilung, die individuelle Karrieren fördert, das Onboarding erleichtert und Weiterentwicklungsangebote schafft. Eine hohe Vergütung ist zwar ein kurzzeitiger Anreiz. Um Mitarbeiter langfristig zu halten, muss der Job jedoch Freude und Erfüllung bereiten sowie Möglichkeiten der Selbstverwirklichung bieten. Gerade die Logistikbranche punktet mit Vielseitigkeit, Gestaltungsmöglichkeiten und Durchlässigkeit.

Wie sieht bei Ihnen im Unternehmen der Wettbewerb um junge Leute aus?

Wir bieten eine Vielzahl von Einstiegsmöglichkeiten sowie Entwicklungsprogrammen, um Nachwuchskräfte für unsere Unternehmen Rhenus Home Delivery und Rhenus High Tech zu begeistern. Seit mehreren Jahren lernen wir Auszubildende an und übernehmen Absolventen anschließend als feste Mitarbeiter. Für unser Azubi-Programm wurden wir bereits ausgezeichnet. Darüber hinaus bieten wir seit zwei Jahren die Möglichkeit des dualen Studiums. Für junge Akademiker haben wir verschiedene Einstiegsmöglichkeiten entwickelt – ob als Trainee, der mehrere Stationen innerhalb der Rhenus Gruppe kennenlernt oder im Direkteinstieg zum Beispiel in einer Assistenzfunktion. Für besondere Talente haben wir überdies weiterführende Programme initiiert, die den Weg zu einer Fach- oder Führungskarriere ebnen. Im Vordergrund steht der Aufbau unseres Netzwerkes der Special Delivery, denn wir möchten weiter wachsen und benötigen dafür motivierte Talente.

Wie wird sich der Arbeitsmarkt in der Transport- und Logistik in Zukunft entwickeln?

Der Arbeitsmarkt wird sich weiter wandeln. Durch den vermehrten Einsatz autonomer Systeme eröffnen sich neue und innovative Berufsbilder und Arbeitsplätze. Routineaufgaben können so durch neu geschaffene, anspruchsvollere Aufgaben ersetzt werden. Es wird mehr Mitarbeitende geben, die digitale Systeme entwickeln, implementieren und überprüfen. Trotz Digitalisierung und neuer Technologien: Logistik ist ein People Business und dies wird sich in der nahen Zukunft auch nicht ändern!

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