Quelle: Adobestock / Frank Boston

Die Mobilitätswende verändert die Rahmenbedingungen für Lieferverkehr erheblich

Lieferverkehre sind im Stadtbild allgegenwärtig. Sie werden gleichzeitig als Bereicherung und als Problem wahrgenommen. Aus der Versorgung von Städten sind sie nicht mehr wegzudenken. Sie leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass der Lebensraum Stadt gut funktioniert. Im Kurier-, Express-, Post- und Paketsegment wird die Branche durch einige wenige Unternehmen dominiert. Sendungen werden per pedes, mit Lastenrädern, Leichtfahrzeugen oder kleinen Nutzfahrzeugen bis 3,5 t zulässiger Gesamtmasse transportiert. Aufgrund der relativ vielen, auffällig gebrandeten Fahrzeuge und Mitarbeiter*innen weniger Anbieter, fallen diese Lieferverkehre im Stadtbild auf. Besonders dann, wenn Fahrzeuge wegen fehlender anderer Möglichkeiten in zweiter Reihe halten müssen und dann Fußgänger bzw. den Verkehrsfluss beeinträchtigen.

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Nachhaltigkeit wird in Diskussionen oft auf das Thema Ausstoß von Treibhausgasen bzw. Maßnahmen zum Klimaschutz reduziert. Die Vereinten Nationen erfassen darunter jedoch insgesamt 17 Themenfelder, u.a. menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, verantwortungsvoller Konsum und Produktion sowie Gesundheit und Wohlbefinden.

Pfadabhängigkeit bremst nachhaltige Veränderungen

Nachhaltige Entwicklungen in der KEP-Branche bezogen sich in den letzten Jahrzehnten besonders auf technische Innovationen. (Diesel)Fahrzeuge wurden immer sparsamer und schadstoffärmer, ausgeklügelte Fahrzeugaufbauten und Tourenplanung erleichtern Mitarbeiter*innen die Arbeit und steigern die Effizienz. Gleichzeitig hat sich jedoch die Anzahl der KEP-Sendungen in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Die Lieferverkehre sind deshalb gestiegen.

Zusteller*innen arbeiten oft im Niedriglohnsegment. Besonders die mittelständischen KEP-Unternehmen existieren am Rande der Wirtschaftlichkeit, oft als Subunternehmer von Systemanbietern. Die Unternehmen folgen bis auf Ausnahmen vor Jahrzehnten eingeschlagenen Entwicklungspfaden. Sie halten an etablierten und vertrauten Systemen fest und können den eingeschlagenen Pfad faktisch nicht verlassen. Erfolgversprechendere, nachhaltigere Alternativen werden deshalb ausgeschlossen und im weiteren Zeitverlauf durch andere Marktteilnehmer realisiert.

Nachhaltigkeit in der City-Logistik?

  • Klimaschutz & Energiewende unterstützen

Die KEP-Branche muss ihren Anteil an den Klimaschutzmaßnahmen erbringen. Läuft die traditionelle Briefzustellung schon immer überwiegend klimaschonend zu Fuß, basiert die Paketzustellung nach wie vor nahezu vollständig über dieselbetriebene Fahrzeuge. Die KEP- Branche muß die Energiewende auf andere, erneuerbare Antriebsenergien meistern. Traditionelle Dieselfahrzeuge werden immer schlechter verfügbar sein und deutlich teurer werden. Dieser Trend wird durch die unsicher werdende weltpolitische Lage verstärkt. Möglichst wenig Abhängigkeit von externen Energielieferungen sowie ein vielfältiger Energiemix heißen die strategischen Ziele für die Gesellschaft. Das bedeutet, dass die ca. 150.000 KEP-Fahrzeuge auf dem deutschen Markt auf neue Antriebsenergien umgestellt oder durch andere Zustelltechnologien ersetzt werden müssen. Die EU hat über die Taxonomie-Verordnung Fahrzeuge ohne direkte CO2- Abgasemissionen als Beitrag zum Klimaschutz definiert.

  • Anpassung an den Klimawandel in den Fokus aufnehmen

Die Anpassung an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel steht bisher wenig im Fokus. Mitarbeiter*innen und Sendungen müssen vor Hitze und Nässe geschützt werden. Die Funktionsfähigkeit der Liefersysteme als systemrelevante Infrastruktur muss auch nach Schäden, beispielsweise durch Sturm, Starkregen, Hagel, Überschwemmung oder Erosion, sichergestellt sein.

  • Neuverteilung der (Verkehrs)Flächen aktiv mitgestalten

Die sich abzeichnende Mobilitätswende verändert die Rahmenbedingungen für den Lieferverkehr erheblich. Verkehrsflächen werden neu verteilt. Besonders die regionalen KEP-Unternehmen müssen ihre Interessen in die Veränderungsprozesse auf kommunaler Ebene einbringen. So kann sichergestellt werden, dass Lieferverkehre die nötigen Flächen und Zufahrtsgenehmigungen für Ihre Zustellkonzepte bekommen und dadurch weiter wirtschaftlich arbeiten können.

  • Attraktive Arbeitsplätze für zugewanderte oder gering qualifizierte Mitarbeiter*innen schaffen

Der Wettbewerb um Mitarbeiter*innen wird stärker. Auch wenn die Branche den Niedriglohnsektor schon aus mathematischer Sicht nicht verlassen wird, sind wettbewerbsfähige Löhne gegenüber Branchen mit vergleichbaren Löhnen notwendige Bedingungen für erfolgreiche Personalakquise. Besonders die dauerhafte Einstellung zugewanderter oder gering qualifizierter Menschen in die Unternehmen ist Chance und Herausforderung zugleich. Unternehmenskulturen und Führungsmodelle werden sich dadurch verändern müssen.

  • Kosten- und Erlösdruck – heilige Kühe schlachten

Klimaschutzvorgaben, steigende Treibstoff- und Betriebsmittelkosten, Energiewende, Folgen der Corona-Pandemie, Mindestlohn, Neu-Fahrzeugmangel und die verpflichtende EU-Lizenz im internationalen KEP-Verkehr führen schon heute zu erheblichen Kostensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. KEP-Unternehmen sind deshalb gefordert die Effizienz signifikant zu steigern und/ oder neue Erlösquellen zu erschließen. Die einfache Weitergabe der Zusatzkosten an den Kunden wird nicht gelingen. Anders als früher reichen jedoch geringe prozentuale Effizienz- oder Erlössteigerungen nicht mehr aus. Radikale Maßnahmen sind gefragt. Welche Sendungsmengen können gebündelt und so gemeinsam zugestellt werden, können Fahrzeuge mehrfach genutzt werden, welche Dienstleistung muß gegebenenfalls eingestellt werden, mit welcher grundsätzlich neuen Dienstleistung können neue Erlöse generiert werden – dies sind einige der existenziellen Fragen, die sich nun stellen.

  • Wachstum der B2C-Sendungsmengen als Chance aufgreifen

Ist die KEP-Branche früher mit B2B-Sendungen groß geworden, sind es heute die B2C- Sendungen, die für den wachsenden Markt sorgen. Das bedeutet, mit den Sendungen wächst in der Regel auch die Anzahl der Stopps. Parallel haben B2C-Sendungen oft eine geringere Marge als B2B-Sendungen. Die Bündelung von Sendungen über Zustellkooperationen mit anderen KEP-Diensten in der Region können eine wirtschaftlich tragfähige Antwort auf diese Entwicklung sein. Lokale Zustellnetze sind so in der Lage, sich überregionalen und regionalen Versendern als direkter Vertragspartner für die letzte Meile anzubieten. So bleibt mehr Wertschöpfung in der Region. Allerdings müssen dazu eingetretene Pfade verlassen und neues Vertrauen in Kooperationen aufgebaut und einheitliche Standards eingeführt werden.

  • Nachhaltigkeit durch neue regionale Logistiksysteme ermöglichen

Hinsichtlich der City-Logistik ist die Aufgabe von Bund und Ländern die Förderung neuer Logistikkonzepte mit hohem Innovationsgrad. Aktuelle Förderungen zielen darauf ab, in bestehenden Logistiksystemen beispielsweise Diesel- durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen oder über ein Mikrodepot den Einsatz von Lastenrädern als Ersatz für klassische Nutzfahrzeuge zu forcieren. Nötig sind jedoch komplett neue Logistiklösungen. Ähnlich wie Wikipedia das Brockhaus Lexikon abgelöst hat und nicht das Lexikon selbst heute über eine Internetseite erfolgreich ist. Auf diese Lösungen mit hohem Innovationsgrad sollten sich die Förderungen konzentrieren.

So könnte beispielsweise eine Art öffentlicher Güternahverkehr als Partnerschaft zwischen Kommune und Wirtschaft aufgesetzt werden. Als zusätzlicher Effekt bleibt die systemkritische Infrastruktur der Liefersysteme dann in der Region oder im Land. Sie ist im Krisenfall in Zukunft nicht vom Wohlwollen global agierender Plattformen abhängig. Mutige Ansätze wie in Paris sind gefragt. Die Folgen davon, dass systemkritische Infrastruktur aus der Hand gegeben wird, erleben wir aktuell auf dem Energiemarkt. Das ist die Aufforderung für die Gesellschaft, unabhängige Liefersysteme zu unterstützen und deren Ausbau zu forcieren.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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