[Update 12. Februar 2024, 14:00 Uhr]
Die Bundesrepublik Deutschland hatte die deutsche LKW-Maut fehlerhaft berechnet und muss aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes einen Teil der LKW-Maut erstatten. Die Erstattungsanträge reichen die betroffenen Mautkunden u.a. beim Mautbetreiber Toll Collect ein.
Der Verein Camion Pro e.V. sieht in dem derzeitigen Mauterstattungsverfahren des Betreibers künstliche bürokratische Hürden sowie ungerechtfertigte und überhöhte Gebühren bei der Antragsbearbeitung und ist der Auffassung, dass Toll Collect seine marktbeherrschende Stellung missbrauche und hat eine einstweilige Verfügung gegen Tool Collect beantragt, die im Eilverfahren gerichtlich entschieden werden soll.
Andreas Mossyrsch von Camion Pro e.V. kommentiert:
Das ist schon verblüffend. Anstatt die zu viel berechnenden Beträge einfach zurückzuüberweisen, werden die Opfer nun auch noch in bizarre Verwaltungsprozesse manövriert, künstlicher Aufwand produziert und den Geschädigten noch zusätzlich Geld aus der Tasche gezogen.“
Der Verband gibt ein Beispiel und schreibt, dass “Tool Collect von den geschädigten Unternehmen Belege fordert, die von Toll Collect selbst ausgestellt wurden. Da bei Toll Collect alle Unternehmen namentlich und inkl. aller Mautrechnungen erfasst sind, ist anzunehmen, dass Toll Collect die von den Unternehmen geforderten Unterlagen ganz einfach per Knopfdruck (im eigenen System) abrufen könnte”.
Wozu müssen die geschädigten Unternehmen bei der staatseigenen Toll Collect kostenpflichtig Belege anfordern, um diese dann Anträgen beizulegen, die sie wiederum bei denselben staatlichen Stellen einreichen?”- stellt sich der Verband die Frage.
Zudem heißt es weiter, dass wenigstens 20 Euro Verwaltungsgebühren erhoben werden, was sich pro Erstattungsverfahren schnell zu einigen hundert Euro summiert.
Was hier abläuft, ist in hohen Maßen unappetitlich. Auf mich wirkt das so, dass man versucht, mit künstlich aufgeblähtem Aufwand und Kosten, Antragsteller zu vergraulen und damit die gerichtlich anerkannten Ansprüche auszuhebeln,“ sagt Mossyrsch.
Das Landgericht Berlin hat für den 26. Februar 2024 eine mündliche Verhandlung angesetzt, heißt es in der ofiziellen Mittelung des Verbands, in der über den Erlass der einstweiligen Unterlassungsverfügung entschieden werden soll. Geht diese Verfügung bei Gericht durch, dürften dem staatlichen Mauteintreiber weitere Konsequenzen und ggf. Schadenersatz in Millionenhöhe drohen.
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Ansprüche von 15.000 Transport- und Logistikunternehmen
Ebenfalls Anfang Februar reichte die deutsche Anwaltskanzlei Hausfeld gemeinsam mit eClaim drei Musterklagen beim Verwaltungsgericht Köln ein, in denen es um die Erstattung von zu viel gezahlten Mautgebühren in Deutschland und um fällige Zinsen geht. Die Anwälte vertreten die Ansprüche von 15.000 Transport- und Logistikunternehmen aus Europa, darunter rund 8.000 kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland, mit Forderungen für unrechtmäßig erhobene LKW-Maut, berichtet die Deutsche Verkehrs-Zeitung. Dabei geht es um Mautgebühren, die zu einem späteren Zeitpunkt als in den Erstattungsanträgen der Camion Pro-Mitglieder zu viel gezahlt wurden.
Nach den von der Anwaltskanzlei zur Verfügung gestellten Informationen beläuft sich die von den betreffenden Unternehmen zwischen Januar 2017 und September 2021 gezahlte Maut auf insgesamt 7,5 Milliarden Euro, von denen 330 Millionen Euro unrechtmäßig der Verkehrsbehörde in Rechnung gestellt werden. Zu diesem Betrag müssen die gesetzlichen Zinsen hinzugerechnet werden.
Zu geringe Rückerstattungen
Die Hausfeld-Anwälte wenden sich auch gegen die gesamte Mautberechnung und das ihr zugrunde liegende Wegekostengutachten. Die Mauthöhe ist daher seit ihrer Einführung am 1. Januar 2005 rechtswidrig.
Die Klagen basieren auf Vereinbarungen, die mit dem zuständigen Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) im Juli 2023 geschlossen wurden. Rechtskräftige Entscheidungen zu den drei Musterklagen betreffen dann alle von Hausfeld vertretenen Unternehmen. Hausfeld kooperiert mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. sowie mit dem Bundesverband Spedition- und Logistik (DSLV) und Organisationen aus den Niederlanden, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Rumänien.
Als Reaktion auf das EuGH-Urteil hat der Gesetzgeber eine Änderung des Fernstraßenmautgesetzes beschlossen und die Maut neu kalkuliert. Die Änderung, die am 1. Oktober 2021 in Kraft tritt, betrifft neue ermäßigte Mautsätze. Die Gesetzesänderung erfolgte rückwirkend zum 28. Oktober 2020, so dass die Mautsätze bereits für den Zeitraum vom EuGH-Urteil vom 28. Oktober 2020 bis zum 30. September 2021 rückwirkend abgesenkt worden sind (sog. “Tarifabsenkung”). Für Mautzahlungen in diesem Zeitraum hat sich somit die Rechtsgrundlage – und damit auch der Mautsatz – rückwirkend geändert”, erklären die Anwaltskanzlei Hausfeld und das klagende Unternehmen eClaim.
Infolgedessen wurden Erstattungsanträge gestellt, die sich auf die Differenz zwischen den nach altem und neuem Recht geltenden Mautsätzen stützen.
Nach eingehender rechtlicher Prüfung sind wir jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesetzesnovelle nicht in vollem Umfang den europarechtlichen Anforderungen entspricht. Unter anderem gilt die rückwirkende Senkung der Mautsätze nur für den Zeitraum nach dem Urteil. Für weitere Erstattungen für den Zeitraum vor dem 28. Oktober 2020 gilt die Änderung nicht. Allerdings bestehen auch im Hinblick auf die Erstattungen für den Zeitraum der Gesetzesänderung Zweifel, ob die Erstattungen auf der Grundlage der Gesetzesänderung ausreichend hoch sind”, so eClaim und Hausfeld in einer offiziellen Stellungnahme.
Das Unternehmen und die Anwaltskanzlei kamen zusammen mit Wirtschaftsexperten zu dem Schluss, dass die angebotenen Erstattungen in der Regel zu niedrig sind und dass die Spediteure in einigen Fällen wesentlich höhere Erstattungen verlangen können, als in der Gesetzesnovelle vorgesehen.
Zusammenarbeit mit Agnieszka Kulikowska – Wielgus