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Unrund – zu den Herausforderungen der wachsenden Radlogistikbranche

Die Verkehrswende ist unerlässlich, ihre Umsetzung essenziell für den Klimaschutz. Die Transformation ist dabei in vollem Gange. Der rasante Markthochlauf der Elektromobilität trägt maßgeblich dazu bei und ist schon lange nicht mehr nur im reinen PKW-Markt zu spüren. Auch der gewerbliche Transport stellt um. Die Elektrifizierung jeglicher Mobilitätsangebote und Logistikdienstleistungen hat in der heutigen Zeit einen enormen Stellenwert gewonnen. So auch die letzte Meile, deren Klimafreundlichkeit durch den Einsatz von eCargobikes sichergestellt werden kann.

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eCargobikes und Radlogistik werden nicht nur attraktiver, sondern vor allem auch essenziell, wenn man die aktuelle Weltlage bedenkt. Der Wachstumstrend der vergangenen Jahre wird auf jeden Fall anhalten. Der im Vergleich zum Vorjahr um 33 % gesteigerte Umsatz 2021 wird weiter wachsen. Ein Branchenumsatz von 120 Mio. Euro unterstreicht die Entwicklung und Nachfrage nach klimafreundlichen Alternativen. Fakt ist, fossil-betriebene Autos in der Stadt sind nicht mehr zeitgemäß.

Klimafreundlich, leise, emissionsfrei

Die Vorteile von eCargobikes liegen auf der Hand: der Be- und Antrieb ist klimafreundlich, leise und stößt lokal keine Emissionen aus. Diese unmittelbar positive Wirkung auf Lärmschutz und Luftverschmutzung beeinflusst die urbane Lebensqualität umfassend. Im Vergleich zu E-Autos, entlasten eCargobikes Hauptverkehrspunkte sowie Nebenstraßen und können langfristig das Stauaufkommen erheblich reduzieren. Außerdem ist es einfacher, Mitarbeiter zu finden, da für den Betrieb kein Führerschein notwendig ist.

Mit einer Transporteffizienz des 2-3-fachen ihres Eigengewichts werden die Transportleistungen eines jeden Transporters, die maximal das Äquivalent ihres eigenen Gewichts beladen können, in den Schatten gestellt – zumindest im urbanen Raum. Eine zusätzliche Erhöhung der Kapazität und Umschlagsmenge lässt sich durch eine zunehmende Containerisierung der Innenstädte ermöglichen. In Hamburg, Berlin sowie weiteren Städten laufen bereits eine Vielzahl derartiger Projekte. Kooperationen zwischen KEP-Dienstleistern, Parkraumlösungs-Anbietern und eCargobike-Herstellern, wie in Hamburg mit ONOMOTION, UPS und APCOA, heben die klimaneutrale Realisierung der letzten Meile und eine effiziente Nutzung bestehender Parkräume auf ein neues Niveau.

Die Neuplanung sowie Entwicklung diverser Mikrohubs in Städten schafft enormes Potenzial, das aufgrund der voranschreitenden Urbanisierung und dem Wachstum innerstädtischer Warenströme dringend genutzt werden muss. Die Anforderungen eines niedrigen Rohstoffs-, Energie- und Flächenverbrauchs schaffen vor dem Hintergrund steigender Warenlieferungen die Notwendigkeit, zusätzliche Verteilzentren zu etablieren. Nur so kann die steigende Komplexität im Bereich der City-Logistik den Handlungs- und Lösungsbedarf langfristig zuverlässig abdecken.

Auf langen Strecken mögen eCargobikes aufgrund des höheren Aufwands keine Alternative sein, in Städten und Ballungsgebieten ermöglichen sie allerdings eine optimierte Nutzung des Verkehrsraums, da eCargobikes wesentlich weniger Platz einnehmen. Auch dadurch erweitern sich die Möglichkeiten einer freundlichen und lebenswerten Stadtplanung.

Zur Notwendigkeit einer ausgeklügelten Stadtplanung

Der insbesondere durch die Corona-Pandemie stark wachsende E-Commerce-Sektor macht ein Umdenken in der Stadtplanung unerlässlich. Neue Lösungen für Logistik, Distribution und Warentransport werden stetig relevanter und entwickeln sich zu einer großen Herausforderung für Stadtplaner. Ein klarer und verlässlicher politischer Rahmen ist notwendig. Stadtverwaltungen müssen ihre Verkehrs- und Raumplanung zielgerichteter auf den Fahrradverkehr auslegen und damit eine effizientere Nutzung des vorhandenen Raums möglich machen.

Das Potenzial für eine weiträumige Umverteilung der Nutzung von Flächen innerhalb der Städte ist groß. In Graz beispielsweise sind schätzungsweise 90 Prozent des Verkehrsraums auf Autos ausgelegt. Diese ungleiche Verteilung bevorzugt nicht nur E-Autos, es begünstigt auch die Nutzung von Verbrennern gegenüber umweltfreundlicheren Alternativen. Außerdem sorgen große Straßen dafür, dass die Lebensqualität im urbanen Raum, aufgrund steigender Luftverschmutzung und Lärmbelästigung, abnimmt.

In Berlin entfällt auf den motorisierten Individualverkehr knapp die Hälfte der Verkehrsflächen. Im bundesweiten Durchschnitt zeigt Berlin zudem den höchsten Anteil an autofreien Haushalten auf. Die Potenziale, alternative Verkehrswege zu schaffen sowie andere Verkehrsträger zu nutzen, sind dementsprechend hoch. In deutschen Metropolregionen kommt der Radanteil am Verkehrsaufkommen laut aktuellen Zahlen auf maximal 28%. Die doch sehr ungerecht verteilte Auslastung der Verkehrswege zwischen motorisiertem Individual- und Radverkehr und eine entsprechende Umstrukturierung der Stadtplanung ist daher oberstes Gebot für einen Zuwachs an Lebensqualität und Verkehrssicherheit.

Wie sehr die gesamte Branche in den kommenden Jahren wachsen kann, ist auch an den Berliner Pop-Up-Radwegen zu sehen. So verdreifachte sich der Radverkehr auf der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg nach nur anderthalb Jahren, während der Autoverkehr um 22 Prozent sank. Das Wachstum könnte in den kommenden Jahren durch einen verstärkten Einsatz von Radlogistik flankiert und gefördert werden.

Immer wieder versprechen Parteien im Wahlkampf einen Ausbau der Radwege und eine Verbesserung der Sicherheit für Radfahrende. Aber die Bemühungen fallen häufig zu klein aus. So nutzte Hessen im vergangen Jahr 21 Mio. Euro für den Bau und die Sanierung von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen. Allein den Landesstraßen selbst wurden hingegen 124 Mio. Euro gewidmet. Und die Forderungen nach mehr sicheren Radwegen bleiben bestehen. Laut der Umfrage Fahrrad-Monitor 2021 wünschen sich 57 Prozent der Befragten einen Ausbau der Radwege. Und die Nachfrage hat Wachstumspotenzial: 41 Prozent der Menschen zwischen 14 und 69 Jahren wollen in den kommenden Jahren Fahrräder häufiger nutzen.

Doch nichtsdestotrotz: der Markt befindet sich in Kinderschuhen und diese Schuhe beginnen allmählich zu drücken. Denn die Entwicklungen sind vielversprechend und das Umweltbewusstsein der Mobilitäts- und Logistikbranche steigt. Ökologisch, zuverlässig und skalierbar sind die Attribute einer künftigen urbanen Mobilitäts- und Logistiklösung.

Knackpunkt Lieferketten

Die Attribute ökologisch, zuverlässig und skalierbar gelten dabei nicht nur für das Produkt und das Angebot an Mobilitäts- oder Logistikdienstleistungen, sondern allen voran für die gesamte Wertschöpfungskette. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Branche aufgrund der Corona-Pandemie verstärkt mit Lieferausfällen und Verzögerungen zu kämpfen. Wer sich hier nicht frühzeitig mit europäischen Partnern zusammengesetzt hat, hat zu kämpfen. Der erschwerte Zugang zu mechanischen Komponenten von Rädern und Anhänger hat sich im Zuge der Halbleiterkrise auch auf die technische Ebene gehoben. Die aktuellen Bedingungen bei der Sicherung der Lieferketten sind für gesamte Branche sehr herausfordernd. Der Ukraine-Krieg und der Shutdown in Shanghai verschärfen die Situation weiter.

Diese Engpässe zeigen, dass der Blick über die Grenzen Europas allmählich Gefahren birgt.

Daher ist es bedeutend – und daran orientiert sich auch unser Geschäftsmodell – soweit möglich, jeden Produktionsschritt der Lieferkette in Europa zu halten, um eine klimafreundliche, zuverlässige und sichere Produktion garantieren zu können. Die Konzentration auf innereuropäische Partner und die Etablierung fester Zulieferstrukturen sollten daher forciert und rasch umgesetzt werden. Hierbei ist vor allem die Politik gefragt, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen und das Attraktivitätsniveau des europäischen Wirtschaftsstandortes weiter zu steigern.

Zur Dringlichkeit von Normen und Standards

Um die Transformationsgeschwindigkeit der Branche hochzuhalten, werden seitens Bund, Ländern, Städten und Kommunen verstärkt Fördermaßnahmen für elektrische Antriebe aufgebracht – jedoch allen voran für PKW und Nutzfahrzeuge. Zwar wurden auch schon Förderungen für Lastenräder etabliert, doch diese gehen oftmals am eigentlichen Konzept der Anbieter vorbei. Denn grundlegend beruht der Einsatz einer Vielzahl an Fahrzeugen auf der Straße auf Mietmodellen – doch diese Geschäftsmodelle erhalten keine Zuschüsse.

Neben einer Überarbeitung entsprechender Fördermodelle ist es dringend geraten, einheitliche Normen und Strukturen zu entwickeln. Um den verschiedenen Bedürfnissen der Branche gerecht zu werden, Abhängigkeiten zu reduzieren und ein geeintes wirtschaftliches Europa zu stärken, müssen diese Normen und Strukturen auch europäisch angegangen werden. Nur so lässt sich ein übergreifender und offener Markt zuverlässig gestalten.

Die Verkehrswende effizient und sozial gerecht zu gestalten, bedeutet, technologieoffen vorzugehen. Einzelne Technologien zu fördern, die in Ballungsgebieten mehr Probleme verursachen als sie lösen, konterkariert diese Ziele. Eine Umstellung auf eCargobikes macht den Transport innerhalb urbaner Räumer somit schneller, ökologischer und ökonomischer. Industrie und Politik haben das zu Teilen bereits erkannt. Um die restlichen Bedingungen gilt es, sich zeitnah einer Umsetzung anzunehmen und gemeinsam an einer Weiterentwicklung der Mobilitätswende zu arbeiten.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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