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Seefrachtraten drehen völlig durch, dabei hat die Hochsaison nicht einmal richtig begonnen

In den letzten zwei Wochen sind die Seefrachtraten förmlich durchgedreht. Der Anstieg kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die seit Dezember andauernde Krise im Roten Meer führte in den ersten Wochen zu deutlichen Erhöhungen der Frachtraten, die sich dann jedoch beruhigten. Woher kommt also der aktuelle Preiswahn?

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In der Woche bis zum 24. Mai stieg der Drewry-Index auf der Route von Shanghai nach Rotterdam um 20 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Innerhalb von sieben Tagen stieg der Preis für einen 40-Fuß-Container von 4.172 US-Dollar auf 4.999 US-Dollar. Etwas geringere Anstiege wurden auf der Route von Shanghai nach Genua verzeichnet. Dort stiegen in der Woche vom 24. Mai die Preise für einen 40-Fuß-Container um 15 Prozent auf 5.494 US-Dollar.

Allerdings spiegelt der Index nicht das reale Ausmaß der Preise wieder. Wie das Nachrichtenportal The Loadstar unter Berufung auf eine anonyme Quelle berichtet, belief sich der Preis laut Drewry-Index etwa 5.000 US-Dollar pro Container, die tatsächlichen Transaktionspreise lagen aber zwischen 6.000 bis 7.500 US-Dollar. Dem Insider zufolge sind die Reeder auch der Meinung, dass die Raten das Niveau von 10.000 US-Dollar erreichen werden.

Die Preise wurden in den letzten Wochen vor allem von einer gestiegenen Nachfrage, einem unzureichenden Angebot an Schiffen und einem Mangel an Containern in den großen Exporthäfen Asiens befeuert.

Houthis, Wetter, Klimapolitik

Grund dafür ist die seit über einem halben Jahr andauernde Krise im Roten Meer, die dazu führt, dass Schiffe nach Europa um Afrika herum statt durch den Suezkanal fahren müssen. Dadurch verlängert sich ihre Reise um 7–10 Tage. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Kosten für die Reeder steigen, die diese wiederum an die Kunden weitergeben.All dies führt zu Staus in den wichtigsten Häfen wie Shanghai, Ningbo, Xiamen und Qingdao. Das Problem betrifft auch Häfen außerhalb Chinas, darunter in Singapur.

Auch die Treibhausgas -Abgabe trägt zu Preissteigerungen bei. Es sei daran erinnert, dass die Seeschifffahrt in der EU ab dem 1. Januar dieses Jahres in den Emissionshandel einbezogen ist, wodurch sich die Kosten für die Schifffahrt zu Häfen in der EU erhöhen. Darüber hinaus ist die Förderung alternativer Antriebe und grüner Kraftstoffe auch mit höheren Kosten verbunden.
Ende April und Anfang Mai herrschte in Asien zudem ungünstiges Wetter, das die Navigation erschwerte und viele Schiffe in Häfen oder auf Reeden zum Warten zwang. Betroffen waren vor allem Häfen in Singapur, Malaysia und Südchina. Zudem haben die Schiffe wetterbedingt viele Häfen gemieden, was dazu führte, dass die Container nicht in ausreichender Menge zu den wichtigsten Exporthäfen Asiens zurückkehrten.

Die Überlastung der Häfen, der Mangel an Containern und der Mangel an Schiffen führte dazu, dass bereits eine minimal gestiegene Nachfrage die Frachtraten in die Höhe schießen ließ. Laut Xeneta stieg die Nachfrage nach Seetransporten im ersten Quartal 2024 um über 9 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2023.

Ähnliche Muster sind auch auf anderen transozeanischen Routen zu erkennen. Als die Frachtraten Ende Mai Woche für Woche um 15 bis 20 Prozent auf den Routen in die europäischen Häfen stiegen, ist der Index von China zur Westküste der Vereinigten Staaten um 18 Prozent und nach New York um 13 Prozent gestiegen.

Die altbekannte Ruhe vor dem Sturm

Nach dem Preiswahnsinn im Mai haben sich die Preise vorübergehend für eine gewisse Zeit beruhigt, denn in der letzten Maiwoche stieg der globale WCI-Index – diesmal „lediglich“ um 4 Prozent. Auf der Route nach Rotterdam legten die Frachtraten um 5 Prozent zu im Vergleich zur Woche zuvor mit 5.270 US-Dollar pro Container. Im Gegenzug stiegen die Frachtraten für die Mittelmeerrouten um 4 Prozent im Vergleich zur Vorwoche.

In der ersten Juniwoche spielten die Preise erneut verrückt und legten im zweistelligen Bereich zu. In der letzten Lesung des WCI-Index von Drewry vom 6. Juni beliefen sich die Raten für die Route Shanghai-Rotterdam auf 6.032 US-Dollar und legten damit um 14 Prozent im Vergleich zur Vorwoche zu. Auf der Route von China nach Genua betrug der Anstieg sogar 17 Prozent bei 6.664 US-Dollar pro Container.

Auf den Routen von Asien nach Nordamerika fiel der Anstieg der Raten auf den Routen mit 6 Prozent nach New York und mit 11 Prozent nach Los Angeles moderater aus. Insgesamt stieg der globale WCI-Index um 14 Prozent auf 4.716 US-Dollar.

Dennoch erinnert der Anstieg der letzten zwei Monate an die Explosion der Container-Frachtraten während der Pandemie. Betrachtet man die Route von Asien nach Nordeuropa (derzeit über 6.000 US-Dollar), lag der Drewry-Index für diese zum 1. April bei 3.349 US-Dollar.

Im Jahresvergleich sind die aktuellen Frachtraten auf den Routen nach Rotterdam um 315 Prozent und auf der Route nach Genua um 214 Prozent gestiegen.

Weitere Gründe

Die Hochsaison beginnt gerade erst, so dass die Nachfrage nach Transportkapazitäten auf einem hohen Niveau bleiben wird. Allerdings sind die Kapazitäten so gut wie ausgeschöpft, Judah Levine, Forschungsleiter der Transportplattform Freightos, sagte Freight Waves gegenüber Freight Waves, dass viele Reeder im April und Mai auf Schiffe, die für andere Routen vorgesehen waren, zurückgegriffen haben, um den Transportplan von Asien nach Europa aufrechtzuerhalten. Levine fügt hinzu, dass es derzeit keine freien Kapazitäten gibt, für Lieferungen und Verladungen, die für längere Routen im Zeitplan vorgesehen waren.

Darüber hinaus weisen Experten darauf hin, dass der weltweit gestiegene Bedarf an Transportkapazitäten auch auf die Lagerwirtschaft amerikanischer Importeure zurückzuführen ist. Dazu haben mehrere Faktoren beigetragen. Erstens wurde in den Jahren 2022 und 2023 die während der COVID-19-Pandemie überfüllten Lagerhäuser leer geräumt. Zum ersten Mal seit der Pandemie gibt es in den Lagern in den USA derzeit große Kapazitätsreserven. Gleichzeitig besteht die Sorge, dass es in den kommenden Monaten und Quartalen zu Störungen beim Warentransport aus Asien kommen könnte, daher wollen sich Importeure schon jetzt absichern.

Zu den potenziellen Ereignissen, die sich mittelfristig auf die Verfügbarkeit von Seetransportkapazitäten auswirken können, gehören auch die neuen Zölle auf Waren aus China, die von den USA eingeführt werden könnten, sowie laufende Verhandlungen mit Gewerkschaften in Häfen an der Ostküste der Vereinigten Staaten.

Frustration der Kunden

Darüber hinaus beschweren sich viele Importeure darüber, dass Reeder es vermeiden, Vertragsfracht zu niedrigeren Preisen zu übernehmen, und sich auf Waren konzentrieren, die zu den derzeit hohen Spotpreisen abgenommen werden.

Reeder respektieren nichts außer ihren eigenen Gewinnen, wird ein Manager eines aus Asien importierenden Unternehmens von The Loadstar zitiert.

Er fügte hinzu, dass dies zu einer Einstellung der Produktion und der Bestellungen führen könnte, was zu Verlusten sowohl für Importeure als auch für die Reedereien führen würde.
Das Missverhältnis zwischen langfristigen Vertragsraten und explodierenden Spotpreisen führt auch dazu, dass Reeder entscheiden, bestimmten Beziehungen Vorrang vor anderen zu geben. Am stärksten betroffen sind in der Regel kleine Verlader und Spediteure, die verschiedene Zuschläge in Kauf nehmen müssen, um auf dem Schiff Platz für ihre Ladung zu finden. Die größten Verlader müssen sich keine Sorgen über Platzmangel machen – die Reeder werden vielmehr versuchen, gute Beziehungen zu ihren besten Kunden aufrechtzuerhalten.

Was erwartet uns?

Das Beratungsunternehmen Xeneta schrieb Ende Mai, dass der Juni weitere Steigerungen auf den Hauptrouten aus Asien (nach Europa und Nordamerika) bringen soll.

Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass die Raten auf das Niveau steigen werden, das während der COVID-19-Pandemie zu beobachten war (sogar auf 12.000 bis 13.000 US-Dollar – Anmerkung der Redaktion), sind Raten, die wir während der Krise am Roten Meer Anfang 2024 erlebt haben (ca. 6.000 US-Dollar pro Container – Anm. d. Red.) nicht unmöglich, betonen Analysten von Xeneta.

Bereits in der ersten Juniwoche wurden sie zur Tatsache.

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