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Wirtschaft: Die guten alten Zeiten sind vorbei

Nach einer kurzen Stabilisierung geht es wieder bergab für die Industrie in der Eurozone. Besonders Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand.

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Im Juni überraschte die Industrie der Eurozone mit einer schwachen Leistung. Laut einer aktuellen Umfrage von S&P Global verschärften sich die Rückgänge bei Auftragseingängen, Einkaufsvolumen und Beschäftigung. Der HCOB-Einkaufsmanagerindex für die Industrie der Eurozone sank von 47,3 Punkten im Mai auf 45,8 Punkte und verzeichnete damit den vierten Rückgang in fünf Monaten.

In den meisten Ländern setzte sich die Industrieschwäche fort. Griechenland blieb zwar Spitzenreiter, jedoch fiel der Index auf ein Sechsmonatstief. Das Wachstum in Spanien und den Niederlanden verlangsamte sich. In den übrigen Ländern verschlechterte sich die Lage weiter, mit Ausnahme Italiens. Deutschland bildet weiterhin das Schlusslicht.

Die Produktion wurde im Juni stark zurückgefahren, was auf eine sinkende Nachfrage zurückzuführen war.

Auch das Exportneugeschäft ging den 28. Monat in Folge zurück. Die Einkaufsmenge wurde noch stärker reduziert als im Mai, die Vormateriallager wurden weiter abgebaut und die Auftragsbestände zur Produktionsunterstützung genutzt.

Der Stellenabbau setzte sich fort und fiel stärker aus als in den Vormonaten.

Die Lieferzeiten verkürzten sich weiter, jedoch in geringerem Ausmaß als seit Februar. Erstmals seit 16 Monaten stiegen die Einkaufspreise wieder, während die Verkaufspreise leicht nachgaben.

Trotz der verschlechterten Lage blieben die Geschäftsaussichten bemerkenswerterweise genauso optimistisch wie im Mai, und der Ausblicks-Index lag erneut über dem langjährigen Durchschnitt.

Handelt es sich um eine weitere Bullenfalle für das verarbeitende Gewerbe? So ähnlich wie beim Fehlstart Anfang 2023, als die Produktion kurzzeitig anstieg, um dann über einen längeren Zeitraum wieder zu fallen. In der Tat haben sich die PMIIndizes für alle Länder der Eurozone, mit Ausnahme Italiens, im Juni verschlechtert. Wir sind jedoch geneigt, dies eher als vorübergehende Erscheinung und nicht als Anzeichen eines längeren Abschwungs zu betrachten. In anderen Teilen der Welt, wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Indien, hat sich die Erholung laut jeweiligen Flash-PMIs fortgesetzt. Dieser weltweite Aufschwung bietet den Herstellern in der Eurozone ein günstiges Umfeld. Darüber hinaus ist der Optimismus hinsichtlich der künftigen Geschäftsentwicklung nach wie vor so ausgeprägt wie im Mai, was darauf hindeutet, dass die Unternehmen weiterhin zuversichtlich in die kommenden Quartale blicken, kommentiert Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank die jüngsten Ergebnisse.

Gute alte Zeiten sind vorbei

Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland sank im Juni auf 43,5 Punkte, nach einem Vier-Monatshoch von 45,4 im Mai. Der Rückgang spiegelte sich in drei der fünf Unterindizes wider, außer bei Lieferzeiten und Beschäftigung. Die schwache Leistung enttäuschte umso mehr, da das positive Ergebnis vom Vormonat Hoffnung auf ein Überholmanöver geweckt hatte.

Nach den geringsten Produktionseinbußen seit über einem Jahr im Mai, nahm der Rückgang im Juni wieder zu. Alle drei Industrie-Teilbereiche – Konsumgüter, Vorleistungsgüter und Investitionsgüter – verzeichneten stärkere Rückgänge bei den Auftragseingängen. Dies lag an der schwachen Binnenkonjunktur und der schleppenden Nachfrage aus dem europäischen Ausland und China.

Die schwachen Exportaufträge für deutsche Hersteller in einer Welt, in der sich das verarbeitende Gewerbe weltweit erholt, wenn auch nur mäßig, sind beunruhigend. Eine Erklärung dafür könnte die zunehmende Konkurrenz aus China sein, das seine Industrieprodukte in die ganze Welt exportiert, während die Inlandsnachfrage schwächelt. Für die deutschen Exporteure bedeutet dies einen Doppelschlag: Weniger Exporte nach China, was durch den Rückgang von 14 Prozent im Mai bestätigt wurde, und mehr Wettbewerb insbesondere in den Schwellenländern mit Produkten aus China. Wir leben in einer strukturell anderen Welt als in den 2010er Jahren. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen, statt auf die guten alten Zeiten zu hoffen, betont de la Rubia.

Die Beschäftigung sank im zwölften Monat in Folge. Zwar war dieser Stellenabbau der geringfügigste seit Januar, jedoch immer noch erheblich.

Die Einkaufsmenge sank erneut stark, stärker als die Produktion, da Hersteller weiterhin ihre Vormateriallager abbauten.

Ein positiver Lichtblick waren die Geschäftsaussichten, die sich zum vierten Mal in Folge verbesserten. Der aktuelle Wert lag über dem Durchschnitt vor der Pandemie und war der höchste seit Februar 2022.

Ein Wintermärchen für Deutschland?

Trotz düsterer Aussichten im verarbeitenden Gewerbe und anhaltendem Rückgang der Auftragseingänge zeigt sich ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft: Einige Prognosen deuten auf eine wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr 2024 hin. So hat das ifo Instituts die Prognosen für Deutschland für das laufenden Jahr auf 0,4 Prozent nach oben korrigiert. Für das kommende Jahr rechnet das Institut sogar mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent.

Es entsteht gerade neue Hoffnung. Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise. Das zweite Halbjahr 2024 dürfte deutlich besser ausfallen als das erste, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Die Inflationsrate wird 2024 voraussichtlich bei 2,2 Prozent liegen und im folgenden Jahr auf 1,7 Prozent sinken.

Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte die Kaufkraft der privaten Haushalte weiter an Stärke gewinnen und die gesamtwirtschaftliche Erholung im Zuge der Normalisierung der Konsumkonjunktur an Tempo gewinnen, erklärt Wollmershäuser.

Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich von 5,7 Prozent zunächst auf 5,9 Prozent steigen und anschließend auf 5,6 Prozent sinken.

Das Staatsdefizit soll von 99 Milliarden Euro auf 73 Milliarden Euro sinken und dann weiter auf 54 Milliarden Euro reduziert werden.

Der Überschuss der Leistungsbilanz dürfte von 258 Milliarden Euro auf 312 Milliarden Euro wachsen und dann leicht auf 306 Milliarden Euro zurückgehen.

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