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Sturm der Empörung nach EU-Abstimmung über die Entsenderichtlinie

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Lange hat eine Abstimmung kein solches Echo bekommen. Die gestrige EU-Abstimmung über die Entsenderichtlinie, die spontan um fast einen Monat vorverschoben wurde, verlief laut Kritikern extrem chaotisch. Sie zeigt auch, wie sehr französische und belgische Politiker darauf hin sind, die Tätigkeit von Arbeitnehmern und Dienstleistungsunternehmen aus ärmeren Ländern zu hindern, da się diese als Bedrohung für ihre lokalen Märkte sehen – sagte Stefan Schwarz, Vorsitzender der Initiative für Arbeitsmobilität.

Für die Richtlinie stimmten fast 70%. Die Befürworter argumentierten, dass es ein Instrument zur Bekämpfung von „Sozialdumping in Europa” sei. Gegner der Richtlinie wollen sich jedoch mit den Abstimmungsergebnissen nicht abfinden. Bereits gestern hat die Initiative für Arbeitsmobilität eine Petition veröffentlicht, in der man sich gegen den „Protektionismus”, der sich in der gestrigen Abstimmung widergespiegelt hat, aussprechen kann.

Zerstückelung des Binnenmarktes

Die Richtlinie ist ein exzellentes Beispiel für eine mentale Kluft, die wieder zwischen ärmeren und reicheren Ländern entsteht. Sie ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Wahrnehmung des Binnenmarktes ist. Wir kaufen gerne deutsche Autos und machen Einkäufe in französischen Supermärkten. Unterdessen versucht man aber in Frankreich, Belgien und Österreich die Tätigkeit polnischer oder slowenischer Unternehmen als ein Argument für eine Gesetzesänderung zu nutzen, die ein solche Aktivität verhindern sollten – so Stefan Schwarz laut der Polnischen Presseagentur.

Kritik kann man auch seitens deutscher Arbeitgeber hören. Laut der „Welt” arbeiten in Deutschland etwa 440.000 Arbeitskräfte, von denen viele aus Mittelosteuropa stammen und niedriger entlohnt werden. Gemäß der neuen Richtlinie  müssten diese in Zukunft wie einheimische Arbeiter bezahlt werden. Laut „der Welt” warnte deshalb noch vor der Abstimmung Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), vor den verherrenden Folgen, die die Richtlinie für den Binnenmarkt haben könnte:

Die Umsetzung der Richtlinie in der zur Abstimmung stehenden Form wird den Binnenmarkt schwer beschädigen. Es würden „Abschottungen innerhalb der EU für die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen” etabliert. Den deutschen Unternehmen, die vorwiegend qualifizierte Arbeitnehmer ins Ausland entsenden, drohten Rechtsunsicherheiten und Bürokratie, so Kampeter  in dem Brief.

Chaos während der Abstimmung

Leider hat sich bei der gestrigen Abstimmung herausgestellt, dass durch Chaos nicht nur die Revision der Richtlinie gekennzeichnet war, sondern auch die Arbeiten daran. Kurz nach der Abstimmung hat eine Gruppe von Abgeordneten Widerspruch gegen das Abstimmungsverfahren eingelegt.

Für die Richtlinie haben mehr Abgeordnete gestimmt als ursprünglich erwartet. Es scheint, dass dies durch einen Fehler der polnischen Delegation der Europäischen Volkspartei, die für die Richtlinie gestimmt hat, anstatt sich zu enthalten, passiert ist – twitterte der Journalist Pascal Hansens Agence Europe.

Was geht es mit dem Mobilitätspaket weiter?

Gemäß den Bestimmungen der Entsenderichtlinie „werden die neuen Elemente erst dann für der Transportsektor rechtsgültig sein ,wenn die im Mobilitätspaket enthaltenen sektorbezogenen Bestimmungen  in Kraft treten”, heißt es auf der Webseite des Europäischen Parlaments.

Die Industriebranche wartet auf die finale Form des Dokuments. Inoffiziell heißt es aber jetzt schon, dass das Mobilitätspaket mit großer Wahrscheinlichkeit blockiert und am Ende nicht fertiggestellt wird. Für einige Vertreter aus den westlichen Länder ist es nämlich von großer Relevanz, dass es keine Ausnamefälle in Bezug auf die Richlinie gibt.

– Wir möchten, dass auch Transportbeschäftigte von der Richtlinie betroffen sind. Es kann nicht sein, dass ein LKW-Mitarbeiter für einen Hungerlohn quer durch Europa reist – so die österreichische Abgeordnete Evelyn Regner. Die französische Politikerin Karima Delli stimmte ihr zu, dass dadurch dass der Straßentransport heute von der Richtlinie ausgenommen sei und in den neuen Rechtsvorschriften nicht erwähnt ist,  im Transport Beschäftigte weniger Rechte hätten als andere Arbeitnehmer.

Foto: Flickr.com

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