Foto: INN-ovativ GmbH & Co. KG - Spedifort & Spedijobs

Arbeitsmarkt: Einwanderung ist unverzichtbar

Demografische Prozesse werden auch im Jahr 2024 den Arbeitsmarkt stark prägen. Infolgedessen werden immer mehr Unternehmen Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren. “Arbeitgeber richten ihren Blick zunehmend auf die asiatischen Länder, vor allem auf Indien und Malaysia, wo das Potenzial für die Rekrutierung von Mitarbeitern groß und noch nicht ausgeschöpft ist”, meint Dagmara Żuromska, Senior Managerin für strategische Geschäftsentwicklung bei der Arbeitsagentur Randstad in Polen. Aber auch in westeuropäischen Ländern mit hohen Arbeitslosenquoten bieten sich große Chancen für Arbeitgeber.

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Für die Transport- und Logistikbranche ist aber unabhängig davon ganz klar eine Tendenz erkennbar, welche auch durch eine Statistik der IRU (International Road Transport Union) bestätigt wird: Fakt ist, dass mehr Berufskraftfahrer in Rente gehen als sich junge Menschen für diesen Beruf entscheiden, während das Logistikaufkommen gleichzeitig kontinuierlich steigt, sagt Andreas Rinnhofer, Gründer von SPEDIFORT & spedijobs.

Seiner Ansicht nach seien die Auswirkungen bereits deutlich spürbar: Der Arbeitsmarkt sei inzwischen zu einem Verdrängungsmarkt geworden, auf dem Unternehmen richtiggehend um Mitarbeiter werben müssen und ihre Kommunikation und Außendarstellung mittlerweile eine große Rolle spiele. 

Vor allem Fahrer haben aktuell die Wahl aus zahlreichen Jobangeboten. Um möglichen Bewerbern den Weg ins Unternehmen so einfach und attraktiv wie möglich zu machen, sind 3-Sekunden-Bewerbungen oder Bewerbungen per WhatsApp schon in vielen Bereichen Standard, betont Rinnhofer.

Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter wird deshalb immer komplexer und ausgefeilter. 

Um neue Mitarbeiter zu finden, braucht es meiner Meinung nach einen ausgewogenen Marketing-Mix. Einerseits ist es wichtig, sich lokal als „Hero“ zu etablieren. Andererseits geht es um Online-Präsenz. Besonders lohnenswert ist, sich mit dem Stichwort „Retargeting“ zu beschäftigen. Damit wird es möglich, auch Passivsuchende auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Außerdem sollte die Benutzerfreundlichkeit im Bewerbungsprozess so gestaltet sein, dass Hindernisse und Hemmschwellen für Interessierte, sich zu bewerben, gegen Null gehen. Und dann kommt es noch auf die Reichweite an: Je mehr Personen von den Stellenangeboten des Unternehmens erfahren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter potenzielle Bewerber befinden, zählt der Experte auf.

Andreas Rinnhofer geht auch davon aus, dass die Personalvermittlung aus Osteuropa zu einer immer größeren Herausforderung werden kann.

Die Lohnentwicklung in Osteuropa passt sich mehr und mehr unserem Standard an. Was sollte z. B. polnische Fahrer dann noch nach Deutschland locken? Deshalb orientieren sich Unternehmen bei der Fahrersuche immer noch weiter ostwärts: Inzwischen gibt es schon erste Ansätze mit Firmen aus Indien usw. Man muss jedoch bedenken: Auf dem Globus kann das nur eine mittelfristige Lösung des Problems sein. Denn die Ost-Orientierung hat ihre Grenzen, wenn man beim Recruiting nicht schlussendlich doch wieder in Europa landen möchte, sagt er.

Anstatt einer Anwerbungsstrategie mit geographischer Orientierung empfiehlt Rinnhofer deshalb auch andere Kriterien in Betracht zu ziehen, z. B. die Arbeitslosigkeit.

Im Vergleich zu Polen, dessen Arbeitslosenquote mit 2,8 % im Oktober 2023 sogar geringer als in Deutschland war, bietet Spanien auf Europas Spitzenplatz in Sachen Erwerbslosigkeit (12 % im Oktober 2023) viel mehr Potenzial. Für deutsche Unternehmen spielt es zudem finanziell keine Rolle, aus welchem Land Arbeitnehmer angestellt werden, denn die Belastungen unterscheiden sich aufgrund von Mindestlohn- und Sozialabgaben-Pflichten nicht, erklärt er.

Foto:  Andreas Rinnhofer, Geschäftsführer der INN-ovativ GmbH & Co. KG – Spedifort & Spedijobs Quelle:INN-ovativ GmbH & Co. KG – Spedifort & Spedijobs

Die Nachfrage nach LKW-Fahrern wird steigen

Mindaugas Paulauskas, CEO von Girteka Transport, glaubt, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärfen wird. Der Fahrermangel wird 2024 auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr bleiben. Gleichzeitig wird die Konjunktur im Transportgewerbe zu einer erhöhten Nachfrage nach LKW-Fahrern führen. 

Für die Fahrer bedeutet dies sicherlich mehr Chancen auf dem Markt, wo das  Thema Arbeitgeberstabilität eine wichtige Rolle spielen wird, sowie Entwicklungsmöglichkeiten durch Initiativen wie die Fahrerakademie, betont er.

Die Arbeitgeber wiederum werden aufgrund der Arbeitsmarktsituation gezwungen sein, nach Arbeitskräften aus Staaten außerhalb der Europäischen Union zu suchen.

Der Fahrermangel wird sich verschärfen, und eine Möglichkeit, dieses Problem zu überwinden, wird darin bestehen, erfahrene Fahrer aus Nicht-EU-Ländern anzuwerben, die an der Möglichkeit, in Europa zu arbeiten, interessiert sind, meint er.

Foto: Mindaugas Paulauskas, CEO von Girteka Transport. Quelle: Girteka

Weniger menschliche Fehler dank KI

Laut Evelina Latyšovič, Director of Business Operations bei Manpower Litauen, wird das Jahr 2024 einen Wandel bringen. Nicht nur der Arbeitsmarkt wird sich unter dem Einfluss der Technologie weiterentwickeln, sondern auch die Art der Arbeitskräfte wird sich verändern.

Künstliche Intelligenz (KI) und virtuelle Realität (VR) werden eingesetzt, um die Arbeit zu rationalisieren, die Produktivität zu steigern und menschliche Fehler zu reduzieren. Menschen werden immer häufiger durch Roboter ersetzt, die auf die Ausführung bestimmter Aufgaben programmiert sind. Dies wird die Mitarbeiter nicht nur bei schwereren Arbeiten entlasten, sondern sie auch vor extrem gefährlichen Arbeiten schützen, was heute im Industrie- und Logistiksektor besonders wichtig sei, so Latyšovič.

Einige Arbeitnehmer werden sich auch umschulen lassen müssen.

Die moderne Welt verändert sich so schnell, dass die Fähigkeit und Bereitschaft zum Lernen zu fast unverzichtbaren Eigenschaften von Arbeitnehmern werden. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass auch bei Vorstellungsgesprächen vor allem die Soft Skills eines potenziellen Arbeitnehmers und nicht die Hard Skills bewertet werden, betont Latyšovič.

Foto: Evelina Latyšovič, Director of Business Operations bei Manpower Litauen. Quelle: Manpower

Jede 15. Person, die in Polen arbeitet, kommt aus dem Ausland

Laut dem “Arbeitsmarktmonitor” der Personalagentur Randstad bleibt die polnische Transport- und Logistikbranche trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Stellenangeboten attraktiv. Nur einer von zehn Befragten hat Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, 9 von 10 glauben, dass sie schnell eine neue Beschäftigung finden werden, und nur einer von drei ist nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv.

Nach Berechnungen der Agentur liegt die Zahl der Stellenangebote im Transport- und Logistiksektor derzeit in ganz Polen bei über 2.500, wobei die größte Nachfrage nach Gabelstaplerfahrern, Packern, Qualitätskontrolleuren sowie IT- und Managementspezialisten und natürlich LKW-Fahrern besteht.

Die Arbeitgeber sensibilisieren oft schon die Studierenden für die Branche.

Gemeinsame Forschung, Projekte, Praktika für Hochschulabsolventen, die Organisation von Schulungen und Kursen eröffnen jungen Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, große Chancen, argumentiert Dagmara Żuromska, Senior Managerin für strategische Geschäftsentwicklung bei Randstad Polen.

Die Agentur betont, dass die Hauptmotivation für Bewerber aus dem Transport- und Logistiksektor nach wie vor das attraktive Angebot in Form eines wettbewerbsfähigen Grundgehalts ist. Leistungen in Form von Stundenlöhnen und Prämien sowie berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung.

Die Arbeitnehmer erwarten auch einen klar definierten Entwicklungspfad (z. B. Kompetenzentwicklung und Weiterbildung wie Erwerb von Staplerschein oder Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Unternehmens). Wenn dies nicht der Fall ist, sind dies die am häufigsten genannten Gründe für einen Arbeitgeberwechsel, betont Żuromska.

Überdies wird der polnische Arbeitsmarkt immer globaler. Laut Randstad ist jede 15. Person, die in Polen arbeitet, kommt aus dem Ausland. Vertreten sind vor allem Ukrainer und Belarussen. Polnische Arbeitgeber sind auch immer häufiger bereit, nach Mitarbeitern auch aus anderen Ländern zu suchen.

Arbeitgeber richten ihren Blick zunehmend auf die asiatischen Länder, vor allem auf Indien und Malaysia, wo das Potenzial für die Rekrutierung von Mitarbeitern groß und noch nicht ausgeschöpft ist. Gleichzeitig stellt dies aber auch neue Herausforderungen für die Arbeitgeber, die ein internationales Arbeitsumfeld im Unternehmen schaffen müssen, das die Zusammenarbeit von Teams aus verschiedenen Ländern ermöglicht, fügt Żuromska hinzu.

Foto: Dagmara Żuromska, Senior Managerin für strategische Geschäftsentwicklung bei Randstad Polen. Quelle: Randstad

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