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Quelle: AdobeStock / Björn Wylezich

Verbrenner-Aus: Zulassungszahlen müssen sich dazu fast verzwanzigfachen

Die EU-Entscheidung zum Verbrenner-Aus für neue Nutzfahrzeuge ab 2035 und den noch zu erarbeitenden Vorschlag für Fahrzeuge mit E-Fuels Antriebstechnologien steht und polarisiert die KEP Branche.

Lesezeit 7 Min.

Unternehmen mit bestehenden traditionellen Fahrzeugflotten sehen einerseits viele Hürden, kritisieren die Entscheidung mehr oder weniger offen, lehnen sie ganz ab und verweisen auf unlösbare Herausforderungen. Andererseits akzeptieren traditionelle aber auch neue Marktteilnehmer die Entwicklung oder begrüßen die EU-Entscheidung sogar. Sie haben ihre Flotten schon heute teilweise umgestellt oder als Startup von Beginn an nur Fahrzeuge mit Elektroantrieb beschafft. Obwohl aus verschiedenen Perspektiven ist für alle Beteiligten gleichermaßen klar, dass die Antriebs- und Energiewende für die Branche eine Herkulesaufgabe mit vielen noch offenen Fragen und offenem Ausgang ist.

Wieviel Fahrzeuge sind bis wann betroffen?

Für das Jahr 2019 hat eine Prognos Studie ca. 130.000 eingesetzte KEP Fahrzeuge bis 3,5 t zGG. ermittelt. Allerdings schwankt diese Anzahl im sendungsstarken Weihnachtsgeschäft erheblich nach oben. Der Einfachheit halber gehe ich jedoch von 130.000 KEP Fahrzeugen aus. Geht man von einer durchschnittlichen Haltedauer von 4 Jahren aus, werden pro Jahr 32.500 Fahrzeuge neu beschafft. Im Jahr 2021 waren 4,8% der zugelassenen leichten Nutzfahrzeuge elektrisch betrieben, 1,1% E-Fuel Fahrzeuge. Die Zahlen beziehen sich auf alle Branchen nicht nur auf die KEP Branche. Das bedeutet, bis 2035 müssen sich die Zulassungszahlen für nicht mit fossilen Brennstoffen angetriebene Fahrzeuge noch fast verzwanzigfachen. Die Branchenteilnehmer haben in diesem Zeitraum noch durchschnittlich 3 Beschaffungszyklen pro Fahrzeug.

Grundsätzlich darf nach aktuellen Planungen ab 2035 keines der verkauften Nutzfahrzeuge bis 3,5 t zGG. mehr mit einem Verbrennungsmotor bzw. mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden. Das bedeutet, bis dahin müssen die Produktionskapazitäten für neue Antriebstechnologien schrittweise ausgebaut sein. Es bedeutet umgekehrt, die Kapazitäten zur Herstellung von entsprechenden Diesel- bzw. Benzinfahrzeugen für den europäischen Markt werden bis 2035 schrittweise auf 0 zurückgebaut. Der Anteil verfügbarer Diesel- bzw. Benzinfahrzeuge wird demnach bis 2035 pro Beschaffungszyklus sinken. Die Kosten für diese Fahrzeuge werden deshalb steigen. Für die Elektrofahrzeuge gilt entsprechendes umgekehrt. Ähnliche Entwicklungen sind auch für die unterstützenden Teilbranchen beispielsweise Tankstellen und Werkstätten sowie Ersatzteilversorgung zu erwarten. Tendenziell wird zusätzlich der Restwert bzw. der Wiederverkaufswert sinken.

Szenarien zur Umstellung der Flotten

Während der Druck und die Möglichkeiten zur Beschaffung von Elektrofahrzeugen vor dem Hintergrund Verfügbarkeiten und Kostensteigerungen bei Dieselfahrzeuge bis 2027 eher gering sein werden, wird dieser entweder in der darauffolgenden Beschaffungsperiode stark ansteigen, um dann in der letzten dritten Beschaffungsperiode wieder langsamer auf letztendlich 100% Beschaffung von Elektrofahrzeugen zu steigen (Szenario 1). Oder aber er hebt den Anteil an Elektrofahrzeugen in der zweiten Beschaffungsperiode eher langsam an, um dann in der letzten Beschaffungsperiode sehr stark auf 100% zu wachsen (Szenario 2). Für ersteres Szenario spricht, dass der gesellschaftliche Druck zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen bereits in der zweiten Beschaffungsperiode sehr hoch sein wird. Für letzteres Szenario spricht, dass die Industrie die Elektrofahrzeuge nicht schnell genug liefern kann. Jedoch ist auch denkbar, dass die aktuell fehlenden Kapazitäten zur Produktion leichter Nutzfahrzeuge mit traditioneller Antriebstechnologie gar nicht mehr komplett hochgefahren, sondern gleich in die Produktion von Elektrofahrzeugen überführt werden. Die aktuellen Zulassungen liegen im April und Mai 2022 40% unter denen von 2019. Das spricht wiederum für das erste Szenario.

Ein Bild, das Tisch enthält. Automatisch generierte Beschreibung

Quelle: KBA Statistiken FZ8, eigene Darstellung

Ich persönlich gehen davon aus, dass der starke Schwenk zur Beschaffung von Elektrofahrzeugen bereits in der zweiten Beschaffungsperiode einsetzen wird. (Szenario 1)

Einfach die Fahrzeuge nach und nach tauschen und das war’s?

Leider ist die Antriebswende nicht mit dem reinen Fahrzeugtausch geschafft. Sie beeinflusst viele Teilbereiche in den Unternehmen. Das Finanzierungsvolumen pro Fahrzeug steigt, Förderkulissen müssen aufbereitet und genutzt werden, Arbeitsabläufe müssen so gestaltet werden, dass Zeiten zum Laden der Batterie eingeplant sind. Es können ggfs. nicht mehr wie bisher alle Fahrzeuge auf Kurz- und Langstrecken eingesetzt werden, Ladeinfrastruktur muss geplant und aufgebaut werden, neue Lieferanten und Partner werden hinzu kommen. Auch der Einsatz von Lastenrädern oder Kleinfahrzeugen auf der ersten und letzten Meile ist neu zu bewerten. Schließlich geht die Antriebswende mit einem Wandel der Unternehmenskultur weg vom Diesel hin zu neuen Antriebsenergien einher. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für die Akquise von Mitarbeiter*innen. Es ist jedoch auch zu erwarten, dass sich Mitarbeiterinnen der Antriebswende durch Kündigung entziehen.

Wie soll das für nationale und internationale Direktfahrten gehen?

Ist die Technologie für Elektrofahrzeuge heute schon so weit, dass regionale Touren von 100 km und mehr möglich sind, sind lange Strecken mit diesem Antrieb ohne Fahrtunterbrechung für den Ladevorgang heute noch Zukunftsmusik. Als Lösung zeichnen sich verschieden Szenarien sowie deren Kombination ab. Die Reichweiten der Fahrzeuge bzw. deren Wirtschaftlichkeit können beispielsweise über steigende Batteriespeicherkapazitäten, Weiterentwicklung von Wasserstoffantrieben, Aufbau von Wechselbatteriesystemen und Verkürzung der Ladevorgänge verbessert werden. Es ist jedoch auch denkbar, dass bisherige Direktfahrten durch eine Kombination aus Abholfahrten, Konsolidierung der Sendungen im Hauptlauf auf schwereren Nutzfahrzeugen sowie regionale Auslieferfahrten mit leichten Nutzfahrzeugen erbracht werden. Eventuell hilft hier auch das Modell der Begegnungsverkehre weiter. Hierbei fährt ein Fahrzeug nur in einer geografischen Zelle, die durch seine Reichweite vorgegeben ist. An den Zellgrenzen werden die zu transportierenden Güter an ein anderes Fahrzeug übergeben. Es ist nicht auszuschließen, dass dadurch auch Kostenvorteile realisiert werden können. Jedoch werden diese Transporte langsamer als bisherige Direktfahrten sein. Sofern sich die Bahninfrastruktur bis dahin signifikant verbessern sollte, könnten Hauptläufe ggfs. auch auf die Schiene verlagert werden. Besonders letzteres Szenario erscheint im Hinblick auf die Kapazitätsprobleme im Bahnnetz und dem damit verbundenen Sanierungsaufwand eher unrealistisch.

Umbau der Flotten mittelstandsfreundlich gestalten

Der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft muss kosteneffizient und gerecht, sozial ausgewogen und mittelstandsbezogen erfolgen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen der KEP-Branche sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Jedoch verfügen sie aufgrund der Konzentration von 80% der KEP Umsätze und damit auch der Wertschöpfung auf weniger als 1% der schätzungsweise über 18.000 KEP Unternehmen über vergleichsweise geringe finanzielle Ressourcen.

Es muss verhindert werden, dass durch den investitionsintensiven Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft KMU-Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Logistiknetze zukünftig von einigen wenigen Marktteilnehmern betrieben werden. Als Ergebnis der Umsetzung des Green Deal würden diese Ressourcen in der Hand weniger global agierender Konzerne liegen. Sie und nicht die Unternehmen in den Regionen würden die Wertschöpfung realisieren. Deshalb müssen die mittelständischen KEP Unternehmen in die Lage versetzt werden, die nötigen Investitionen aufbringen und die erforderlichen Maßnahmen selbstbestimmt umsetzen zu können. Sie sollten in ihrer Eigenständigkeit gestärkt aus dem Umbau der Strukturen hervorgehen. Das stellt dann auch sicher, dass die Wertschöpfung und Gestaltungsfreiheit vor Ort bleiben.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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