Die Vereinbarung sieht eine Lohnerhöhung für Fahrer vor, um die sogenannte „tote Zeit“ abzudecken – also die Stunden, die Fahrer während des Be- und Entladens, der Zollabfertigung oder anderer logistischer Abläufe untätig verbringen. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und qualifiziertes Personal in einem von chronischem Personalmangel betroffenen Sektor zu halten.
Die Übereinkunft wurde geschlossen zwischen den Arbeitgeberverbänden Confartigianato Trasporti Lombardia, CNA-Fita, CLAAI und Casartigiani Lombardia sowie den Gewerkschaften FIT-CISL, UILTRASPORTI und FILT-CGIL. Sie sieht unter anderem eine finanzielle Entschädigung für unverschuldete Arbeitsunterbrechungen vor, die für logistische Abläufe notwendig sind.
Zuschläge für Fahrer von bis zu 800 Euro
Je nach Dauer und Art der Wartezeiten erhalten Fahrer monatliche Zulagen zwischen 300 und 800 Euro brutto. Diese Beträge kommen zusätzlich zur allgemeinen Lohnerhöhung von durchschnittlich 260 Euro brutto pro Monat, die im Rahmen der Erneuerung des nationalen Tarifvertrags für den Transport- und Logistiksektor (CCNL Trasporti Logistica) vorgesehen ist und im Dezember 2024 in Kraft treten soll.
Laut Trasporti Italia gibt es in der Lombardei derzeit 6.068 Transportunternehmen mit insgesamt rund 8.000 Beschäftigten. Die meisten davon sind in Mailand ansässig (1.447 Unternehmen), gefolgt von Brescia (1.150), Bergamo (719) sowie Monza und Brianza (529). Trotz der Krise – die Zahl der Unternehmen ist landesweit in den vergangenen zehn Jahren um 21 Prozent gesunken – wird der Fahrermangel aktuell auf rund 20.000 geschätzt.
Der Beruf des LKW-Fahrers ist weiterhin mit zahlreichen Herausforderungen verbunden – darunter lange Abwesenheiten von der Familie, enge Zeitpläne und hohe Kosten für den Erwerb der beruflichen Qualifikation (CQC). Die neue Vereinbarung soll den Beruf attraktiver machen und dem Personalverlust in der Branche entgegenwirken.
Confartigianato Lombardia sprach in einer vom Portal Trasporti Italia zitierten Stellungnahme von einer „Schließung einer Regelungslücke“, die auch das Risiko künftiger Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Fahrern verringern könne. Die beteiligten Gewerkschaften betonten, dass die Vereinbarung den sozialen Schutz der Fahrer stärke und deren essenzielle Rolle für das Funktionieren der Branche anerkenne.
Beispiel Spanien: Entschädigung nach einer Stunde Wartezeit
Spanien hatte bereits im März 2022 auf das Problem reagiert: Ein Gesetz verpflichtet Verlader dort, Spediteuren nach einer Stunde Wartezeit beim Be- oder Entladen eine Entschädigung zu zahlen. Zudem wurde es Fahrern untersagt, selbst zu be- oder entladen, und der Logistikprozess wurde digitalisiert. Damals galten die spanischen Regeln als mögliches Vorbild für andere EU-Staaten – bislang ohne breite Nachahmung.
Mehr als vier Stunden Ausfallzeit pro Tag
Trotz der bekannten Problematik wurden in Italien auf nationaler Ebene bislang keine vergleichbaren Regelungen eingeführt. Laut einem Bericht des Verbands Federtrasporti aus dem Jahr 2022 warten italienische LKW-Fahrer im Schnitt 4,35 Stunden pro Tag – das entspricht etwa der Hälfte ihrer Fahrzeit und rund einem Drittel ihrer gesamten Arbeitszeit. Basierend auf der Analyse von fast 83.000 Arbeitstagen ergibt sich ein jährlicher Verlust von über 330.000 Stunden durch Leerlauf – das entspricht etwa 42.000 vollen Arbeitsschichten.
Laut Federtrasporti verursachen diese Ineffizienzen Kosten von etwa 10 Millionen Euro pro Jahr – ohne Berücksichtigung der Folgewirkungen auf die Produktivität. Durch eine Reduzierung der Ausfallzeiten könnten Transportunternehmen ihren Umsatz demnach um bis zu 15 Prozent steigern.
Die Vereinbarung in der Lombardei ist eine der ersten konkreten Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems – sie bringt nicht nur eine finanzielle Entschädigung, sondern könnte auch den Weg für ähnliche Regelungen auf nationaler Ebene ebnen.