TransInfo

Akuter Fahrermangel beunruhigt deutsche Transportbranche

Lesezeit 5 Min.

Deutsche Spediteure suchen verzweifelt nach Berufskraftfahrern. 20 Prozent der Lastwagen stehen still.

Ein Fünftel der deutschen Lastwagen steht still. „Wir kriegen einfach keine Fahrer mehr“ – so Sebastian Lechner, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes der Spediteure in einem Interview für den „Bayerischen Rundfunk“. Der Grund sind niedrige Löhne, Stress und Ärger an den Entladerampen.

In Deutschland fehlen rund 45.000 LKW-Fahrer. Das Defizit wächst laufend. Den lokalen Medien zufolge gehen jährlich etwa 30.000 Fahrer in Rente. Die Demografie-Bilanz in der Branche ist seit Jahren negativ. Von den 1,5 Millionen Fahrer sind mehr als eine Million über 45 Jahre alt. Deutsche Verkehrsorganisationen schlagen Alarm:

In den nächsten 15 Jahren werden zwei Drittel der Fahrer in den Ruhestand gehen, sagt Markus Olligschläger vom DSLV-Verband.

Im Gegenzug, wie der BR berichtet, machen jedes Jahr nur 2.000 Frauen und Männer ihre Ausbildung.

Niemand will LKW fahren

Der Personalmangel  in der Branche in Deutschland ist wie auch in anderen europäischen Ländern auf die geringe Attraktivität des Berufs zurückzuführen. Schlechter Ruf, hohe Ausbildungskosten, relativ niedrige Löhne (im Durchschnitt 2.400 Euro ) und großer Stress.  Dazu kommen auch noch andere Faktoren wie: Zeitdruck, Trennung von der Familie und Rechtsunsicherheit (immer restriktivere Vorschriften auf EU- und Landesebene).

In Deutschland hat nebst diesen Aspekten auch die Abschaffung der Wehrpflicht zu der Situation beigetragen. Vorher hat die Bundeswehr ungefähr 15.000 LKW-Fahrer jährlich ausgebildet.

Folgen des Personalmangels

Deutsche Transportverbände warnen vor den dramatischen Folgen des Personalmangels in der Branche. Wenn das Problem des Personalmangels sich weiterhin vertiefen wird und wir es nicht schaffen Nachwuchs zu mobilisieren, wird das  schwerwiegende Konsequenzen für die ganze Speditionsbranche bedeuten – sagt Mathias Krage, Leiter des DSLV.

Die Engpässe gibt es auch in anderen  Branchen wie das Bauwesen oder FMCG (Fast Moving Goods). Es wird immer schwieriger Lieferfristen einzuhalten. Es treten Verzögerungen bei der Lieferungen von Baumaterialien auf, was zu Problemen an Baustellen führt.

Und wir alle kommen hier in eine Schieflage, in eine Zwickmühle. Weil die Kunden sitzen auf dem Trockenen, zum Teil, weil sie nicht mehr bedient werden. Und unsere Unternehmen kommen in Gewissensnöte, weil sie nur noch einen Teil der Kunden bedienen können, so Lechner.

Auch der Chef der deutschen Spedition Rainer Michael beklagt sich über erhebliche Probleme Personal zu finden:

Wir versuchen übers Ausland Fahrer zu rekrutieren. Haben Personal eingestellt, was sich um die Rekrutierung von Personal aus dem Ausland kümmert. Ja wir können sagen, ein Großteil unserer Aufgabe ist es nicht mehr den Kunden zu rekrutieren, sondern das Personal zu rekrutieren.

Ausländer helfen nach

Ende 2016 belief sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Berufskraftfahrer in Deutschland auf 555. 505. Da ist nicht  genug, um die Bedürfnisse des Marktes zu stillen. LKW in der Spedition stehen still.

Aufgrund des fehlenden Interesses am Beruf  ist die Branche zunehmend bereit, Fahrer aus dem Ausland zu beschäftigen – auch solche ohne Sprachkenntnisse. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit, auf die sich die BAG beruft, waren im Jahr 2016  15,5 Prozent aller Berufskraftfahrer Ausländer, überwiegend aus den östlichen EU-Ländern.

Und so hat zum Beispiel  Schleswig-Holstein die  kontroverse Initiative unter dem Namen „Deine Fahrt in die Zukunft”gestartet. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz will UVL den Imigranten den Berufsgang als Berufskraftfahrer ermöglichen. 25 Speditionsunternehmen  aus der Region sind der Initiative beigetreten. Nur innerhalb von wenigen Tagen meldeten sich 90 Flüchtlinge für die Schulung an.

Weitere 50 stehen auf der Reserveliste -so Ilka Hübner, Programmkoordinatorin und Leiterin der Integrationsabteilung des Roten Kreuzes in Kiel,  in einem Interview für die „Kieler Nachrichten”. Das Projekt beurteilt sie als sehr gelungen.

Um so überraschender ist es deshalb, dass viele trotzdem für die Verschärfung der Entsenderichtlinie plädieren. Engpässe in der Logistik werden langfristig das Wirtschaftswachstum bremsen. Viele Unternehmen in Deutschland können sich nur dank Zusammenarbeit mit Frachtführern aus Mittel- und Osteuropa über Wasser halten.Wenn die deutsche Speditionsbranche jetzt schon über Probleme klagt, was wird nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften geschehen?

Fot. TransINFO

Tags