„Der deutschen Wirtschaft steht ein schwieriges Jahr bevor”- DIW und Ifo Institut senken Wachstumsprognosen

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin hat die Wachstumsprognose für dieses Jahr deutlich auf 3,0 Prozent gesenkt und erwartet, dass die Zahl der Firmenpleiten erheblich höher liegen dürfte als 2020. Auch das ifo Institut sieht die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr pessimistischer.

Lockdown-Lockerungen trotz bereits wieder steigender Corona-Infektionszahlen und der langsame Impffortschritt schicken die deutsche Wirtschaft auf einen Stop-and-Go-Kurs. Davon gehen die Konjunkturforscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in ihrer neuesten Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem und im kommenden Jahr aus. Demnach müssen auf die aktuellen Öffnungsschritte wohl mindestens regional immer wieder Schließungen des Einzelhandels, der Gastronomie und anderer Dienstleistungsbereiche folgen, um das Infektionsgeschehen im Griff zu behalten. Wohl erst im Laufe des dritten Quartals werden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen nachhaltig zurückgefahren werden können.

Entsprechend verzögert sich die Erholung der deutschen Wirtschaft: Für dieses Jahr sieht die DIW-Prognose ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von nur noch 3,0 Prozent, nachdem im vergangenen Dezember noch ein Plus von über fünf Prozent realistisch erschien. Die Risiken sind zudem erheblich: Die Politik hat in den vergangenen Wochen ihre Linie mehr als nur einmal geändert – allein das sorgt für Unsicherheit. Hinzu kommt vor allem, dass das Insolvenzgeschehen durch die Aussetzung der Meldepflicht derzeit verschleiert ist. Der Flurschaden der Pandemie wird sich frühestens im Laufe dieses Jahres zeigen. Nachdem es 2020 trotz stark schrumpfender Wirtschaft zu weniger Insolvenzen kam, könnten diese im laufenden Jahr erheblich zunehmen und auch den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzen.

Weltweite Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ erholt sich

Dass die deutsche Wirtschaft zu Beginn des laufenden Jahres nicht stärker eingebrochen ist, liegt an der stabilen Industrie. Im Gegensatz zum ersten coronabedingten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres konnte sie zuletzt durchgehend produzieren, die Lieferketten waren weitgehend intakt. Zudem erholt sich die weltweite Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ weiter – nicht zuletzt deshalb, weil die Pandemiebekämpfung mancherorts effektiver ist als hierzulande, etwa in den USA. Hinzu kommen äußerst umfangreiche Konjunkturpakete. Entsprechend kräftig entwickelt sich schon kurzfristig die US-Wirtschaft. Das gilt auch für China, einen weiteren wichtigen Absatzmarkt Deutschlands. Die Konjunktur in diesen beiden Ländern ist maßgeblich dafür, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr mit 6,7 Prozent sogar etwas stärker wachsen könnte als noch im Winter erwartet. Davon profitiert die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

Die Dienstleistungsbereiche hingegen werden hierzulande durch das zu erwartende Wechselspiel von Lockerungen und immer wieder aufflammendem Infektionsgeschehen stark beeinträchtigt. Der Arbeitsmarkt hat sich vom Einbruch des vergangenen Frühjahrs bisher kaum erholt. Zwar wurde auch im zweiten Lockdown ein Großteil der weggefallenen Tätigkeiten durch Kurzarbeit aufgefangen – die Zahl der Kurzarbeiter dürfte bis Februar auf über 2,8 Millionen gestiegen sein. Dennoch bleibt die Arbeitslosenquote zunächst hoch. Erst im Laufe des Jahres dürfte sie sinken und im Jahresdurchschnitt 5,8 Prozent betragen.

 

Der deutschen Wirtschaft steht ein schwieriges Jahr bevor: Die Corona-Pandemie nimmt vorerst kein Ende, wir sind auf direktem Weg in die dritte Welle. Die Politik hat Vertrauen verspielt und Glaubwürdigkeit verloren, weil sie zu zögerlich handelt und zuletzt deutlich von ihrem Kurs abgewichen ist. Trotz der Öffnungsbemühungen wird es wohl immer wieder zu erneuten Lockdowns kommen müssen, um nicht vollends die Kontrolle über das Pandemiegeschehen zu verlieren. Viele Unternehmen stehen schon jetzt vor dem Abgrund, die Eigenkapitalpuffer gehen vielerorts zu Neige. Wir brauchen dringender denn je einen überzeugenden Plan für einen Umgang mit der Pandemie, der Gesellschaft und Wirtschaft eine glaubwürdige Perspektive für die Zukunft eröffnet, sagt Marcel Fratzscher, DIW-Präsident.

Exporte werden zulegen

Auch das ifo Institut sieht die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr pessimistischer als noch im Dezember. Die Forscher erwarten nun ein Wachstum von 3,7 Prozent. Vor drei Monaten hatten sie 4,2 Prozent vorhergesagt.

Die Coronakrise zieht sich hin und verschiebt den erwarteten kräftigen Aufschwung nach hinte“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Für das Jahr 2022 erwartet das Institut nun 3,2 Prozent Wachstum anstatt 2,5 Prozent. Insgesamt belaufen sich die Kosten der Coronakrise für die Jahre 2020 bis 2022 laut Wollmershäuser auf 405 Milliarden Euro – gemessen an entfallender Wirtschaftsleistung. Die Zahl der Arbeitslosen wird der Vorhersage zufolge leicht sinken: von 2,70 Millionen 2020 über 2,65 in diesem auf 2,44 Millionen im Jahr 2022. Damit würde die Arbeitslosenquote von 5,9 über 5,8 auf 5,3 Prozent zurückgehen. Gleichzeitig erwartet das ifo Institut, dass die Verbraucherpreise stärker anziehen, von plus 0,5 Prozent 2020 über plus 2,4 Prozent in diesem Jahr. Im Jahr 2022 sollen sie dann um 1,7 Prozent steigen. Das Staatsdefizit dürfte dieses Jahr von 139,6 Milliarden Euro auf 122,9 sinken und schließlich nur noch 61,2 Milliarden im nächsten Jahr erreichen. Die international kritisierten Überschüsse in der Leistungsbilanzwerden erneut kräftig von 231,9 Milliarden Euro auf 275,6 Milliarden zulegen, um dann etwas abzusinken auf 263,5 Milliarden.

Foto: Pixabay

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