TransInfo

Foto:Kuehne+Nagel

Interview: Schwarze Punkte auf der Europakarte. Diese Parkplätze werden von dem Unternehmen Kühne+Nagel nicht empfohlen

Nach Angaben der IRU erfüllen nur 7 Tausend Parkplätze in der EU die Grundvoraussetzungen, anhand denen diese als sichere Parkplätze qualifiziert werden können. Inzwischen fehlt es an sogar 100 Tausend solcher Stellplätze. Kuehne+Nagel hat eine Datenbank von überprüften LKW-Parkanlagen erfasst, um seinen Frachtführern den Prozess zu erleichtern, die Ladungen sicherer an den Zielort zu bringen, erzählt Robert Ignaszewski, National Security Manager bei Kuehne+Nagel.

Lesezeit 11 Min.

Dorota Ziemkowska-Owsiany, Trans.iNFO:Wie können potenzielle Bedrohungen durch so große Unternehmen wie Kuehne+Nagel erkannt und minimiert werden? Sie verfügen über 1300 Standorte und sind in 100 Ländern vertreten.

Robert Ignaszewski, National Security Manager bei der polnischen Niederlassung von Kuehne+Nagel: In jedem Land ist eine Person beschäftigt, die für die Sicherheit der Lieferkette verantwortlich ist. Die Experten aus verschiedenen Niederlassungs-Ländern kooperieren täglich miteinander und treffen sich auch zyklisch, um Informationen austauschen und sich salopp gesagt über Trends zu Verbrechen in der Logistik austauschen.

Diese Personen, davon gehe ich auch, nehmen an der Beurteilung der Risiken für den Güterverkehr teil. Welche Werkzeuge benutzen sie dabei?

Bei der Erstellung der Bedrohungen für den Güterverkehr beruhen wir sowohl auf den Erfahrungen unserer Experten als auch auf den Informationen von den Strafverfolgungsbehörden aus verschiedenen Ländern und von den Vereinigungen, die die Sicherheit überwachen.

Mit Hilfe von den Letzten entstand unser Alarmsystem RING (Abk. von React, Inform, Network, Go – Anm. d. Red.), das es seit 2007 gibt. Am Anfang wurden Informationen an Abonnenten über Vorfälle in der Logistikkette aus Europa gesendet, die sich nicht unbedingt auf unser Unternehmen beziehen.

Das System ist das wichtigste Tool zur Risikobeurteilung und Tourenbewertung. Es handelt sich dabei um eine Live-Plattform, die nebst Informationen über die Risikofälle diese ebenfalls graphisch auf einer Karte darstellt. Aus diesem Grund können unsere Spediteuren, die das Tool benutzen, einfach die Route planen, indem sie z.B. die Parkplätze ausschließen, auf denen Diebstähle vorkommen. Auch kann man Informationen über andere potenzielle Risiken finden, wie z.B. Streiks in der Nähe oder Autobahnsperrungen.

Ein weiteres Instrument, das Kühne+Nagel für die Bewertung und Planung von Risiken im Güterverkehr einsetzt, ist die Datenbank der empfohlenen Parkplätze (Recommended Parking Locations, RPL), die von unseren Experten geprüft und bewertet wurde. Dies ist eine sehr wichtige Datenbank, weil es derzeit sehr schwierig ist, in Europa sichere Parkplätze zu finden.

Ich würde sogar sagen, dass die Situation dramatisch ist. Nach Angaben der IRU erfüllen nur 7 000 Parkplätze in der Europäischen Union die grundlegendsten Bedingungen, um als sichere Parkplätze eingestuft zu werden; darüber hinaus fehlen bis zu 100 000 Parkplätze. Was bedeutet das in der Praxis – dass Unternehmen wie Kühne+Nagel die Aufgabe haben, sichere Parkplätze zu errichten?

Oh nein, unser Unternehmen baut keine Parkplätze und hat auch keine Absicht dies zu tun. Wir bewerten die schon vorhandenen Stellplätze.

Das oben erwähnte RPL zeigt zum Beispiel schwarze Punkte auf der Europakarte, d.h. Parkplätze, die den Spediteuren nicht empfohlen werden. Wo ist die Lage am schlimmsten?

Um den Berliner Ring. Ähnlich ist es in der Region von Hannover und im Grenzgebiet zwischen Deutschland und den Niederlanden und Belgien.

Ich sehe, dass dies genau mit den Erkenntnissen von TAPA übereinstimmt, die zeigen, dass Deutschland in puncto Frachtdiebstahl weltweit an zweiter Stelle steht.

Natürlich, weil dort auch das größte Problem besteht, Parkplätze zu finden. Und dann kommt es vor, dass dem Fahrer eines Transportunternehmens, der hochwertige Güter liefert, mitgeteilt wird, dass er nur auf einem gesicherten Parkplatz parken darf, aber vor Ort stellt sich heraus, dass er da nicht parken kann, weil alle Plätze belegt sind. Dann muss er sich auf Artikel 12 der Verordnung 561/2006 berufen.

Dieser besagt: Weiterfahren.

Genau. Dieser erlaubt die Lenkzeit unter den in der Verordnung festgelegten Bedingungen zu verlängern. Aber das kann auch zum Problem werden, denn das Parken von Diebstahl gefährdeten Gütern auf den fragwürdigen Parkplätzen kann nicht nur als Verstoß gegen alle Sicherheitsvorschriften, sondern auch gegen die Versicherungsbestimmungen erkannt werden. Und in einem solchen Fall kann man die Auszahlung der Entschädigung vergessen….

Wir befinden uns also in einer Sackgasse. Ich habe Mitleid mit den Unternehmen, die nach und durch Deutschland Transporte durchführen, aber das ist auch nicht zu vermeiden, denn Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Polens.

Ganz genau. Bei Kühne+Nagel bekommt der Fahrer jedoch etwas, was er bei anderen Unternehmen nicht findet. Nämlich über die Spediteure Zugang zu einer ganzen Datenbank von verfügbaren Parkplätzen, die bestimmten Standards entsprechen und die der Fahrer nutzen kann, wenn auf dem ersten Parkplatz, den er eigentlich anfahren wollte, kein Platz mehr ist.

Leider ist der Bekanntheitsgrad solcher Standorte in der Branche recht gering. In der Zwischenzeit darf man sich nichts vormachen – technische Sicherheit ist nicht genug. Es kommt auf die Menschen an und darauf, wie sie nach den festgelegten Verfahren handeln.

Unsere Spediteure werten die aus der RPL resultierenden Daten aus und geben den mit Kühne+Nagel kooperierenden Spediteuren Informationen über die Parkmöglichkeiten weiter.

Für Kunden, die uns mit Hochrisikotransporten beauftragen, entwickeln wir bereits im Vorfeld spezifische Routen, für die wir im Einzelfall das Risiko abschätzen. Dabei berücksichtigen wir die Länge der Strecke, die Anzahl der Parkplätze, mögliche Risiken, die Notwendigkeit von Grenzübertritten mit Informationen darüber, ob alle Länder dem Schengen-Raum angehören, und die geopolitische Lage in dem betreffenden Land.

Zurück zur Datenbank der sicheren Parkplätze – wie viele Standorte aktuell umfasst die Datenbank?

Mehr als 750 positiv geprüfte Parkplätze in 35 Ländern. Sie sind in verschiedene Sicherheitsstufen eingeteilt. Wir bewerten sie nach einer bei Kühne+Nagel erstellten Liste, die eine Reihe von Parametern festlegt, wie z. B. eine angemessene Beleuchtung und Umzäunung, die Anzahl der Parkplätze, CCTV-Überwachung, das Vorhandensein von Sicherheitspersonal im Parkhaus sowie Ein- und Ausfahrtskontrollen, die Notwendigkeit einer Voranmeldung und die Historie des Parkhauses, d. h. ob es hier zu Sicherheitsvorfällen gekommen ist.

Neben diesen Parkkategorien können unsere Spediteure im Rahmen der Initiative KN hilft KN auch an Kühne+Nagel-Terminals in anderen Ländern parken.

Es handelt sich dabei, wie ich annehme, um die Zusammenarbeit der Niederlassungen, was die Suche nach den vorhandenen Stellplätzen angeht?

Korrekt. In der Praxis bedeutet dies, dass LKW, die Transporte durchführen, die nicht für diese Niederlassung bestimmt sind, bei bestimmten Kühne+Nagel-Niederlassungen abgestellt werden können. Wenn wir zum Beispiel einen Transport von Polen nach Spanien durchführen, können wir nach vorheriger Anmeldung bei einer Niederlassung in Frankreich parken.

Sie selbst sind an der Bewertung von Parkplätzen in Polen beteiligt, nehme ich an. Wie beurteilen Sie also die polnische Infrastruktur?

Ich beginne mit den beliebtesten Parkplätzen, d.h. den sogenannten MOPs, die an den Autobahnen liegen. Obwohl sie nicht eingezäunt sind und es keine Ein- und Ausfahrtskontrollen gibt, ist in den meisten Fällen mindestens die Hälfte des Parkplatzes kameraüberwacht. Außerdem sind sie sehr gut beleuchtet, und in der Regel ist ein Vertreter des Parkplatzbetreibers, in der Regel jemand von der Mineralölgesellschaft, vor Ort. Auch die Sicherheit ist gewährleistet, wenn auch nicht 24 Stunden am Tag vor Ort, sondern auf Ad-hoc-Basis. Außerdem gibt es auf solchen Parkplätzen in Polen weitaus weniger Zwischenfälle als auf ähnlichen Plätzen beispielsweise in Deutschland. Allerdings sollte man sich auch hier bewusst sein, dass in den westlichen Ländern die Daten über Diebstähle sehr viel bereitwilliger offengelegt werden als in Polen.

Aber zurück zu den Parkplätzen selbst: Die Parkplätze mit Service, also die an den Autobahnen und Schnellstraßen, haben einen sehr guten Standard, was daran liegt, dass wir eine relativ neue Infrastruktur haben. In dieser Hinsicht steht Polen im Vergleich zu anderen europäische Ländern nicht schlecht da. Es sollte auch gewürdigt werden, dass in Polen kommerzielle Parkplätze gebaut werden, die nicht nur einen hohen Sicherheitsstandard haben, sondern den Autofahrern auch alle Arten von Einrichtungen bieten, wie z. B. Rastplätze, Fahrzeugwartung usw.

Neben der Frage der Parkplätze selbst müssen auch die Anforderungen der Kunden bei der Erstellung einer Risikobewertung für den Gütertransport berücksichtigt werden. Was ist der Standard in dieser Hinsicht?

Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich gesagt, dass die Kunden nur dann Anforderungen in puncto Sicherheit haben, wenn es sich um eine hochwertige Ladung handelt, wie zum Beispiel bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren. Heute definiert fast jeder Kunde seine Standards, meist auf Basis der TAPA-Anforderungen. Meistens geben die Unternehmen nur die Verwendung von sicheren oder direkt gekennzeichneten Abstellanlagen an.

Ich spreche natürlich nicht von der Situation, wenn es um den Transport von geringwertigen oder kaum handelbaren Gütern geht, bei denen es so gut wie keine Sicherheitsanforderungen gibt, sondern selbstverständlich bei Gütern der Kategorie „Weiße Ware”.

Natürlich gibt es Kunden, deren Anforderungen über den Standard hinausgehen, aber das ist nur dann der Fall, wenn das Diebstahlrisiko hoch ist und die Ware einen hohen Wert hat.

Welche Anforderungen werden dann formuliert?

Ich will nicht alles verraten, aber ich will ein Beispiel nennen. Meistens gibt es höhere Anforderungen an die technische Sicherheit. Wenn also TAPA vorschlägt, dass der Fahrer einen Panikknopf in der Kabine haben sollte, erwartet ein bestimmter Kunde vielleicht, dass der Fahrer neben einem festen Panikknopf auch einen mobilen Panikknopf hat.

Die Erwartungen sind vielfältig, manchmal sogar politisch unkorrekt. Manchmal möchte ein Unternehmen, dass eine Kamera in der Fahrerkabine installiert wird, um die Arbeit des Fahrers aufzuzeichnen.

Wenn ein Kunde, der in der Regel weltweit tätig ist, solche Erwartungen formuliert, müssen wir prüfen, ob sie mit dem nationalen Recht vereinbar sind.

Bedeuten höhere Kundenanforderungen in Bezug auf die Sicherheit immer auch höhere Raten?

Diese Frage sollte nicht an mich, sondern an die operative Abteilung gerichtet werden.

Aber wahrscheinlich sind Sie auf der richtigen Spur.

Es ist nicht zu leugnen, dass jede Art von Sicherheit, ob es sich nun um technische Sicherheit oder um die Frage der Gesamtorganisation des Transports handelt, immer mit einem gewissen Aufwand verbunden ist – zeitlich, finanziell oder sei es durch die Bereitstellung von Know-how.

Natürlich ist es im Interesse eines jeden Unternehmens, Güter sicher zu transportieren. Wenn der Kunde jedoch andere Erwartungen hat, müssen wir Spediteure einsetzen, die in der Lage sind, diese zu erfüllen. Erinnern wir uns daran, dass Kühne+Nagel nur Drittanbieter einsetzt.

Und wie Sie wissen, wird jemand, der nur ungeschützte Planen hat, einen anderen Tarif berechnen als ein anderer, der einen festen Aufbau, eine Transportüberwachung und eine TAPA- oder ISO28000-Zertifizierung hat.

Die Anforderungen sollten jedoch immer auf die Art des Transports zugeschnitten sein, weshalb wir eine Risikoanalyse durchführen, so dass die oben erwähnten geringwertigen Güter wie Mineralwasser unter bestimmten Bedingungen und Computerprozessoren unter ganz anderen Bedingungen transportiert werden.

Letzte Frage: Warum steigt die Zahl der Diebstähle im Transportwesen immer weiter an, obwohl immer mehr moderne Sicherheitssysteme für den Transport entstehen und das Bewusstsein bei allen Beteiligten in den Lieferketten wächst?

Leider ist es so, wie Sie sagen – die Zahl der Diebstähle geht nicht zurück. Statistiken die von der Europäischen Union vor einigen Jahren veröffentlicht wurden, haben gezeigt, dass sich die jährlichen Verluste in den Lieferketten innerhalb der EU, die gerade durch Diebstähle verursacht wurden, auf 8,2 Milliarden Euro beliefen. Damals wurden durchschnittlich 160 Vorfälle pro Tag verzeichnet. Neuere detaillierte Daten sind nicht verfügbar. Die Analyse der Trends zeigt jedoch, dass die Zahl der Vorfälle sogar noch zunimmt.

Dies hängt in erster Linie mit den gestiegenen Warenströmen zusammen, ist aber nicht der einzige Grund. Es gibt viele Gründe: die Inflation, die Verarmung bestimmter sozialer und nationaler Gruppen, die geopolitische Lage in Europa, die Diversifizierung der Gesellschaften.

Eine besondere Bedrohung war in den letzten Jahren die zunehmende Erschleichung ganzer Ladungen – also Speditionsbetrug. Leider ist diese Art von Verbrechen nahezu kriminalitätsfrei, mit geringem Risiko für die Täter und immer noch wenig Aufdeckung.

Tags