Foto: AdobeStock/Azulblue

Italien ermittelt: Logistiker wegen illegaler Praktiken angeklagt

Lesezeit 3 Min.

Die italienische Staatsanwaltschaft und die Guardia di Finanza haben einen weiteren Giganten der TSL‑Branche ins Visier genommen. Rhenus Logistics, eines der führenden Logistikunternehmen auf dem italienischen Markt, steht unter Verdacht, Steuerbetrug und illegale Beschäftigungspraktiken begangen zu haben. Auf Antrag der Ermittler wurde Vermögen in Höhe von über 43 Millionen Euro sichergestellt.

Die von der Staatsanwaltschaft in Mailand geführten Ermittlungen haben ein mehrstufiges Netz aus Scheinverträgen und „Briefkastenfirmen“ aufgedeckt, das dazu diente, den tatsächlichen Charakter der Arbeitsverhältnisse zu verschleiern und Steuern sowie Sozialabgaben zu umgehen. Der Fall gilt als noch nicht abgeschlossen; es wird damit gerechnet, dass sich der Verdacht auf weitere Unternehmen innerhalb des Subunternehmernetzwerks ausweiten wird.

Über 43 Millionen Euro durch die italienische Finanzbehörde gepfändet

Die Beamten der Guardia di Finanza in Mailand führten auf Wunsch der Staatsanwaltschaft diese Woche eine dringende Sicherstellung des Vermögens der Rhenus Logistics S.p.A. in Höhe von insgesamt über 43 Millionen Euro durch. Das in Mailand ansässige Unternehmen ist im Bereich Spedition und Logistik aktiv und gehört zur deutschen Rhenus‑Gruppe.

Schein­rechnungen und illegale Arbeitnehmerüberlassung

Ermittlungen zufolge soll Rhenus angeblich Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen genutzt haben, die formal aus Subunternehmerverträgen stammten, tatsächlich jedoch als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung dienten. Laut der italienischen Staatsanwaltschaft handle es sich um ein „systematisches Brechen der Vorschriften durch Schaffung vermeintlicher Vertragsverhältnisse, die in Wahrheit reine Arbeitnehmerüberlassung waren“.

Verschleierung durch „Filter‑Firmen“ und Brieffirmen

Das Funktionsmodell bestand darin, Arbeitsverhältnisse zu kaschieren – formell waren die Beschäftigten bei externen Firmen (den sogenannten „Filter‑Firmen“) angestellt, die wiederum mit Kooperativen zusammenarbeiteten, die als „Briefkastenfirmen“ fungierten. Letztere sollen in den Jahren 2019‑2024 systematisch Mehrwertsteuer und Sozialversicherungsbeiträge umgangen haben.

IKEA ist nicht in die Ermittlungen involviert

In den Ermittlungsunterlagen werden zwei Unternehmen der IKEA‑Gruppe – Ikea Italia Retail und Ikea Italia Distribution – als wichtige Kunden von Rhenus im Untersuchungszeitraum genannt. Die Ermittler betonen jedoch ausdrücklich, dass IKEA weder beschuldigt noch Gegenstand eines Verfahrens ist.

Ein weiterer Großangriff der Staatsanwaltschaft

Dies ist nicht der erste schwerwiegende Schlag der italienischen Justiz gegen globale Logistikunternehmen. Bereits im Juli 2024 konfiszierte die Guardia di Finanza im GXO‑Zweig in Lodi Vermögen im Wert von 83,9 Mio. Euro. Auch dort nutzte das Unternehmen prekarisierte Arbeitsverträge und Scheinrechnungen, um Personalkosten zu senken und die Zahlung steuerlicher sowie sozialer Abgaben zu vermeiden.

382,6 Mio. Euro an gefälschten Rechnungen

Staatsanwalt Paolo Storari, der auch im Rhenus‑Verfahren ermittelt, bestätigte, dass im Rahmen der GXO‑Untersuchungen Rechnungen in Höhe von insgesamt 382,6 Mio. Euro gefälscht ausgestellt wurden.

Gesetzliche Grundlage als Problem?

Reaktionen kamen von der Oppositionspartei Partito Democratico. Maria Cecilia Guerra und Arturo Scotto kritisierten die geltende Gesetzeslage, die es – ihrer Ansicht nach – zulasse, illegale Arbeitnehmerüberlassung unter dem Deckmantel von Subunternehmertum zu betreiben. Sie verwiesen auf Artikel 29 Absatz 1 des Dekret‑Gesetzes 276/2003, der nach ihrer Auffassung die Ausbeutung von Logistik‑Beschäftigten de facto legalisiere.

Parlamentsinitiative zur Gesetzesverschärfung angekündigt

Die Politiker kündigten an, im Parlament erneut Anläufe zur Verschärfung der Gesetzgebung zu unternehmen und eine klare Trennung zwischen gewerblicher Tätigkeit und Arbeitnehmerüberlassung herbeizuführen.

Tags: