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Breeze Technology

Gründer-Interview: “Der Gründungsprozess als solcher ist in Deutschland relativ aufwendig”

Das Hamburger Start-up Breeze Technologies entwickelt die Zukunft der Umweltsensorik und -analysesoftware. Das Start-up bedient mittlerweile Kunden in 9 Ländern und unterstützt Partner wie Microsoft und SAP.

Lesezeit 10 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Womit genau beschäftigt sich Ihr Startup? 

Robert Heinecke, Founder & CEO, Breeze Technologies: Breeze Technologies ist ein führendes Unternehmen auf dem Gebiet der Luftqualitätssensoren, -daten und -analysen. Mit unseren Sensoren und unserer Cloud-Plattform zur Auswertung von Umweltdaten helfen wir Unternehmen und Städten weltweit, hochlokale Luftqualitätsdaten zu sammeln, Luftreinhalte- und Umweltmaßnahmen zu planen und den Erfolg dieser zu überwachen. Das machen wir um unsere Städte lebenswerter zu machen, aber auch auf und um Industriegebieten und sogar in Gebäuden, zum Beispiel im Kontext eines gesunden Arbeitsplatzes. Mit unseren Lösungen bedienen wir mittlerweile Kunden in 9 Ländern und unterstützen Partner wie Microsoft und SAP.

Was ist einzigartig an Ihrer Idee? 

Wir haben die Komplexität der Luftqualitätsmessung vom Messgeräte, von der Hardware, in die Cloud, also in die Software, verlagert. Hier prüfen wir die gesammelten Daten auf ihre Plausibilität, kalibrieren sie und stellen sie dann qualitätsgesichert für die weitere Auswertung zur Verfügung. Das ermöglicht es uns, unsere Sensoren bis zu 50.000 Mal kleiner und 1.000 Mal günstiger als bisherige Luftmessstationen zu machen.

Durch diesen Kosten- und Größenvorteil ist es uns auch erstmals möglich, flächendeckend Luftqualitätsdaten zu sammeln, was wiederum völlig neue Anwendungsfelder für ihre Nutzung eröffnet. Wenn ich straßengenaue Aussagen über die Luftbelastung machen kann, kann ich zum Beispiel agil den Verkehr steuern oder Bürgerinnen und Bürgern Informationen über optimale Laufrouten für ihre tägliche Joggingroute zur Verfügung stellen.

Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen? 

Ende 2014 habe ich in Istanbul gelebt und zum ersten Mal echten Smog erlebt. Damals konnte ich an einigen Tagen kaum noch die andere Straßenseite sehen; so dicht war der Smog! Weil das Thema so präsent war, habe ich mich natürlich stärker damit beschäftigt: Wo kommt die Luftverschmutzung her, wie breitet sie sich aus? Was tut die Stadt gegen den Smog? Leider konnte ich damals nur sehr wenige Informationen finden, denn es gab und gibt nur sehr wenige Luftmessstationen. Die Technologie für diese kommt aus den 80ern, seitdem hat sich nicht viel Grundlegendes getan. Ich habe Informatik studiert und wollte das mit den uns heute zur Verfügung stehenden Mitteln wie dem Internet of Things und Künstlicher Intelligenz ändern. Damit war die Idee für Breeze Technologies geboren – mit kostengünstigen Sensoren flächendeckend Daten zu erfassen, um mit diesen dann bessere Entscheidungen über die Luftreinhaltung sammeln zu können.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen? 

Dankenswerterweise hatten wir das Glück, dass wir 2015 mit einer EU-Förderung die Entwicklung von Produkt-Prototypen starten konnten. Später erhielten wir noch eine Förderung durch das Gründerstipendium EXIST und Zugriff auf einige weitere kleine Fördertöpfe. Der größte Anteil der Finanzierung für unsere Forschung und Entwicklung kommt aber von Projekten mit unseren Kunden und von Umsätzen mit unserer Lösung. Es war uns von Anfang an sehr wichtig, eng mit dem Markt zusammenzuarbeiten, um nicht im Elfenbeinturm eine Lösung zu entwickeln, die am Ende niemand braucht.

Darüber hinaus wurden wir durch einige Accelerator-Programme unterstützt – zuletzt unter anderem durch urbantech in Kopenhagen und das SpinLab in Leipzig.

Anders als andere Technologie-Startups haben wir nie Venture Capital eingesammelt. Das gibt uns heute eine größere Freiheit und wird auch von unseren Partnern und Kunden sehr positiv wahrgenommen – denn wir haben keinen Druck, das Unternehmen in fünf bis sieben Jahren an ein großes amerikanisches oder chinesisches Unternehmen verkaufen zu müssen.

Was waren die größten Hindernisse bei der Gründung Ihres Startups? 

Der Gründungsprozess als solcher ist in Deutschland relativ aufwendig, hinzu kommen viele Pflichten für den Geschäftsführer und die Firma, die einem als Neugründer nicht sofort ersichtlich sind – zum Beispiel das Thema Ersthelfer. Man eignet sich diese Themen natürlich nach und nach an, aber dennoch wäre bessere Unterstützung – und ein Bürokratieabbau – hier wünschenswert.

Dazu kam bei uns noch das Thema als solches: Wir haben uns mit Breeze Technologies direkt zwei große Herausforderungen beim Produkt und beim Markt herausgepickt. Zum einen entwickeln wir eine eigene Hardware – ein unheimlich komplexes Unterfangen – und zum anderen ist eine Hauptzielgruppe für unsere Lösung der öffentliche Sektor. Projekte werden hier im Regelfall ja öffentlich ausgeschrieben. Häufig geschieht das mit Mindestkriterien für die Bieter im Ausschreibungsverfahren, so etwa Alter der Firma, Referenzen oder auch Mindestumsätze in Millionenhöhe. Solche Anforderungen kann man als Startup in den ersten Jahren kaum erfüllen.

Das ist auch der Grund, weshalb wir uns starke Partner wie Microsoft und SAP an die Seite genommen haben, mit denen wir auch gemeinsam auftreten können. Das bringt für beide Seiten Mehrwerte; wir profitieren von der Struktur, der Vorerfahrung und dem breiten Lösungsportfolio unseres Partners, während der jeweilige Partner eine innovative Lösung beim potenziellen Kunden platzieren kann und sich so mit USPs profilieren kann.

Was war der Wendepunkt, als die ersten Kunden auftauchten und Sie zu glauben begonnen haben, dass dies funktionieren würde? 

Die ersten Kunden hatten wir tatsächlich sehr schnell. Im Februar 2015 fanden die ersten Entwicklungstätigkeiten statt – damals im Rahmen von SpeedUP! Europe, einem europäischen Förderprojekt für Start-ups im Bereich Smart Cities – und bereits im Juni hatten wir die ersten Kunden. Der Durchbruch – und das erste echte Referenzprojekt – kam dann 2017, als wir gemeinsam mit dem Stadtteil Rothenburgsort in Hamburg die erste öffentliche Messkampagne durchgeführt haben. Seitdem kamen immer mehr Städte im In- und Ausland dazu. Zuletzt haben wir auch den US-Markt stärker in den Fokus genommen, hier gibt es auch auf Seiten der öffentlichen Hand eine viel größere Bereitschaft, mit Technologie-Startups zusammenzuarbeiten und neue Lösungen auszuprobieren.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht? 

So viel haben wir glaube ich gar nicht falsch gemacht. Was einem als Neugründer am Anfang vor allem fehlt ist das Netzwerk und der Marktzugang, und das entwickelt man sich eben über die Zeit hinweg. Ein Thema das wir unterschätzt haben war aber die eigene Website: Seitdem wir regelmäßig Inhalte rund um das Thema Luftqualität produzieren, erhalten wir deutlich mehr Anfragen für unsere Lösungen. Das macht ja auch Sinn – wenn jemand Informationen rund um die Messung und Bewertung von Luftqualitätsdaten sucht und über eine der Suchmaschinen bei uns landet, ist die Chance deutlich größer, dass es sich dabei um einen potenziellen Kunden handelt. Wenn wir dem- oder derjenigen dann noch mit den gesuchten Informationen weiterhelfen können, ist die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme deutlich niedriger.

Welche Tipps würden Sie anderen Startup-Gründern geben, die gerade erst anfangen? 

Anschließend an das eben angesprochene Thema: Investiert frühzeitig nicht nur in eine Website, sondern baut ihre Inhalte auch regelmäßig aus. Wöchentlich oder alle zwei Wochen einen kurzen Artikel zum eigenen Thema zu veröffentlichen, kostet nicht viel Zeit, sorgt aber dafür, dass ihr euch langfristig eine Marke und auch eine Reputation in diesem Gebiet aufbaut. Außerdem hilft es auch fachfremden neuen Mitarbeitern, sich in das Thema einzuarbeiten.

Ein Fehler, den ich immer wieder bei Gründern insbesondere in Deutschland sehe, ist die Geheimniskrämerei. Wir haben von Anfang an erzählt, was wir vorhaben – sogar als es unser Produkt noch gar nicht gab. Das hat uns immens geholfen; zum einen mit Feedback von potenziellen Kunden und Partnern, das wir aktiv in die Produktentwicklung übernommen haben, zum anderen haben wir so auch viele Unterstützer gefunden, die uns teilweise noch heute begleiten. Das halte ich für das deutlich bessere Vorgehen gegenüber einer Entwicklung im Geheimen. Es bringt ja nichts, drei Jahre lang eine Lösung zu entwickeln und niemandem davon zu erzählen, nur um dann festzustellen, dass man am Markt vorbeientwickelt hat.

Was ist die größte unmittelbare Herausforderung für Ihr Unternehmen und wo sehen Sie sich selbst in 5 Jahren? 

Aktuell ist die größte Herausforderung für uns das Finden von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 2021 wird aller Voraussicht nach ein sehr gutes Jahr für uns, und wir werden dieses Jahr noch mindestens drei bis fünf neue Kolleginnen und Kollegen einstellen. Insbesondere Software-Entwickler sind rar gesät, damit kämpft natürlich die ganze Branche.

Aktuell arbeiten wir daran, Luftqualitätsdaten auch für andere Unternehmen nutzbar zu machen. In 5 Jahren wird es,  denke ich,  ganz normal sein, dass Luftdaten unsere täglichen Entscheidungen, wie z.B. unsere Jogging-Route, beeinflussen. Hierfür legen wir mit unserer Environmental Intelligence Cloud gerade die Grundsteine und haben erste Projekte mit Unternehmen wie VELUX aus Dänemark und Proximi.io aus Finnland gestartet. Letztere haben zum Beispiel gerade die App „HealthyPlaces“ entwickelt, die auf Basis der von uns gelieferten Luftqualitätsdaten die gesündeste Fußgänger-Route in Großstädten empfehlen kann. Von der Immobilienwirtschaft bis hin zur Logistik gibt es viele solcher potenziellen Anwendungsfelder für Luftdaten, und wir werden dieses Thema in den nächsten 5 Jahren aktiv mitgestalten.

Was würden Sie tun, wenn Sie kein Startup-Unternehmen gründen würden? 

Vor der Gründung von Breeze Technologies habe ich in einer Unternehmensberatung gearbeitet. Auch dort war ich vor allem, weil ich schnell viel lernen wollte und mich für immer neue Herausforderungen begeistern konnte. Genau wie in einem Startup.

Mit meinem heutigen Kenntnisstand würde ich aber immer die Gründung eines Startups vorziehen: Man ist nicht nur kontinuierlich mit immer neuen Fragestellungen aus allen Bereichen eines Unternehmens beschäftigt, sondern darf auch noch etwas komplett Neues aufbauen. Das sieht und spürt man jeden Tag. Bei Breeze kommt noch besonders positiv dazu, dass wir etwas wirklich Sinnvolles tun und uns positiv für die Umwelt und Gesellschaft einsetzen dürfen. Ich möchte das Gründersein definitiv nicht missen.

 

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