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Interview: “Die Folgen des Virus machen die schon vorher vorhandenen Strukturprobleme der KEP-Branche sichtbarer.”

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In unserer Kurzinterview-Serie präsentieren wir seit November, wie Vertreter der Transport-und Logistikbranche sowie der Automobilindustrie das Jahr 2020 in Erinnerung behalten werden und was sie für das kommende Jahr und die nahe Zukunft erwarten.

Als Letzter stellt heute Andreas Schumann seinen Jahresrückblick 2020 und Jahresausblick 2021 vor. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste erzählt, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die KEP-Branche hatte und welche Projekte bei ihm 2021 auf der Agenda stehen.

Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Was waren die Highlights des Jahres 2020? Gab es etwas, was Sie besonders begeistert hat?

Andreas Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste: Besonderes begeistert hat mich, wie schnell mittelständische KEP-Dienste im ersten Lockdown zusammengerückt sind. Zusammen haben wir die Informationsvielfalt bewältigt. Die vielen Themen wurden gesichtet, sortiert und im neu aufgesetzten KEP-Lagezentrum für die Branche aufbereitet. Fast 100 Unternehmen haben sich daran im Hintergrund beteiligt. Als wichtiger „Neben“effekt konnten die Unternehmer*innen sich zu ihren Sorgen und Unsicherheiten austauschen. Diese Gespräche haben zusätzliche Kraft zur Bewältigung der Herausforderungen gegeben.

Insgesamt hat die Coronasituation dazu geführt, dass sich der Erfahrungsaustausch zwischen den Unternehmen sehr stark intensiviert hat. Durch die Digitalisierung können daran nun auch Mitarbeiter*innen teilnehmen, die vorher nicht erreichbar waren.

Was waren die Downlights?

Trotz der allseits diskutierten Wertschätzung für die Zusteller*innen lassen einige Systemgeber die Subunternehmen mit der Bewältigung der Krise allein bzw. wälzen die Folgen der Krise einseitig auf die Subunternehmen ab. So kommt dort von dem erfreulichen Wachstum besonders im Paketbereich nichts an. Zusatzkosten müssen allein getragen werden, Fehlanzeige bei Coronaprämien, keine Weitergabe der bei Versendern erhobenen Weihnachtsaufschläge, Ankündigung sinkender Vergütungssätze pro Paket sind einige der Downlights mit denen sie sich ihrer Verantwortung entziehen.

Besonders deutlich wird die fehlende Wertschätzung im Vergleich zu neuen Marktteilnehmern, die in der Coronazeit als Subunternehmen erhebliche zusätzliche finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten haben.

Vor welchen Herausforderungen stehen wir heute?

Die Folgen des Virus machen die schon vorher vorhandenen Strukturprobleme der KEP Branche sichtbarer. Der steigende B2C-Sendungsanteil verschärft die wirtschaftliche Schieflage besonders auf der letzten Meile. Zusätzliche B2C Sendungen verschlechtern bei den meisten (Sub)Unternehmen den Deckungsbeitrag. Denn, die damit verbundenen Zusatzkosten sind größer als die Zusatzerlöse. Parallel dazu wird deutlich, dass zentralisierte (Paket)Strukturen von Systemgebern, die stark steigenden Mengen nicht abwickeln können. Sortierzentren sind zu klein, die Ressourcen für die Abholung von Sendungen reichen nicht aus, Regellaufzeiten verlängern sich signifikant sind einige der Folgen. Schneller als noch vor 12 Monaten zu erwarten gewesen ist, sind Systeme an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen. Sie werden das prognostizierte Wachstum nicht mehr stemmen können. Der Markt benötigt sozusagen ein neues Betriebssystem.

Welches Projekt steht bei Ihnen für das Jahr 2021 auf der Agenda?

Der BdKEP hat die Initiative offene KEP Standards kep-os.de initiiert. Sie hat die Schaffung von Voraussetzungen für offene und anbieterübergreifende Plattformen im Kurier-, Express- und Paketgeschäft zum Ziel. Dezentrale Strukturen, die durch IT Systeme zu bundesweit arbeitenden Netzwerken verknüpft werden, können die zukünftigen Herausforderungen besser bewältigen. Direkte Einspeisung von Sendungen durch Versender auf der letzten Meile macht die Zustellstrukturen resilienter. Mehr Wertschöpfung wird dadurch vor Ort realisiert und stärkt die Unternehmen und Regionen. Der Handel, die Volkswirtschaft und Kommunen, quasi die Gesellschaft braucht Zustellsysteme, die unabhängig von global agierenden Plattformen funktionieren. So können wir auch in Zukunft unsere Gesellschaft gestalten und lassen sie nicht von Dritten gestalten.

Welche Themen und Trends werden die nahe Zukunft prägen?

Die Digitalisierung wird die nahe Zukunft im KEP Segment prägen. Sie trägt einerseits zur Effizienzsteigerung bei. Andererseits wird sie neue Dienstleistungsangebote möglich machen. Eng damit verbunden ist die anstrebenswerte digitale Souveränität. Sie ist eine Art Gleichgewicht aus digitaler Fremdbestimmung und Autarkie. Andere bereits digitalisierte Branchen zeigen auf, welche Folgen ein Ungleichgewicht zugunsten der digitalen Fremdbestimmung hat. Das Thema Wertschätzung ist ein weiterer Themenschwerpunkt der nahen Zukunft. Wie kann die systemrelevante Branche auskömmliche Beschäftigungsbedingungen bieten. Die Herausforderungen im Kontext des europäischen Green Deals rundet die Themenfelder in der nahen Zukunft ab. Hier hat die KEP Branche noch viele Hausaufgaben zu machen. Wir gehen diese Aufgaben als Verband beherzt an.

Vielen Dank besonders an die mittelständischen KEP Unternehmer*innen und Mitarbeiter*innen für das außergewöhnliche Engagement im außergewöhnlichen Jahr 2020. Wir arbeiten auch im nächsten Jahr gemeinsam daran, dass die Unternehmen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind, sich weiter erholen können und die Unternehmen die außergewöhnlich stark ausgelastet sind, das Wachstum erfolgreich meistern.

Foto: Andreas Schumann

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