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Foto: hey circle

Gründerinterview: Ich wollte einen möglichst großen Impact gegen den Klimawandel schaffen

Das in München ansässige Start-up hey circle wurde im April 2022 gegründet und bietet faltbare Versandboxen an. In unserem Interview erzählt CEO und Gründerin Doris Diebold, warum Gründen einer Achterbahnfahrt gleicht und wie sie den Mehrweg-Versand als Standard im E-Commerce etablieren will.

Lesezeit 6 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Was genau macht Ihr Start-up?

Doris Diebold, CEO und Gründerin von hey circle:Wir bieten Mehrweg-Verpackungen für einen nachhaltigen Versand an. Unsere Boxen und Taschen in acht verschiedenen Größen können bei 50 Versandumläufen neben jeder Menge Kartonabfall auch 3/4 der CO2-Emissionen sparen. Und der Bedarf ist riesig!

Was für ein Problem wird durch Ihr Produkt gelöst? Welche Nachfrage wird damit gedeckt?

4,5 Milliarden Sendungen jährlich in Deutschland, die vor allem in Einwegkartons verschickt werden, sorgen für einen großen Abfallberg. Ich selbst bestelle auch viel und habe dann beim Gang zur Papiertonne oft ein schlechtes Gewissen. Man muss sich das mal vorstellen: Jede Sekunde kommen so 50 Kilogramm Verpackungsabfall zusammen! Dass die meisten Verpackungen produziert werden, nur um nach einmaligem Gebrauch direkt wieder in die Tonne zu wandern, das kann sich unsere Gesellschaft angesichts des Klimawandels nicht leisten.

Was ist Ihre Zielgruppe?

Generell sind das First Mover, die sich nachhaltigeres Handeln zum Ziel gesetzt haben – zum Beispiel Drykorn, VIU und Trigema. Und natürlich die Österreichische Post. Häufig starten Unternehmen damit, hey circle in der Intralogistik einzusetzen und weiten die Mehrweg-Lösungen dann auf den B2C-Versand aus. Wir sind bereits mit großen deutschen E-Commerce-Händlern im Gespräch und freuen uns darauf, noch mehr Partner in Crime zu gewinnen. Gerade in Branchen, in denen der Wert des Warenkorbs etwas höher ist und es viele Warenretouren gibt, fällt der Einstieg in den Mehrwertversand leicht. Aber auch überall dort, wo es ohnehin einen geschlossenen Kreislauf und regelmäßige Sendungen gibt – das geht von Mietmodellen im B2C über B2B-Versandhandel bis hin zur Intralogistik. Das nächste große Spielfeld wird der Bereich E-Food sein. Wir sind also nicht auf eine Branche oder ein Unternehmen festgelegt – der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit ist aber bei allen der gemeinsame Nenner.

Inwiefern entspricht das Produkt den aktuellen Markttrends?

Der Klimawandel ist omnipräsent, und viele Onlineshopper*innen erwarten von ihren Händlern, dass sie sich um einen nachhaltigen Versand und ressourcensparende Verpackungen kümmern. Wenn dann ein Produkt, z. B. in einem unverhältnismäßig großen Karton oder beschädigt ankommt, dann kann das genau diesen Kunden oder diese Kundin kosten. Außerdem sind Onlinehändler verpflichtet, im Zuge des ESG-Reportings zu erfassen, welchen Beitrag sie zu mehr Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung leisten. Und schließlich bekommt die Mehrweg-Bewegung Rückendwind von der EU-Kommission: Diese plant schon ab 2030 eine Mehrweg-Quote von 10 Prozent für Versandverpackungen. Die Onlinehändler suchen also nach Lösungen – und wir unterstützen sie dabei.

Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?

Wenn ich draußen bin, wird der Klimawandel überall sichtbar. Das macht mich sehr betroffen – vor allem Abfall in der Natur. Ich wollte einen möglichst großen Impact gegen den Klimawandel schaffen. Als berufstätige Mutter bestelle ich oft online, weshalb sehr schnell klar war, wo ich ansetzen kann.

Welche Art von Wissen hatten Sie in diesem Bereich während der Gründung Ihres Startups? Und wie haben Sie Ihr Produkt überprüft?

Ich komme nicht aus dem Bereich Packaging und habe mir die Expertise zu Material und Konstruktion selbst erarbeitet. Ich war vorher in einem großen Unternehmen, sodass ich allgemeine Management-Erfahrung mitbringe und Prozesse und Projekte gut strukturieren kann. Als wir die ersten Gespräche mit Kunden geführt haben, hatten wir noch nicht viel mehr als ein Prototyp vorzuzeigen, da war viel Überzeugungsarbeit notwendig. Das Feedback von Kund*innen, Partner*innen und Paketdienstleistern hat uns sehr geholfen, um die heutigen, für die Logistik optimierten Verpackungen zu entwickeln. Fertig sind wir trotzdem noch nicht. Testläufe bei Paketdienstleistern und E-Commerce-Unternehmen zeigen uns, worauf es in der Logistik ankommt, und welche neuen Produkte, IT-Services und Features gewünscht sind.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?

Den Anfang haben wir Fördermitteln und eigenen Geldern gemacht, dazu kam dann ein Wandeldarlehen. Diesen Herbst nehmen wir weiteres Kapital durch einer Seed-Finanzierungsrunde auf.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?

Ich glaube, das Wichtigste, was wir gelernt haben, ist, dass man mit einer guten Idee einfach selbstbewusst loslegen muss, statt auf einen 100 Prozent fertigen und getesteten Prototyp zu warten. Denn in einem Markt, wo man Pionier ist, gibt es kaum etablierte Verfahren und Tests, die Weiterentwicklung findet am lebenden Objekt statt. In dieser Lage darf man den Wettbewerbs-Vorsprung auf keinen Fall verspielen.

Welche Tipps können Sie anderen Gründer*innen geben?

Glaubt an eure Idee, macht euch auf eine Achterbahn gefasst und baut euch ein Netzwerk aus stärkenden Mitstreiter*innen auf.

Was ist die größte unmittelbare Herausforderung für Ihr Unternehmen und wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?

Die größte Herausforderung ist, Onlinehändler über nachhaltige Möglichkeiten im Versand aufzuklären und ihnen die Sicherheit zu geben, loszulegen. Deshalb hat es höchste Priorität, große Kunden ins Boot zu holen – wie die Österreichische Post und Trigema. Parallel dazu entwickeln wir neue Produkte und vergrößern unser Team. Bis Ende des Jahres wollen wir 400.000 Sendungen mit hey circle verschicken. Langfristig ist unser Ziel, den Mehrweg-Versand als Standard im E-Commerce etablieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei unsere umfassende IT-Lösung und unser starkes Pfandsystem.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up hätten?

Ich kann es mir nicht mehr vorstellen, etwas anderes zu machen. Gründen ist eine Achterbahnfahrt, aber ich will es nicht missen und hey circle ist viel mehr für mich, als nur ein Job.

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