Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Was genau macht Ihr Start-up?
Patrick Groth, CEO und Gründer, Logatik GmbH: Unser Start-up Logatik hat sich der Mission verschrieben, den Mittelstand durch Technologieeinsatz effizienter zu gestalten. Im Kern agieren wir als Beratungsunternehmen, wobei wir uns auf die Optimierung von Geschäftsprozessen konzentrieren. Um dies zu erreichen, greifen wir auf fortschrittliche Technologien wie Process Mining und Robotic Process Automation (RPA) zurück. So können wir Prozesse datengetrieben analysieren, Engpässe identifizieren und Verbesserungspotenziale entschlüsseln.
In unserem Streben, Mehrwert zu schaffen, setzen wir vor allem die Process Mining Technologie ein – denken Sie dabei an ein Röntgengerät, das die inneren Abläufe eines Unternehmens sichtbar macht. Diese Technologie nutzt die digitalen Spuren, die in den bestehenden IT-Systemen unserer Kunden hinterlegt sind. Damit können wir ein präzises und aktuelles Bild der tatsächlich ablaufenden Geschäftsprozesse erstellen. Durch die Erstellung dieser digitalen Prozesszwillinge können wir Ineffizienzen und Engpässe in Echtzeit identifizieren.
Aber wir gehen noch einen Schritt weiter: Anstatt lediglich Probleme aufzuzeigen, geben wir unseren Kunden das nötige Handwerkszeug, um ihre Prozesse selbstständig zu verbessern und zu hinterfragen. Auf diese Weise tragen wir dazu bei, dass unsere Kunden ihre Geschäftsziele erreichen, ihre Effizienz steigern und letztendlich ihre Kosten senken können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Logatik eine Brücke zwischen Technologie und dem Mittelstand baut. Wir nutzen modernste Tools und Technologien, um Geschäftsprozesse zu optimieren, Ineffizienzen zu identifizieren und unseren Kunden den Weg zu einem effizienteren und erfolgreicheren Geschäft zu ebnen.
Was für ein Problem wird durch Ihr Produkt gelöst? Welche Nachfrage wird damit gedeckt?
Die Komplexität der Supply Chain führt häufig zu unerwünschten Herausforderungen, die in den meisten Fällen auf ein grundlegendes Missverständnis der Supply Chain zurückzuführen ist. Stellen Sie sich vor, Sie bestellen etwas bei Amazon und nur jedes fünfte Paket kommt an. Das ist die Realität vieler Unternehmen, die unter den Auswirkungen fragmentierter Prozesse und isolierter Datensilos leiden. Diese erschweren den Informationsfluss entlang der Lieferkette und beeinträchtigen die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Unternehmen.
Um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und neue Compliance-Anforderungen wie das Lieferkettengesetz zu erfüllen, müssen Unternehmen einen Weg finden, diese Barrieren zu überwinden. Denn die Supply Chain ist ein komplexes Netzwerk aus zahlreichen kleineren Prozessen und muss als solches verstanden werden.
Die traditionellen Methoden der Prozessoptimierung, wie die Beobachtung und Dokumentation von Abläufen und die ständige Suche nach Verbesserungspotenzialen, reichen oft nicht aus. Diese Ansätze, die stark auf der Expertise von Prozessexperten und qualitativen Interviews basieren, machen die Prozessoptimierung zu einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Hinzu kommt das Problem der Subjektivität. Unterschiedliche Meinungen über die Ursachen von Problemen können die konstruktive Lösungsfindung behindern.
An dieser Stelle kommt Process Mining ins Spiel, eine Technologie, die das Potential hat, die Landschaft der Prozessoptimierung grundlegend zu verändern. Process Mining bietet eine objektive Datengrundlage, die die Grenzen klassischer Prozessoptimierung gnadenlos aufzeigt und subjektive, “emotionale” Einwände entkräftet. Es ermöglicht uns, über die Illusion idealer Prozesse hinauszublicken und zu verstehen, wie Prozesse wirklich funktionieren.
Process Mining offenbart verborgene Potenziale und führt den Weg zur echten Prozessoptimierung und Qualitätssteigerung. Durch die Nutzung dieser Technologie können Unternehmen sicherstellen, dass alle relevanten Abteilungen und Firmen Zugang zu aktuellen Informationen haben und effektiv zusammenarbeiten. Dies ermöglicht eine Verbesserung der Lieferleistung, erhöht die Kundenzufriedenheit und sorgt für die Einhaltung von Compliance-Anforderungen.
Was ist Ihre Zielgruppe?
Wir richten unser Augenmerk auf mittelständische Unternehmen, die Prozessoptimierung anstreben. Grund dafür ist, dass große Konzerne wie Siemens, IBM oder BMW heute schon Millionen mit Process Mining sparen. Beispielsweise konnte die Deutsche Telekom Services Europe 66 Millionen Euro durch Prozess Optimierung.einsparen und GE Healthcare den Cashflow durch die Umsetzung objektiver Einsichten und Verbesserungsmöglichkeiten um 8,7 Millionen Euro steigern.
Unser Ziel ist es, mittelständischen Unternehmen den Zugang zu dieser Technologie zu ermöglichen und den Weg zur datengetriebenen Prozessautomatisierung zu ebnen. Das haben wir bei LSV-Lechstahl-Veredelung GmbH schon geschafft. Dort haben wir datengetriebene Transparenz über alle Prozessineffizienzen erreicht, was einem Potenzial von 23% in der Gesamtanlageneffektivität (OEE) entspricht. Innerhalb von nur sechs Monaten konnte eine Steigerung der OEE um 10% realisiert werden. Dies entspricht einer jährlichen sechsstelligen Einsparung bei einer einzelnen Anlage.
Inwiefern entspricht das Produkt den aktuellen Markttrends?
Aktuell nutzen bereits 50% der Fortune 500 Unternehmen diese Technologie, was auf die steigende Anerkennung und Implementierung von Process Mining in großen, etablierten Unternehmen hindeutet. Die Prognose, dass bis zum Jahr 2025 rund 80% aller Unternehmen Process Mining nutzen werden, zeigt, dass dieser Trend in den nächsten Jahren weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.
Darüber hinaus adressiert Process Mining die aktuellen Herausforderungen des Marktes, wie steigende Energiekosten, Fachkräftemangel und globalen Effizienzdruck. In diesem Kontext ist es wichtig, dass Unternehmen die Effizienz, Digitalisierung und Prozessoptimierung zur Priorität machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern,. Process Mining bietet eine effektive Lösung für diese Herausforderungen und fungiert als Enabler für diese Prioritäten.
Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?
Von der kindlichen Begeisterung für Hochregallager zur Gründung eines Technologie-Startups. Die Logatik GmbH wurde 2021 von mir und meinen zwei besten Freunden, die ich schon in der Schulzeit kennenlernte, auf der gemeinsamen WG-Couch gegründet. Ihre Wurzeln liegen in der Oberpfalz, wo ich schon als kleiner Junge von den Hochregallagern meines Vaters, einem Logistikleiter in einem mittelständischen Unternehmen, fasziniert war.
Als Erster in meiner Familie besuchte ich die Universität und studierte Informatik. Dort kam ich erstmals mit der Prozess-Mining-Technologie in Kontakt und setzte sie während eines IT-Beratungspraktikums begeistert ein – trotz fehlender Vorerfahrung. In nur vier Monaten konnte ich die Prozesszeit eines Kreditabschlusses bei einer mittelständischen Bank um 40% reduzieren, was das enorme Potenzial von Prozess Mining für mich bestätigte.Später nahm mein Vater mich zu einem Logistik-Kongress (IFOY-Awards) mit, und obwohl ich von den ersten Erfolgen begeistert war, stellte ich fest, dass keiner der 50 mittelständischen Entscheider auch nur das Wort “Process Mining” kannte.
Heute blickt das Unternehmen in nur zwei Jahren auf über 50 erfolgreich abgeschlossene Projekte zurück. Logatik ist zudem einer von nur acht Gold-Implementierungspartnern des Marktführers für Prozess-Mining-Software, Celonis, und der einzige Anbieter in der DACH-Region, der sich auf den Mittelstand spezialisiert hat.
Welche Art von Wissen hatten Sie in diesem Bereich während der Gründung Ihres Startups?
Vor 3 Jahren kam die Academic Alliance von Celonis auf meine ehemalige studentische Unternehmensberatung, Junior Consulting Team e.V., zu. Sie erzählte etwas von einem “Process Mining Expert”-Track – ich sah das Potential und war direkt begeistert. Ein Wochenende mit wenig Schlaf später hatte ich alle Schulungen abgeschlossen. 3 Monate später finde ich mich bei digatus (IT-Beratung) wieder und hatte bei der PSD-Bank das Glück, ein erstes Projekt selbstständig abzuschließen.
Das Ergebnis ließ sich sehen – 40% Prozessbeschleunigung. Innerhalb von 4 Wochen. In einem streng regulierten Umfeld. Von der Datenextraktion bis hin zu Ergebnissen.
Ich hatte Blut geleckt und lernte bei Deloitte dann, was es bedeutet Process Mining im großen Konzern umzusetzen. Keine 4 Monate später dachte ich mir zusammen mit meinen besten Freunden, Philipp und Markus, “das können wir auch”.
Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?
Wir wachsen bisher zu 100% organisch. Das Kapital, was wir in der GmbH eingesetzt haben, stammt von selbstständigen IT-Beratungstätigkeiten.
Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?
Bei einem Rückblick auf den Anfang unseres Unternehmens würde ich heute mehr Fokus auf die Kommunikation mit den Kunden und weniger auf interne Prozesse legen. Anstatt zahllose Retrospektiven zu halten und Social-Media-Beiträge zu formulieren, wäre es effektiver, den Schwerpunkt auf die Produktvalidierung durch gezielte Akquise und die Produktentwicklung durch konsequente Projektarbeit zu legen. Bis zu den ersten zahlenden Kunden sind alle anderen Aspekte von geringerer Bedeutung und können in der Priorisierung zurückgestellt werden. Wir haben unsere eigenen Ressourcen zu Beginn nicht optimal genutzt und haben den Blick auf die wesentlichen Aspekte, welche den Erfolg des Unternehmens gewährleisten, abschweifen lassen.
Was ist die größte unmittelbare Herausforderung für Ihr Unternehmen und wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?
Aktuell herausfordernd ist vor allem die konjunkturelle Lage bzw. die Unsicherheit, welche damit verbunden ist.
In 5 Jahren möchten wir unserem Mission Statement „Den Mittelstand aus einer stolzen Vergangenheit in eine vielversprechende Zukunft führen.“ gerecht werden und mindestens 250 mittelständischen Unternehmen mit der Hilfe von Zukunftstechnologien geholfen haben, datengetriebene Prozessoptimierung zu realisieren.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up hätten?
Vermutlich würde ich selbst in einem mittelständischen Unternehmen arbeiten. Die Tätigkeiten dort wären sicherlich die Gleichen. Mit der Hilfe von Zukunftstechnologien die digitale Transformation vorantreiben und Unternehmen von innen heraus in die Zukunft bringen. Eine zweite Option, welche ich mir noch vorstellen könnte, wäre es selbst ein anderes Unternehmen aufzubauen. Ganz ohne Unternehmertum wäre ich vermutlich nicht glücklich geworden.