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Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Bilanz mäßig positiv

Im Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft getreten. Eine Bilanz zeigt, dass das Gesetz weiterhin gemischte Gefühle auslöst.

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Am 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft getreten. Damit wurden unternehmerische Sorgfaltspflichten für die Achtung von Menschenrechten und den Schutz von Umweltbelangen gesetzlich geregelt. Das Gesetz legt dar, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Geschäftsbereich und entlang ihrer Lieferketten notwendig sind und verpflichtet zur Errichtung eines Beschwerdeverfahrens und regelmäßiger Berichterstattung.Die neuen Pflichten waren ab 2023 zunächst nur für Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit mindestens 3.000 Beschäftigten geltend, wurden jetzt ab 2024 auch auf Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte ausgeweitet.Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen drohen Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro oder in Höhe von bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Des Weiteren können Unternehmen im Fall von schwerwiegenden Verstößen von der öffentlichen Beschaffung bis zu drei Jahren ausgeschlossen werden.Das Gesetz hat von Anfang an für gemischte Gefühle gesorgt. Während Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen schärfere Vorschriften forderten, argumentierten Unternehmen mit möglichen Folgekosten.

Wie ist die Bilanz nach einem Lieferkettengesetz? Eine aktuelle IntegrityNext-/BME-Studie zeigt, dass diese nur mäßig positiv ist. Unternehmen weisen darauf hin, dass zeitlicher und organisatorischer Aufwand, Transparenz sowie die Datenqualität die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des LkSG darstellen.

Zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen in ihrer Lieferkette einen entscheidenden Hebel für mehr Nachhaltigkeit. Bei Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden liegt diese Zahl sogar bei 82 Prozent.Das Gesetz hat bei Unternehmen auch zu einer höheren Datenerhebung in der Lieferkette sowie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beigetragen. Während 2021 nur 25 Prozent der Befragten angaben, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen, liegt die Zahl mittlerweile laut Studie bei 46 Prozent. Bei Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden veröffentlichen in 80 Prozent der Fälle einen Nachhaltigkeitsbericht.

Mehr als drei Viertel (78 Prozent) aller Befragten prüfen ihre Lieferanten eingehend auf Nachhaltigkeitsaspekte oder planen dies zu tun. Unter den Gruppen, die bereits jetzt vom LkSG betroffen sind, liegt die Zahl sogar bei 87 Prozent (über 3.000 Mitarbeitende) bzw. bei 83 Prozent für Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden. KMU (weniger als 1.000 Angestellte) liegen mit 66 Prozent noch weiter zurück. 50 Prozent beurteilen auch unmittelbare Lieferanten (29 Prozent: 2022) und 44 Prozent Hochrisikolieferanten (32 Prozent:2022).
Die Befragten meldeten relativ wenig Probleme beim Aufbau eines Risikomanagementsystems und der Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen. 38 Prozent aller befragten Unternehmen waren außerdem überzeugt, das LkSG ihnen signifikant dabei helfe, Nachhaltigkeit im Unternehmen und der Lieferkette in der Praxis voranzutreiben.

Die große Mehrheit der Unternehmen ist sich ihrer Verantwortung bewusst und achtet bereits heute auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in ihren Lieferketten. Positiv ist ebenfalls, dass den Einkaufsabteilungen mit dem LkSG mehr Verantwortung zuwächst, so BME-Bundesvorstandsvorsitzende Gundula Ullah.


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Überblick über die gesamte Lieferkette bleibt eine Herausforderung

Das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen zur Risikominimierung der Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern stellte dagegen für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. 30 Prozent der Befragten gaben an, damit gute bis sehr gute Erfahrungen zu haben und lediglich 14 Prozent meldeten gute bis sehr gute Erfahrungen bei der Umsetzung.
80 Prozent der Befragten geben an, ein Risikomanagementsystem für ESG-Belange in Planung oder bereits implementiert zu haben. 84 Prozent der Unternehmen nutzen Softwarelösungen, um beispielsweise Daten-Risikoanalysen durchzuführen oder Reportings zu erstellen. 88 Prozent der Softwarenutzer setzen dabei auf Drittanbieter.
Insgesamt haben mehr als drei Viertel der Befragten (76 Prozent) zumindest teilweise Transparenz über ihre direkten Zulieferer, haben aber Probleme die Risiken auf den untersten Lieferkettenebenen zu analysieren.

Für Unternehmen mit 3.000 oder mehr Mitarbeitenden stellt zudem die Qualität der benötigten Daten eine große Herausforderung dar (50 Prozent). Daneben sehen Unternehmen zeitlichen und organisatorischen Aufwand als die größten Hürden bei der Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Von Unternehmen, die vor der Umsetzung des LkSG stehen, fühlen sich nur 22 Prozent von ihnen gut oder sehr gut vorbereitet, regelmäßige Risikoanalysen ihrer unmittelbaren Zulieferer durchzuführen. Nur ein Viertel sieht sich als gut bis sehr gut vorbereitet.

Die Zahlen belegen, dass wir in der Umsetzung des LkSG schon viel erreicht haben. Unternehmen brauchen aber weiterhin Hilfestellung, um das volle Potenzial ihrer Lieferkette nachhaltig und sicher ausschöpfen zu können, betonte BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov.

Die Erfahrungen deutscher Unternehmen mit der Umsetzung des LkSG werden sich als wertvoller Vorteil erweisen, sobald die europäischen Regelungen in Kraft treten.

Bislang keinen Sanktionen verhängt

Eine Bilanz gezogen hat auch das BAFA. So wurden im Jahr 2023 insgesamt 486 Kontrollen bei Unternehmen durchgeführt. Der Großteil der Kontrollen erstreckte sich auf Unternehmen aus den folgenden Branchen: Automobil, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau, Energie, Möbel, Textil- sowie Nahrungs- und Genussmittelindustrie.
Über sein Beschwerdeverfahren hat das BAFA 38 Beschwerden erhalten, wovon 20 jedoch keinen Bezug zu den im LkSG verankerten Sorgfaltspflichten aufwiesen oder nicht hinreichend substantiiert waren.

Sanktionen wurden bislang keine verhängt.

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