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Lieferkettengesetz vor dem Rückzug: EU lockert Pflichten

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Das geplante EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards in ihren weltweiten Lieferketten zu beachten. Nun will die EU die Regeln deutlich lockern. Für viele Unternehmen – besonders in der Transport- und Logistikbranche – hätte das spürbare Veränderungen zur Folge.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich Ende Juni 2025 auf Änderungen am Lieferkettengesetz geeinigt. Nur noch sehr große Unternehmen sollen künftig unter die Regelungen fallen: erst ab 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Bisher lag die Grenze bei 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz.

Außerdem sollen Firmen nicht mehr ihre ganze Lieferkette prüfen müssen, sondern nur noch ihre direkten Geschäftspartner. Das bedeutet weniger Kontrolle bei Zulieferern in anderen Ländern – zum Beispiel bei Rohstoffhändlern oder Subunternehmern.

Mit dem Vorschlag wollen die EU-Mitgliedstaaten auch die Unternehmenspflichten zur Nachhaltigkeit vereinfachen. Der Entwurf umfasst zwei Regelwerke: die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Unternehmen zur Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet, sowie die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D bzw. CSDDD), die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten regelt. Ziel ist es, Berichtspflichten zu reduzieren und kleine Unternehmen weniger stark zu belasten.

Kritik von Organisationen

Viele Organisationen kritisieren die geplanten Änderungen. Sie befürchten, dass Menschenrechtsverletzungen und Umweltprobleme nicht mehr aufgedeckt werden. Besonders Kinderarbeit und Zwangsarbeit könnten in entfernten Teilen der Lieferkette weiterhin vorkommen – ohne dass europäische Unternehmen dafür Verantwortung übernehmen müssen.

Die Initiative Lieferkettengesetz nennt die Vorschläge „einen massiven Rückschritt“. Sie fordert, dass das Europäische Parlament die Vorschläge im nächsten Schritt – dem sogenannten Trilog – ablehnt und sich für starke Regeln einsetzt. Auch WWF Deutschland äußert scharfe Kritik:

Der Vorschlag zur Abschwächung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) konterkariert die ursprünglichen Ziele der Verordnungen und macht sie zu wirkungslosen Mogelpackungen.

Was bedeutet das für Deutschland?

In Deutschland wären von den bisher 5.500 betroffenen Unternehmen nur noch weniger als 300 von der CSRD und CSDDD betroffen, rechnet WWF vor. Das bedeutet, dass über 90 Prozent der Firmen, die ursprünglich unter die Regelungen gefallen wären, sich künftig nicht mehr daran halten müssten. Für viele mittelständische Logistikfirmen und Speditionen bringt das Erleichterung – sie müssten keine umfangreichen Prüfungen ihrer Lieferketten mehr durchführen.

Gleichzeitig gibt es politischen Streit: Bundeskanzler Friedrich als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten sich sogar für die Abschaffung des EU-Gesetzes ausgesprochen. Andere Mitglieder der Bundesregierung – wie Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan und Finanzminister Lars Klingbeil – haben das kritisiert. Sie fordern, dass deutsche Unternehmen weiterhin Verantwortung übernehmen sollen.

Wirtschaft oder Verantwortung?

Befürworter der Lockerung betonen, dass europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt werden dürften. Kritiker hingegen warnen vor einem Verlust an Kontrolle und Transparenz in den globalen Lieferketten.

Die Verhandlungen über die endgültige Fassung des Lieferkettengesetzes sollen im Trilogverfahren zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten voraussichtlich im Herbst 2025 beginnen.

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