Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Halten Sie dieses Zeitmaß in der Transport-und Logistikbranche für realistisch?
Christina Thurner, Vorstand LOXXESS AG: Es ist in der aktuellen Lage schwer zu sagen, ob wir bis zum Jahr 2045 die Klimaneutralität in Deutschland erreichen können. Was unser Unternehmen und darüber hinaus die Transport- und Logistikbranche betrifft, würde ich mir von der Politik klare Rahmenbedingungen wünschen. Wir stellen immer wieder fest, dass Logistik – obwohl die Verbraucherinnen und Verbraucher, Handel und Produktion auf sie angewiesen sind – etwa in den Kommunen nicht die Akzeptanz und Wertschätzung erfährt, die ihrer volkswirtschaftlichen Relevanz angemessen wäre. Die vielfältigen Bemühungen von Logistikunternehmen, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Logistikimmobilien zu errichten und ESG-Kriterien umzusetzen, werden oft noch nicht wahrgenommen. Hier sehe ich noch großes Potenzial.
Wie hat sich in letzter Zeit das Verständnis von Nachhaltigkeit in der Branche verändert?
Ich denke, implizit steckt es schon immer in der DNA von uns Logistikerinnen und Logistikern. Gute Logistik ist effizient, spart Kosten, Zeit, Platz und Transportkilometer. Schon ganz früh in der Planung fragen wir uns, wie wir die Prozesse möglichst effizient umsetzen können. Dabei können oft signifikante Synergien in puncto Nachhaltigkeit und CO2-Einsparungen erzeugt werden. Darüber hinaus prüfen wir, inwiefern erfolgreiche Pilotprojekte auch an weiteren Standorten mit entsprechenden Anpassungen ausgerollt werden können.
Welchen Stellenwert haben Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen? Welche Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt?
Wir sind ein Familienunternehmen in dritter Generation, daher spielt Nachhaltigkeit in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht eine wichtige Rolle in unserem Handeln. So kommen wir unserem Ziel näher, der vierten Generation ein gesundes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Unternehmen übergeben zu können.
Unsere 28 Logistikstandorte betreiben wir möglichst energieeffizient und sparen beispielsweise durch den Bezug von Ökostrom CO2-Emissionen ein. Darüber hinaus prüfen wir in unseren Logistikprozessen alle Stellschrauben, die uns erlauben, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Das kann beispielsweise der Einsatz von Mehrwegtransportboxen aus recyceltem Plastik sein, die eine deutlich höhere Lebensdauer als Kartonboxen aufweisen.
Was waren die größten Herausforderungen? Welche Fehler sollte man vermeiden?
Bevor es an die Definition konkreter Maßnahmen geht, muss erst einmal Transparenz über die eigene Klimabilanz hergestellt werden. Sonst setzt man Dinge um, ohne hinterher konkret den Erfolg messen zu können. Deshalb setzen wir im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie und insbesondere unserer Teilnahme an der Lean and Green-Initiative der GS1 Germany auf die Zusammenarbeit mit dem Tool planetly, mit dessen Hilfe wir einen Überblick über unsere Emissionen erhalten. Das Ziel der Teilnahme ist, unseren CO2-Ausstoß innerhalb von fünf Jahren um 20 Prozent zu senken.
Im nächsten Schritt geht es darum, sinnvolle und wirksame Maßnahmen zu definieren, ohne den Servicegrad gegenüber den Kunden oder den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu mindern. Hierbei gilt: es gibt kein „one size fits all“ – jeder Kunde, jeder Logistikprozess und jeder Standort hat seine eigenen Besonderheiten, die es auch im Rahmen von emissionsreduzierenden Maßnahmen zu berücksichtigen gilt. Wir setzen hier auf eine vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit mit unseren Kunden, um gemeinsam zu überlegen, welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen implementiert werden können.
Dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, belegt auch die Abnahme unseres Lean and Green-Aktionsplans durch den TÜV NORD CERT, deshalb wurde uns auf dem diesjährigen Handelslogistikkongress der Lean and Green Award verliehen.
Wie sensibilisieren Sie Kunden und Partner für das Thema?
Unser Ansatz der Transparenz und Kooperation kommt bei unseren Geschäftspartnern gut an. Die Logistik ist beim Thema Nachhaltigkeit schon sehr viel weiter, als in der Öffentlichkeit vermutet wird. Damit treffen wir den Nerv der Zeit, denn auch unsere Kunden sind stark für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert. Gemeinsam können wir wertvolle Synergien entlang der gesamten Wertschöpfungskette erzielen. Zudem begleiten wir das Thema durch aktive Kommunikation auf unseren eigenen Kanälen, Engagement in der Logistik durch die BVL (Bundesvereinigung Logistik) und die Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ sowie intensiven und offenen Austausch bei Events und Veranstaltungen in der Branche. Die globale Herausforderung Klimawandel führt dazu, dass Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige sich vernetzen, Know-How und Best Practices austauschen und so schneller wirksame Nachhaltigkeitskonzepte realisiert werden können.