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Foto: PANION

Interview: Noch gibt es keine One-Size-Fits-All-Lösungen für den Mobilitätswandel

Die Zukunft des Transportwesens ist elektrisch, behauptet das in Berlin ansässige Start-up PANION.  Allerdings müssen Flottenkunden, die Fahrzeug- und Ladeindustrie, die Energiewirtschaft und auch die Behörden an einem Strang ziehen. In unserem Interview erklärt CEO Markus Kröger, was noch passieren muss, damit Elektromobilität tatsächlich zu einem Massenmarkt wird.

Lesezeit 10 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: PANION setzt sich das Ziel, Betreibern von Fahrzeugflotten den Umstieg auf die Elektromobilität zu erleichtern. Wie soll das funktionieren?

Markus Kröger, CEO von PANION: Was genau macht PANION? Als Software-Unternehmen konzentrieren wir uns auf die Elektrifizierung depotbasierter Fahrzeugflotten. Ganz konkret zielen wir auf die Anbieter der sogenannten “Last- und Middle-Mile”, die mit ihren Transportern und LKW die Logistik zwischen Lagerhäusern, Distributionszentren und den Endabnehmern der Waren umsetzen. Wir sind ebenso ein Tochterunternehmen der global tätigen ABB eMobility, so dass unsere Kunden – falls gewünscht – auch von der Hardware in Form der Ladeinfrastruktur bzw. der Ladesäulen profitieren. Wir bieten somit also auch End-2-End Solutions.

Unser Ziel ist immer klar: Der Umstieg ist zwar hochkomplex, wir wollen es unseren Kunden aber so einfach wie möglich machen. Wobei es natürlich ein Unterschied ist, ob Unternehmen bereits erste Schritte der Elektrifizierung gegangen sind oder noch ganz am Anfang stehen und demnach Faktoren wie eigene Ladesäulen noch absolutes Neuland sind.

Ganz konkret analysieren wir für unsere Kunden alle Fahrzeuge einer Flotte, die entsprechenden Zeitpläne der Fahrer, die täglichen Routen und auch die dazugehörigen Distanzen. Alles wichtige Aspekte für die Aufrechterhaltung des operativen Geschäftes.

Diese Daten bringen wir in einem weiteren Schritt mit den besonderen Anforderungen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in Einklang. Auch hier einige Beispielparameter: Der prognostizierte Stromverbrauch pro Fahrzeug und Tour, die technischen Gegebenheiten vor Ort, die Kosten für Unterhalt und Strom, die aktuelle staatliche Förderung und so weiter.

Sie merken schon, alles in allem eine strikt datenbasierte Analyse, die zunächst einmal die Grundlage für die weitere Elektrifizierung schafft. Im Ergebnis wissen wir dann, welcher Teil des Fuhrparks als erstes durch E-Modelle ersetzt werden kann. Gemeinsam mit dem Kunden erarbeiten wir einen Überblick zu den wichtigsten Meilensteinen und den weiteren Weg zur Digitalisierung aller Abläufe. Letztlich übergeben wir eine Art Autopiloten für den künftigen reibungslosen und ökonomischen Betrieb der Flotte.

Mit welchen Kosten müssen Ihre Kunden rechnen?

Die Kosten für unsere Leistungen lassen sich so pauschal nicht beziffern, sie liegen aber deutlich unter dem Einsparungspotential, das wir für die Kunden am Ende realisieren. Dabei kommt es außerdem auf den aktuellen Status der Elektrifizierung beim Kunden an, genauso wie auf die Größe der Flotte, die Art der Fahrzeuge und die Komplexität der bestehenden Depot- und Logistikprozesse.
Ganz grundsätzlich gesprochen: Eine rechtzeitig aufgestellte, kluge Transformationsstrategie spart von Anfang an bares Geld, da teure Fehlinvestitionen vermieden werden. Ohne datengestützte Analyse ist es unmöglich, beim Kauf neuer Fahrzeuge und Charger-Stationen sowie der Umsetzung des ganzen Change-Managements den tatsächlichen Bedarf zu treffen. Im “worstcase”-Fall gefährden sie damit sogar entscheidende Betriebsabläufe.

Sie konzentrieren sich vor allem auf Mixed-Flotten. Warum?

Weil fast alle auf ihrer Reise zur Mobilitätswende noch am Anfang stehen! Kein Unternehmen kann und wird über Nacht seine Flotte voll-elektrifizieren – das ist weder realistisch noch sinnvoll. In der Regel wird es kurz- bis mittelfristig zur Koexistenz von konventionellen Verbrennern und elektrisch betriebenen Fahrzeugen kommen. Hybride Lösungen sind in einigen Unternehmen bereits Realität.

Aber selbst mit einem auf absehbarer Zeit hohen Anteil konventioneller Fahrzeuge macht es einen Unterschied, ob die Flotte mit einer Software wie der von PANION gesteuert wird oder eben mit veralteten Programmen bis hin zu sogar händischen (!) Lösungen. Letzteres ist tatsächlich immer noch Alltag in vielen Unternehmen, wie wir bei einer selbst in Auftrag gegebenen Befragung unter deutschen Flottenmanagern Anfang 2022 herausgefunden haben.

Mit Batterie-Elektrischen-Fahrzeugen (BEV’s) – und die werden ja kommen! – steigt aber die Komplexität in den Fuhrparks derart rasant, da wird auch die cleverste Tabelle nicht mehr ausreichen!

Welche Fahrzeuge im Fuhrpark sollten zuerst elektrifiziert werden?

Gute Frage! Aber sie ist nur gefühlt wichtig, sie greift nämlich zu kurz und wird aus der zu einseitigen Fahrzeug-Perspektive gestellt. Wir von PANION blicken nicht nur auf alle Daten des jetzigen Fuhrparks, sondern auch auf die bestehenden Logistikrouten, dazu den Faktor Mensch bzw. Fahrer und nicht zuletzt auf die Menge und die Kosten für den benötigten Strom. Und wie schon gesagt muss auch die Ladeinfrastruktur für jedes Unternehmen völlig individuell betrachtet werden.

Für den PANION-Ansatz möchte ich es mal so zusammenfassen: Statt Management by Gefühl stehen wir für einen klaren Plan und eine datenbasierte Umsetzung!

Der Kauf von E-LKW ist nur der erste Schritt in Richtung Flotten-Elektrifizierung. Welche Schritte sind noch zu gehen?

Neue E-Transporter oder -LKW machen sich erstmal toll auf dem Firmengelände, doch wo diese laden? Und mit wie viel Strom und wann am günstigsten?

Wir beobachten Firmen, die zwar vorausschauend eigene Ladestationen vor Ort installieren, dann aber feststellen, dass die verfügbare Energie gar nicht ausreicht. Oder aber die Charger durch ihre physische Platzierung sogar die bestehenden Betriebsabläufe stören.

Flottenverantwortliche müssen bereits mit einem (teil)elektrischen Fuhrpark wissen, wer wann wo mit welchem Fahrzeug laden muss und wie viel Energie für die nächste Route überhaupt gebraucht wird. Nur eine softwaregetriebene Optimierung der Prozesse sowie die automatische Steuerung von Fahrern und Fahrzeugen vermeidet zu viel und auch zu teure Stromnutzung. Oder schlimmstenfalls Stillstand wegen entleerter Batterien.

Unser ganz dringender Rat: Noch vor dem Fahrzeugkauf unbedingt mit der Planung und der Digitalisierung der Prozesse beginnen. Das vermeidet viele böse Überraschungen.

Was muss passieren, dass Elektromobilität tatsächlich zu einem Massenmarkt wird. Wo liegen aktuell noch die Hürden?

Der Massenmarkt zur Elektromobilität wird kommen, so viel ist inzwischen klar. Aber zumindest für dieses Jahrzehnt müssen die Beteiligten wissen, dass es für den Mobilitätswandel noch keine One-Size-Fits-All-Lösungen geben wird. Umso mehr kommt es darauf an, dass neben den Flottenkunden auch die Fahrzeug- und Ladeindustrie, die Energiewirtschaft und bitte auch die Behörden an einem Strang ziehen müssen. Weniger unnötige Bürokratie und bessere gezielte Förderungen sollte es diesem Land wert sein, wenn es um so eine wichtige zukunftsweisende Entwicklung wie der Verkehrswende geht.

Im Moment gibt es relativ viele Fördermöglichkeiten für die Elektrifizierung des Fuhrparks. Wird Elektromobilität in der Flotte ohne Zuschüsse an Schwung verlieren?

Der Wegfall der bisherigen Fördermöglichkeiten kann die Dynamik der Transformation sicherlich etwas dämpfen, das Thema Elektrifizierung bleibt aber trotzdem für fast alle Flottenbetreiber ein unausweichliches Thema. Die EU hat nun mal für 2030 ein Neuzulassungsverbot für Verbrenner beschlossen und Unternehmen, die in Zukunft ihre Fahrzeuge innerhalb von Städten und Ballungsgebieten bewegen wollen, haben schlichtweg keine Alternative.

Eine weitere Schwäche von E-Autos ist die relativ geringe Reichweite. Welche Entwicklung erwarten Sie künftig auf diesem Gebiet?

Sie spielen auf die schon legendäre Reichweitenangst an. Diese kann ich Ihnen aber schon heute nehmen. Zwar sind Reichweite der Fahrzeuge wie auch die Verfügbarkeit von Ladepunkten nach wie vor relevante Themen, aber gerade in den letzten ein bis zwei Jahren hat nicht zuletzt die Batterieentwicklung einen riesigen Sprung nach vorne gemacht! Regelmäßig übertreffen sich diverse Hersteller mit neuen Rekordmeldungen über Distanzen, die sie mit einer Ladung und unter realistischen Bedingungen zurückgelegt haben. Diese Dynamik spricht also für sich.

Und schauen wir uns doch mal die durchschnittlichen Entfernungen an, die zum Beispiel Last- oder Mid-Mile-Fahrzeuge im Alltag zurücklegen. Gut 250 km sind Distanzen, die bereits heute problemlos von BEV’s erfüllt werden.

Wichtig ist eher die sogenannte smarte Ladeplanung oder das, was wir PANION Charging nennen. Hier werden der „State of Charge”, das heißt der aktuelle Ladezustand, der Fahrzeugstandort, die Ladepunkte, die laufende Route und die geplante Tour miteinander kombiniert, so dass Batterien inklusive einer Sicherheitsreserve immer ausreichend geladen sind, ohne jedoch unnötig viel Energie mit auf die Reise zu nehmen. Das erhöht die Effizienz im Depot und senkt die Kosten.

Was ist an der Überlastung des Stromnetzes durch E-Autos dran? Sind solche Sorgen begründet?

Nein, für Flotten- oder Depotbetreiber ist der Kollaps des Stromnetzes weniger ein Thema als die berechtigte Angst, die sogenannten „Grid Limits” zu überschreiten. Denn wenn ungeplant oder aus der Not heraus gleichzeitig zu viele Elektrofahrzeuge die bestehenden Charger nutzen, werden schnell die mit dem Stromanbieter vereinbarten Limits überschritten. Das führt nicht nur zu erheblich höheren Kosten, sondern kann mangels Stromvolumen auch das Aufladen unnötig verlängern.

Die Charging-Software von PANION soll genau das vermeiden. Diese ermittelt und steuert den benötigten Bedarf aller im System integrierten Fahrzeuge – und zwar nicht nur für den Moment, sondern auch für alle im Laufe des Tages noch hinzukommenden Autos, Transporter oder Lkw. Für jedes Fahrzeug wird automatisch, individuell und bei unvorhergesehenen Zwischenfällen auch flexibel ein individueller Ladeplan erstellt. Der Flottenmanager behält so über das System jederzeit die Kontrolle, bleibt innerhalb der Netz-Limits und sorgt für die operative Zuverlässigkeit.

Welche Empfehlungen würden Sie an die Politik für die Elektromobilität geben?

Nicht nur die Politik, sondern wir alle brauchen einen Masterplan Elektrifizierung. Wir müssen die Verkehrswende als das verstehen, was sie ist: Als dringende gesellschaftliche Verpflichtung für eine umweltschonende und nachhaltige Mobilität.

Um diese Vision zu erreichen, müssen Politik, Zulassungsbehörden, Fahrzeughersteller und auch die Anbieter der Ladetechnik vielmehr an einem Strang ziehen, um tatsächlich möglichst bald eine saubere, elektrische Wirklichkeit vorzufinden und die Verbrenner zu verbannen. Noch wird die Entwicklung beispielsweise gestört durch fehlende Standards bei der Ladetechnik, Ladetempo und sogar bei der Abrechnung. Auch die Weigerung einzelner Hersteller, wichtige Fahrzeugdaten für das Flottenmanagement zur Verfügung zu stellen, muss sich ändern.

Der Staat hat es auf jeden Fall in der Hand, die Voraussetzungen für den Verkehr der Zukunft noch zielgenauer zu gestalten. Da lohnt auch der Blick in andere Länder wie zum Beispiel Norwegen, die nicht nur den Ausbau von öffentlichen Ladesäulen massiv vorangetrieben hat, sondern den Umstieg auf Elektromobilität auf vielen Ebenen gleichzeitig belohnt: Ob mit Förderungen beim Kauf und dem Unterhalt der Fahrzeuge oder mit sichtbaren Vorteilen im Straßenverkehr und selbst beim Parken.

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