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Rechtsgutachten: Sektorales Lkw-Fahrverbot in Tirol ist rechtswidrig

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Aus einem Rechtsgutachten zum sektoralen Fahrverbot in Tirol, das vom Europarechtsexperten Prof. Dr. Peter Hilpold verfasst und am 9. Februar 2021 vorgestellt wurde, ergibt sich, dass es unverhältnismäßig und in der Folge EU-rechtswidrig sei. Gestern wurde das Rechtsgutachten auch in Deutschland im Beisein des Europaparlamentariers Markus Ferber und der bayerischen Verkehrsministerin Kerstin Schreyer vorgestellt. Außerdem wird es der Europäischen Kommission übermittelt. Das berichtet die Handelskammer Bozen.

Wie die Handelskammer Bozen erklärt, wird in dem von Prof. Dr. Hilpold (Europarechtsdozent an der Universität Innsbruck) verfassten Rechtsgutachten das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum sektoralen Fahrverbot im Jahr 2011 analysiert.

In diesem Richterspruch hat der EuGH die Kriterien vorgegeben, anhand derer die Konformität des sektoralen Fahrverbots mit dem Unionsrecht gemessen werden muss. Insbesondere gilt es, die Frage der Verhältnismäßigkeit eindeutig zu klären. Im Jahr 2011 kam der EuGH zum Schluss, dass die Kriterien nicht erfüllt waren und daher das sektorale Fahrverbot klar unionsrechtswidrig war, heißt es in einer Mitteilung der Handelskammer Bozen.

Auch die Konformität wurde überprüft

Das neue sektorale Fahrverbot wurde auch hinsichtlich der Konformität überprüft. Dabei sei bemängelt worden, dass die Wahl der „bahnaffinen Güter“ beim Fahrverbot willkürlich und diskriminierend getroffen wurde. So ergebe sich z. B. beim Gut „Getreide” ein klarer Wettbewerbsnachteil für die Südtiroler Industrie durch das sektorale Fahrverbot.

Weiters scheine es keine Maßnahmen zur Vermeidung von Umgehung und Missbrauch des Verbots durch Tiroler Firmen zu geben. Kürzlich hat auch die Europäische Kommission auf eine Anfrage des EU-Parlaments geantwortet, dass ihr keine diesbezüglichen Maßnahmen bekannt seien. Und dies, obwohl Österreich gegenüber dem EuGH im Jahr 2011 solche Maßnahmen versprochen hatte.

Die Umgehungs- und Missbrauchsgefahr sei nach Auffassung der Handelskammer Bozen vor allem auf die Anwendung der Quell- oder Zielverkehrsregelung beim Tiroler Fahrverbot zurückzuführen.

Der EuGH hatte 2011 gewisse Ausnahmen für regionale Verkehre vom sektoralen Fahrverbot zugelassen, Tirol hat die Ausnahme allerdings auch auf Fernverkehre mit Quelle oder Ziel in der Tiroler Kernzone ausgeweitet. Die Einbeziehung von Fernverkehren in diese Ausnahmeregelung widerspricht der gesamten Logik der Ausnahme für regionale Verkehre und ist damit auch EU-rechtlich nicht haltbar, heißt es in der Mitteilung weiter.

In Bezug auf die umweltpolitische Zielsetzung des Verbots wird die Frage gestellt, ob angesichts der Luftwertdaten, welche seit Jahren besser werden und Großteils die EU-Vorgaben bereits erfüllen, weitere Beschränkungen zulässig seien.

Die damit zu erzielenden Verbesserungen der Luftwerte stehen in keinem Verhältnis zu den Beeinträchtigungen für den freien Warenverkehr. Die Verbesserungen in der Technik, die technologische Innovation, die laufend zur Senkung der Schadstoffemissionen bei den Lkws führt, muss auch zu einer Anpassung bei den beschränkenden Maßnahmen führen, erklärt die Handelskammer.

Hintergrund

Das sektorale Lkw-Fahrverbot für verschiedene Industriegüter und Baustoffe (mit Ausnahmen für innerösterreichische Beförderungen) gilt seit 2016 und wurde zum 1. Januar vergangenen Jahres noch verschärft . Offizielles Ziel der Regelung ist es, die Luftqualität vor Ort zu verbessern sowie Menschen und Umwelt zu schützen. Außerdem werden Lastwagen an manchen Tagen nur blockweise von Bayern nach Österreich gelassen, was  in der Regel zu schwerwiegenden Verkehrsbehinderungen und kilometerlangen Staus führt.

Die im Dezember 2020 erfolgte Blockabfertigung der österreichischen Behörden sorgte für massiven Stau und viel Unverständnis auf bayerischer Seite. Die Verkehrslage bei Kufstein war dramatisch. Der Stau an der deutsch-österreichischen Grenze erreichte beinahe 80 km.

Foto: Twitter

 

 

 

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