Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Was hat sich im vergangenen Jahr in der Transport-und Logistikbranche geändert?
Andreas Rinnhofer, Geschäftsführer der INN-ovativ KG: Die wesentlichen Veränderungen im letzten Jahr waren meines Erachtens der starke Anstieg der Frachtpreise und die exponentielle Verschärfung des Fachkräftemangels. Egal ob gewerbliche oder kaufmännische Angestellte – viele Unternehmen der Logistikbranche suchen händeringend Personal und werden zunehmend erfinderisch, was ihre Rekrutierungsstrategien anbelangt.
Ich sehe da durchaus auch einen positiven Nebeneffekt, wenn dadurch Prozesse in Unternehmen bis auf‘s Äußerste strapaziert wurden. Es macht den Verantwortlichen in Betrieben klar, wo ihre Schwachstellen liegen, und zeigt ganz deutlich, wo Lücken nachgebessert werden müssen. Die derzeitigen Herausforderungen können also auch großes Potenzial mit sich bringen, wenn man es erkennt und zu nutzen weiß.
Ohne was geht es gar nicht mehr?
Angesichts der derzeitigen Herausforderungen ist es inzwischen essentiell, sich Gedanken über eine effiziente Recruiting-Strategie zu machen. Die Mitarbeitersuche ganz konventionell auf Job-Inserate in Zeitungen oder Online-Portalen zu beschränken und dann auf Bewerbungen zu hoffen, reicht in der aktuellen Situation einfach nicht mehr aus.
Außerdem spielt die Einarbeitung natürlich eine umso entscheidendere Rolle, wenn man vermehrt Quereinsteiger einstellen muss, anstatt auf qualifiziertes Personal mit Fachwissen zurückgreifen zu können. Deshalb ist es inzwischen notwendig, an schlanken Prozessen für die betreffende Stellen zu arbeiten, d. h. Abläufe überdenken, optimieren und festlegen. Nur wenn hinter der jeweiligen Tätigkeit ein System steht, bietet das dem Mitarbeiter ein optimales Setup, sodass sich der Aufwand für seine Einarbeitung massiv reduziert und die Effizienz deutlich steigert.
Welche Trends und Entwicklungen werden das Jahr 2022 prägen?
Ich gehe davon aus, dass uns in der Branche weiterhin die praxistaugliche Umsetzung des EU-Mobilitätspakets beschäftigen wird – besonders deshalb, weil es mit seinen Regelungen die Probleme der Personalknappheit nicht abmildert. Im Gegenteil. Natürlich ist der gestärkte Sozialschutz für Fahrer, z. B. durch das regelmäßige Rückkehrrecht, absolut zu begrüßen. Dennoch muss die Branche Wege finden, die dadurch reduzierten Personalressourcen zu kompensieren.
Außerdem sehe ich als absoluter Digitalisierungsfan großes Potenzial in der Digitalisierung der Lieferketten. Zu einer der schwerwiegendsten Folgen der Pandemie gehört unter anderem eine Volatilität im Markt, auf die wir uns wohl längerfristig einstellen müssen. Was wäre hier geeigneter als digitale Instrumente, um Lieferketten agiler zu gestalten und damit flexibler auf instabile Marktsituationen reagieren zu können?
Auch die Informationsvermittlung innerhalb von Unternehmen muss komplett neu gedacht werden. Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen machen Schulungsveranstaltungen seit nunmehr zwei Jahren nur mit großem Aufwand möglich. In vielen Bereichen hat man aus der Not eine Tugend gemacht, digitale Lösungen implementiert und diese Alternativen wie Zoom-, Teams- und Skype-Meetings inzwischen schätzen gelernt. Das allseits bekannte Intranet dagegen ist für die Zwecke der Informationsvermittlung eher aus der Mode gekommen. Denn bis auf die Up- und Download-Möglichkeit von Dateien und Dokumenten bietet es meist nicht viel mehr Funktionen. Vor allem in Sachen Arbeitssicherheit sind Arbeitgeber jedoch darauf angewiesen, den Schulungserfolg beispielsweise mit einem Wissenstest zu überprüfen und die Erfüllung ihrer Unterweisungspflicht rechtssicher zu dokumentieren. Auch die mobile Verfügbarkeit von Schulungsinhalten außerhalb des Firmennetzwerks ist inzwischen ein wichtiges Kriterium für modernes und effizientes Informationsmanagement. Solche Funktionen nutzen Arbeitgeber mit der Implementierung eines Lern Management Systems in ihrem Betrieb. Mit Spedifort stellen wir ein E-Learning-System speziell für die Logistikbranche zur Verfügung.
Welcher Trend ist für Sie am wichtigsten und warum?
Es war in meinen vorherigen Antworten wahrscheinlich schon deutlich zu erkennen, dass ich ganz stark auf das Thema Prozesse setze. Nur mit genau definierten Aufgaben und Abläufen für sämtliche Bereiche haben wir eine Chance, trotz sich immer weiter verschärfendem Fachkräftemangel weiterhin den Bedarf an Logistikdienstleistungen zu decken. Nur so können wir Quereinsteiger, auf die wir in der Branche inzwischen dringend angewiesen sind, erfolgreich und effizient in den Logistikalltag integrieren. Und weil Quereinsteiger einen höheren Bedarf an Fachinformationen und Handlungsanleitungen haben, ist ein professionelles Schulungsmanagement im Unternehmen unerlässlich.
Welche Herausforderungen stellen diese Trends und Entwicklungen für Unternehmen dar? Wie können Unternehmen diese gut meistern?
Transport- und Logistikunternehmen stehen unter einem hohen Wettbewerbsdruck. Schon das Tagesgeschäft nimmt Mitarbeiter stark in Anspruch. Viele entwickeln daher eine Abwehrhaltung, wenn es um die Einführung neuer Lösungen geht, weil sie eine zusätzliche Belastung fürchten. Daher interessiert man sich in der Regel erst für Modernisierungen, wenn der Schmerz zu groß wird. Dabei liegt das Geheimnis aber genau darin, frühzeitig die Trends zu erkennen und den Betrieb proaktiv anzupassen.