Der jüngste Schritt der deutschen Reederei ist eine Reaktion auf die Situation in den Häfen der Ostküste, die von Streiks bedroht sind. Die von der International Longshoremen’s Association (ILA) vertretenen Hafenarbeiter drohen, aufgrund eines Streits mit den der United States Maritime Alliance (USMX) angeschlossenen Arbeitgebern, die Arbeit in Dutzenden von Häfen an der Ostküste und im Golf von Mexiko niederzulegen.
Bei dem Streit geht es um einen neuen Vertrag für Hafenarbeiter. Die Verhandlungen waren im Juni dieses Jahres gescheitert, weil die ILA Maersk vorwarf, in einem seiner Häfen automatisierte Verfahren einzusetzen. Die ILA-Führung droht mit einem Streik der 45.000 Mitglieder in Dutzenden von Häfen ab dem 1. Oktober dieses Jahres. Darüber hinaus drohte die Organisation kürzlich mit der Gründung einer globalen Gewerkschaftsinitiative, die Streiks koordinieren und Arbeitgeber durch gleichzeitige Proteste an mehreren Orten zu Zugeständnissen zwingen könnte.
Nicht nur Hapag-Lloyd erhebt zusätzliche Gebühren
Hapag-Lloyd ist jedoch nicht die einzige Reederei, der beschlossen hat, zusätzliche Gebühren für die Schifffahrt einzuführen. Anfang September kündigte die weltweit größte Reederei MSC an, ab dem 1. Oktober für Fahrten von Europa zu Häfen an der US-Ostküste und im Golf von Mexiko einen zusätzlichen Aufschlag von 1.000 Dollar pro TEU und 1.500 Dollar pro 40-Fuß-Container zu erheben.
Im Gegensatz dazu wird der drittgrößte Anbieter, CMA CGM, ab dem 11. Oktober für Einfuhren in streikgefährdete Häfen einen Zuschlag von 1.500 Dollar pro TEU und für Ausfuhren aus diesen Häfen 800 Dollar pro TEU und 1.000 Dollar pro 40-Fuß-Container verlangen.
Los Angeles profitiert bereits
Obwohl der Streik noch nicht begonnen hat, wirkt sich bereits das Risiko auf die Lieferketten aus. Reedereien wandern aus den streikbedrohten Häfen im Osten und Süden der USA zu Häfen an der Westküste ab. Wie der Hafen von Los Angeles berichtet, hat die Anlage in der “Stadt der Engel” im August 960.000 TEU umgeschlagen – das beste Ergebnis seit dem Pandemie-Boom. Das ist eine Verbesserung um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die europäischen Häfen erreichten in der ersten Jahreshälfte ein ähnliches Niveau wie im Vorjahr. Der Hafen von Los Angeles-Long Beach hat nach acht Monaten des Jahres bereits mehr Güter umgeschlagen als im gesamten Jahr 2023. Der Anstieg des US-Konsums spielt eine Rolle, doch auch die schrittweise Umleitung von Ladungen aus den Häfen im Osten des Landes seit Juni hat zu den Steigerungen in Los Angeles beigetragen.
Die Folgen sind absehbar
Lars Jensen, ein von dem Portal The Loadstar zitierter Schifffahrtsexperte, sagt, dass die Auswirkungen des Streiks nicht sofort spürbar sein werden. Wenn ein Schiff in einem Hafen an der Ostküste anläuft und dort stecken bleibt, wird sich der Mangel an Containern, die normalerweise zurückbefördert werden sollten, seiner Meinung nach in Asien erst in etwa fünf bis sieben Wochen spürbar machen. Ein längerer Streik könnte sogar die Lieferung von Containern für das chinesische Neujahrsfest im Februar gefährden.
Andere Experten rechnen mit noch gravierenden Auswirkungen.
Wir stehen vor einer echten Katastrophe – Störungen im Roten Meer verhindern den normalen Zugang zum Suezkanal, der Panamakanal arbeitet mit reduzierter Kapazität, und der ILA-Streik wird die Hauptadern des Welthandels praktisch abschneiden, kommentierte Mike DeAngelis, Leiter der internationalen Lösungen bei FourKites, in einer E-Mail an trans.INFO.
DeAngelis geht davon aus, dass die Häfen in Kanada und an der Westküste zwar einen Teil der Ladung aus dem Osten aufnehmen werden, aber nicht die gesamte Ladung.
Der Zustrom von Fracht könnte zu wochen-, wenn nicht monatelangen Verspätungen führen, auch nach dem Ende des Streiks, sagt der FourKites-Experte. Dies könnte die Entwicklung des Seeverkehrs bis weit ins Jahr 2025 hinein beeinflussen.
Ein Streik könnte die Importeure in der Hochsaison hart treffen. Aber auch die Logistikzentrem, was sich wiederum auf die Produktion auswirken würde.
Der Streik könnte den Agrar- und Automobilsektor besonders hart treffen, erklärt DeAngelis. US-Lebensmittelexporteure könnten darunter leiden, aber auch Länder, die von der Einfuhr von US-Produkten abhängig sind. Für den Automobilsektor befürchtet der FourKites-Experte einen Produktionsrückgang aufgrund der Unterbrechung der Lieferketten.