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Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

EU-Gerichtshof urteilte heute über das Mobilitätspaket. Eine der Bestimmungen wurde für nichtig erklärt

Heute wurde am Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Urteil zu den umstrittensten Bestimmungen des Mobilitätspakets verkündet.

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Die Verpflichtung zur Rückführung von Lkw in das Land der Niederlassung des Transportunternehmens ist eine der Bestimmungen des Mobilitätspakets, die in der europäischen Transportbranche die meisten Kontroversen ausgelöst hat. Ursprünglich waren auch Anhänger und Sattelschlepper von Brüssel erfasst, aber nach zahlreichen Einsprüchen europäischer Transportunternehmen haben die EU-Behörden die Bestimmung über Anhänger und Sattelschlepper aus den Verordnungen gestrichen. Die Verpflichtung zur Rückkehr zum Standort des Unternehmens gilt nur für Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen.

Im Oktober 2020 haben Polen, Litauen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Malta, Zypern und Belgien vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Nichtigkeitsklagen gegen das Mobilitätspaket eingereicht. Zu den beanstandeten Bestimmungen gehört die umstrittene Verpflichtung, einen LKW alle acht Wochen zur Betriebsstätte zurückzuführen. Nach Ansicht Polens und der übrigen klagenden Länder hat diese Bestimmung des Mobilitätspakets negative Auswirkungen sowohl auf die Umwelt als auch auf die Geschäftstätigkeit der europäischen Spediteure und indirekt auf die Wirtschaft als Ganzes.

Im November letzten Jahres hat Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt des EuGH, eine Stellungnahme zu der angefochtenen Bestimmung abgegeben und sich damit auf die Seite der klagenden EU-Mitglieder gestellt.

Der Generalanwalt weist in seinen Schlussanträgen darauf hin, dass die „Rükkehr des Fahrzeugs“-Regelung vom Europäischen Parlament und vom Rat nicht hinreichend begründet wurde und dass die Umweltauswirkungen der erhöhten Emissionen und des erhöhten Kraftstoffverbrauchs, die sich aus der Verpflichtung zur Rückgabe der Fahrzeuge alle acht Wochen ergeben, nicht berücksichtigt wurden.

Lang erwartete Entscheidung

Das Urteil des EuGH wurde von der Branche nach den Schlussanträgen des Generalanwalts im Februar dieses Jahres in Aussicht gestellt. Das Urteil ist erst heute gefallen. Der Gerichtshof erklärte die Verpflichtung, die Fahrzeuge alle acht Wochen zum Geschäftssitz des Transportunternehmens zurückzubringen, für nichtig, weil der EU-Gesetzgeber nicht nachgewiesen hatte, dass er über ausreichende Informationen zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verfügte.

In Bezug auf die übrigen angefochtenen Bestimmungen des Mobilitätspakets wies das Gericht die Beschwerden jedoch ab. Dazu gehören:

  • das Verbot für Fahrer, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen;
  • die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, die Arbeit ihrer Fahrer so zu planen, dass diese in der Lage sind, während der Arbeitszeit alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte des Unternehmens oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen;
  • die Vorverlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation sowie allgemein die Festlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens des oben genannten Verbots und der oben genannten Verpflichtung;
  • die Wartezeit von vier Tagen, in der (gebietsfremde) Kraftverkehrsunternehmen nach einem Kabotagezyklus in einem Aufnahmemitgliedstaat nicht berechtigt sind, Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug im selben Mitgliedstaat durchzuführen;
  • die Einstufung der Kraftfahrer als „entsandte Arbeitnehmer“, wenn sie Kabotagebeförderungen, Beförderungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen, von denen keiner der Niederlassungsmitgliedstaat des Verkehrsunternehmens ist (sogenannte „Beförderungen im Dreiländerverkehr“), oder bestimmte Beförderungen im kombinierten Verkehr durchführen, so dass ihnen die im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, zugutekommen.

Im Übrigen weist der Gerichtshof das Vorbringen der klagenden Mitgliedstaaten zurück, das insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot, die gemeinsame Verkehrspolitik, den freien Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Warenverkehr, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie den Umweltschutz betrifft. Nach seiner Auffassung hat der Unionsgesetzgeber die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums in diesem Bereich nicht offensichtlich überschritten.

Der EuGH verwies darauf, dass das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder die Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, nicht neu sei, sondern ergab sich bereits aus der früheren Regelung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.

Die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, es den Fahrern zu ermöglichen, regelmäßig zur Betriebsstätte des Unternehmens oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichszeit zu beginnen oder zu verbringen, hindert die Fahrer nach Ansicht des EuGH nicht daran, selbst den Ort zu wählen, an dem sie ihre Ruhezeit verbringen wollen.

“Darüber hinaus können die Unternehmen diese Rückkehr mit einer Rückkehr der Fahrzeuge zu ihrer Betriebsstätte im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeiten verknüpfen oder sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln planen, so dass sich diese Verpflichtung nicht unbedingt negativ auf die Umwelt auswirkt”, erklärt der EuGH weiter.

Was die Entsendevorschriften betrifft, hat der Unionsgesetzgeber für jede Art von Straßenverkehr die Verbindung der erbrachten Dienstleistung zum Aufnahmemitgliedstaat bzw. zum Niederlassungsmitgliedstaat berücksichtigt, um einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen in Rede stehenden Interessen zu erreichen”, unterstreicht der EuGH.

Diese Vorschriften wurden durch das Mobilitätspaket in Bezug auf die Kabotagebeförderung nicht geändert, während sie sich für Beförderungen im „Dreiländerverkehr“ im Wesentlichen bereits aus dem früheren rechtlichen Rahmen ergaben.

So soll insbesondere mit der Wartezeit für die Kabotage entsprechend dem mit der früheren Regelung bereits verfolgten Ziel gewährleistet werden, betont der EuGH, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

Während dieser Wartezeit sind lediglich Kabotagebeförderungen im Aufnahmemitgliedstaat verboten, nicht aber die Durchführung anderer Beförderungen wie grenzüberschreitender Beförderungen in den Niederlassungsmitgliedstaat oder in andere Mitgliedstaaten, gegebenenfalls gefolgt von Kabotagebeförderungen in diesen anderen Mitgliedstaaten”, heißt es in der Mitteilung des EuGH.

Keinerlei Diskriminierung

Der Gerichtshof entscheidet ferner, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Mobilitätspaket die Wahrung eines neuen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen beabsichtigt hat, nämlich insbesondere dem Interesse der Kraftfahrer, in den Genuss besserer sozialer Arbeitsbedingungen zu kommen, und dem Interesse der Arbeitgeber, ihre Beförderungstätigkeiten zu fairen wirtschaftlichen Bedingungen auszuüben”.

Nach Ansicht des EuGH, stehen die zu diesem Zweck erlassenen Vorschriften in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel.  Der Gerichtshof stellte zudem fest, dass sie unterschiedslos in der gesamten Europäischen Union gelten und diskriminieren keine Verkehrsunternehmen mit Sitz in vermeintlich „an der Peripherie der Union“ gelegenen Mitgliedstaaten.

Wenn sich diese Vorschriften auf bestimmte Unternehmen stärker auswirken sollten, dann deshalb, weil diese sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, an Empfänger zu erbringen, die in von ihrem Niederlassungsmitgliedstaat weit entfernten Mitgliedstaaten ansässig sind”, fügt der Gerichtshof in seinem Urteil hinzu.

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