Der HCOB Einkaufsmanagerindex für die Industrie der Eurozone stieg im Mai auf 47,3 Punkte, verglichen mit 45,7 im April – der höchste Wert seit März 2023. Somit schrumpfte der Sektor mit der geringsten Rate seit über einem Jahr.
Die Industrie-PMIs stiegen in den meisten der erfassten Länder. In Deutschland und Frankreich, den größten Volkswirtschaften im Euroraum, verlangsamte sich der Abwärtstrend, wobei Deutschland weiterhin am schlechtesten abschnitt. Im Gegensatz dazu erlebten Spanien und die Niederlande einen Aufschwung, mit dem stärksten Wachstum der Industriesektoren seit 2022. Griechenland blieb Spitzenreiter, obwohl sich das Wachstum auf ein Viermonatstief abschwächte.
Deutschland setzt möglicherweise bald zu einem Überholmanöver an. Zwar belegt das Land trotz eines deutlichen Anstiegs des HCOB PMI unter den vier großen Euroländern weiterhin den letzten Platz, ist Italien aber dicht auf den Fersen. Denn in Italien, das bis vor kurzem noch als Outperformer gegolten hatte, hat sich die Lage zusehends verschlechtert. Mit nur geringem Abstand folgt Frankreich, wo sich der Industriesektor in den letzten Monaten weniger stark verbessern konnte als in Deutschland. Nur Spanien scheint bis auf Weiteres uneinholbar zu sein, es ist derzeit das einzige unter den Euro-4 Ländern mit einem wachsenden Industriesektor, kommentiert Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.
Die Produktion stabilisierte sich im Mai in der Eurozone nahezu. Zwar gab es erneut einen Rückgang, jedoch nur minimal und mit der geringsten Rate seit über einem Jahr. Der erneute Rückgang der Aufträge blieb ein Bremsfaktor, wenngleich das Minus so gering wie seit zwei Jahren nicht mehr ausfiel.
Beim Exportneugeschäft gab es die geringsten Verluste seit Mai 2022. Um die Produktion angesichts der weiterhin gedämpften Nachfrage zu stützen, wurden die Auftragsbestände abermals deutlich abgebaut, jedoch mit der niedrigsten Rate seit August 2022.
Aufgrund anhaltender Überkapazitäten sanken die Beschäftigtenzahlen in der Eurozone-Industrie den zwölften Monat in Folge, wobei der Stellenabbau wie im April nur moderat ausfiel.
Die Einkaufsmenge wurde im Mai mit der niedrigsten Rate seit September 2022 reduziert, da die Lagerbestände ausreichend gefüllt waren. Tatsächlich wurden die Bestände an Vormaterialien den 16. Monat in Folge abgebaut. Die Lieferzeiten für Rohstoffe und andere Produktionsmaterialien verkürzten sich erneut. Die Einkaufspreise sanken auch im Mai wieder, diesmal jedoch nur minimal und mit der niedrigsten Rate seit Beginn des Preisrückgangs im März 2023. Auch die Verkaufspreise wurden erneut reduziert.
Mit dem höchsten Wert seit Februar 2022 fielen die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist wieder überdurchschnittlich optimistisch aus.
Deutschland: Licht am Ende des Tunnels
Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland stieg im Mai den zweiten Monat in Folge auf 45,4 Punkte (April: 42,5). Obwohl der Index unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten blieb, erreichte er den zweithöchsten Stand seit 15 Monaten.
Den größten positiven Einfluss hatten die Auftragseingänge, deren Minus nicht nur schwächer als im April ausfiel, sondern auch das kleinste seit zwei Jahren war. Besonders die Nachfrage aus China und den USA zog wieder an. Auch die Produktion wurde weniger stark zurückgefahren und schrumpfte so geringfügig wie seit Mai 2023 nicht mehr. Hersteller von Vorleistungsgütern verzeichneten sogar ein solides Plus.
Endlich sieht man Licht am Ende des Tunnels. Nachdem sich das globale Umfeld im Verarbeitenden Gewerbe in den letzten Monaten schon aufgehellt hatte, scheint der Funke nun allmählich auch auf die deutschen Hersteller überzuspringen. So hat der Index Produktion im Mai einen kräftigen Satz in Richtung der 50-PunkteSchwelle gemacht und signalisiert, dass die Unternehmen ihre Fertigung im Durchschnitt kaum noch reduziert haben – die zwölf Monate zuvor hatte man durchgehend kräftige Rückgänge verzeichnet, so de la Rubia.
Die Auftragsbestände setzten ihren starken Abwärtstrend fort, obwohl der dazugehörige Index auf den höchsten Wert seit 20 Monaten stieg. Die Beschäftigung in der Industrie sank erneut, die Abbaurate blieb unverändert gegenüber dem Vormonat.
Trotz des Stellenabbaus wächst der Optimismus unter den Herstellern hinsichtlich der Wachstumschancen binnen Jahresfrist. Die Aussichten verbesserten sich zum dritten Mal in Folge und erreichten den höchsten Stand seit Februar 2022, angetrieben durch die Hoffnung auf fallende Zinsen. Die Lagerbestände sowohl der Fertigprodukte als auch der Vormaterialien sanken im Mai erneut markant. Die Einkaufsmenge schrumpfte zwar so geringfügig wie seit September 2022 nicht mehr, blieb aber stärker als der Rückgang der Produktion.
Der Wettbewerb unter den Zulieferern führte im Mai zu sinkenden Einkaufspreisen, und erstmals seit einem halben Jahr beschleunigte sich die Deflationsrate. Die Lieferzeiten verkürzten sich erneut, allerdings fiel die Verbesserung so gering aus wie seit drei Monaten nicht mehr. Um neue Aufträge zu gewinnen, gewährten viele Hersteller Rabatte, was sich im zwölften Rückgang der Verkaufspreise widerspiegelte, der sich kaum im Vergleich zum Vormonat veränderte.
Auch der von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und dem Münchener Ifo-Institut erhobene Logistikindikator für Mai 2024 verzeichnete erneut eine Aufwärtsbewegung und erreichte den besten Wert seit einem Jahr. Die befragten Unternehmen bewerten ihre derzeitige Geschäftslage besser als in der nahen Vergangenheit. Allerdings bleibt die Skepsis in Bezug auf die Geschäftserwartungen für das nächste halbe Jahr bestehen und die allgemeine Stimmung in der Branche ist weiterhin eingetrübt.