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Über 200.000 Euro im Zahlungsrückstand. Gericht gibt LKW-Fahrer nun Recht

Das belgische Transportunternehmen H.Essers muss einem rumänischen LKW-Fahrer, der vier Jahre lang für das Unternehmen gearbeitet hatte, eine Entschädigung zahlen. Dies hat letzte Woche das belgische Arbeitsgericht entschieden.

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Der vom Arbeitsgericht in Antwerpen entschiedene Fall geht auf das Jahr 2011 zurück. Damals wurde der LKW-Fahrer auf Empfehlung eines Bekannten in der rumänischen Niederlassung des belgischen Transportunternehmens H.Essers angestellt. Der Mann erhielt jahrelang den rumänischen Mindestlohn von 200 Euro, während er aber tatsächlich für H.Essers in Belgien arbeitete.

Stefan Popescu arbeitete nie in Rumänien, da er zu Beginn seiner Tätigkeit für ein unbezahltes zweiwöchiges Praktikum nach Belgien geschickt wurde. Nach seiner Ausbildung arbeitete er als Fahrer bei einem Unternehmen in Genk und fuhr hauptsächlich nächtliche Touren zwischen Belgien und Deutschland. Offiziell erhielt er 200 Euro im Monat, was dem damaligen rumänischen Mindestlohn entsprach.

In der Praxis erhielt ich zusätzlich ein Tagegeld von 40 Euro. Damit konnten gerade noch meine Ausgaben während der Touren gedeckt werden, wie zum Beispiel Mahlzeiten oder eine Dusche, erklärte Popescu der belgischen Tageszeitung „Nieuwsblad“.

Der Fahrer hebte sich von anderen Mitarbeitern durch seine Intelligenz und seinen Enthusiasmus ab, sodass ihm der Chef neben der Nachtarbeit auch tagsüber Aufgaben am Arbeitsplatz zuteilte. Der LKW-Fahrer kontrollierte den technischen Zustand der LKW, die Sauberkeit der Fahrerkabinen usw. Daher erhöhte das Unternehmen das Tagegeld von 40 auf 45 Euro, während das Grundgehalt unverändert blieb.

In der Zwischenzeit studierte der Mann Jura und wurde zum privaten Chauffeur von Firmenchef Noël Essers und seiner Familie. Der Arbeitgeber versprach ihm, dass er nach Abschluss seines Studiums einen belgischen Arbeitsvertrag bekommen würde. Popescu, der eine Familie mit fünf Kindern ernähren muss, glaubte dem Chef. Leider hielt Essers sein Wort nicht und so beschloss der Fahrer, die Angelegenheit vor Gericht in Rumänien zu bringen.

Das rumänische Gericht erwies sich als unzuständig für das angestrebte Verfahren. Es wies allerdings darauf hin, dass sich der tatsächliche Beschäftigungsort in Belgien befand und auch wenn ein rumänischer Vertrag unterzeichnet wurde, seien belgische Sozialvorschriften anzuwenden. Popescu legte das Urteil des rumänischen Gerichts einem belgischen Arbeitsgericht vor. Dieses wies die Klage ab, worauf Popescu Berufung einlegte.

Der Fall wurde vom Arbeitsgericht Antwerpen nochmal aufgerollt, das feststellte, dass Popescu Anspruch auf den belgischen Mindestlohn sowie alle damit verbundenen sozialen Rechte hat und eine Rückzahlung seines Lohns verlangen kann. „Verhandlungen über die Höhe der Zahlungsrückstände und die zusätzliche Entschädigung werden erst im Januar 2024 stattfinden, aber dieses Urteil ist äußerst wichtig” – wird Popescus Anwalt Jan Buelens von der belgischen Tageszeitung zitiert.

Mein Mandant hatte als einziger den Mut hatte, sieben Jahre lang vor Gericht zu kämpfen und gleichzeitig als LKW-Fahrer für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Es ist wirklich mit dem Kampf von David gegen Goliath zu vergleichen, der für jeden in der Transportbranche, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, einen Präzedenzfall schaffen könnte. H.Essers schuldet meinem Mandanten über 200.000 Euro und es gibt bestimmt mehr solcher Fälle, fügt Buelens hinzu.

Popescu selbst ist mit dem Urteil zufrieden, zugleich aber auch enttäuscht.

Es ist nicht normal, dass ich sieben Jahre lang streiten muss, um endlich zu beweisen, dass ich Recht hatte. Ich habe durchgehalten, weil ich die Unterstützung der Gewerkschaft und meines Anwalts hatte, aber viele LKW-Fahrer können sich diesen Luxus nicht leisten. Sie stehen unfairen Arbeitsverhältnissen ratlos gegenüber, erklärte der Trucker.

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