Ab 2030 müssen in der Europäischen Union (EU) neue LKW 45 Prozent, ab 2035 65 Prozent und ab 2040 sogar 90 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Kaum hatten sich die Verhandlungsführer des EU – Parlaments und der EU – Mitgliedsstaaten Mitte Januar auf die künftigen Grenzwerte geeinigt, hagelte es Kritik aus der Transportbranche. Die International Road Transport Union (IRU) die laut eigenen Angaben rund eine Million Unternehmen in der EU repräsentiert, lehnt in einem Schreiben an die 27 Mitgliedsstaaten die „idealistischen“ CO2 – Werte für schwere LKW weiterhin ab. Ausdrücklich weist Raluca Marian, Direktorin der IRU – Vertretung in Brüssel, auf die „hauchdünnen“ Gewinnmargen von kleinen und größeren Transportunternehmen hin. Eine gesetzliche Pflicht, emissionsfreie LKW zu kaufen, würde manchen Marktteilnehmern „Wettbewerbsnachteile“ bescheren, weil diese Fahrzeuge zwei bis drei Mal mehr kosten und für deren Transporte möglicherweise ungeeignet seien.
Marian plädiert dafür, den Fahrzeugkauf mit öffentlichen Mitteln zu fördern und weitere Gelder für eine europaweite Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bereitzustellen. Hier stehe die EU ganz am Anfang und müsse die Vorgaben der AFIR – Verordnung, die im Sommer 2024 in Kraft tritt, möglichst schnell umsetzen. Dem stimmen große deutsche Logistikunternehmen zu. Sie sehen jetzt vor allem die LKW – Hersteller in der Pflicht, emissionsarme LKW zu entwickeln und zu bezahlbaren Konditionen auf den Markt zu bringen. Und sie fordern die öffentliche Hand auf, endlich eine Infrastruktur mit allen verfügbaren alternativen Treibstoffen aufzubauen. Außer E – Ladestationen und Wasserstofftankstellen müsse diese auch E-Fuel – Angebote im Portfolio haben. Weil Verbrenner – LKW, die mit diesen synthetischen Kraftstoffen fahren, auch nach 2035 zugelassen werden, gibt Judith Noerpel – Schneider den EU – Vorgaben doch noch eine Chance.
Mit Wasserstoff- und E – LKW allein sind diese Ziele nicht realistisch, sagt das Vorstandsmitglied der Noerpel – Gruppe.
Allerdings können auch E-Fuels sich nur durchsetzen, wenn die Preise sinken und die flächendeckende Verfügbarkeit garantiert ist. Auf einen zügigen Aufbau einer öffentlichen Tankinfrastruktur allein wollen sich viele Logistikunternehmen nicht verlassen und zusätzlich in eigene Ladestationen investieren. Häufig finden sie in ihrer Nachbarschaft Betriebe, die gleiches planen. Das kann den Stromverbrauch eines Gewerbegebiets kräftig in die Höhe treiben.
Viele betriebliche Netzanschlussleistungen in Gewerbegebieten müssen ebenfalls erhöht werden. Das erfordert Investitionen von öffentlicher Hand und Wirtschaft, sagt André Kranke, Head of Corporate Research & Development von Dachser.
Hierfür müssen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen. Das kann aktuell für den Gesetzgeber noch die leichteste Übung sein. Weil die Bundesregierung als Folge des Karlsruher Urteils über den Bundeshaushalt 2024 einen Sparkurs einschlagen muss, stehen jetzt viele Förderungen zur Disposition. So gibt es noch keinen Nachfolger für das Programm für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur (KsNI), das im Herbst 2023 ausgelaufen war. Mit diesen Geldern wollten manche Logistikunternehmen E-LKW finanzieren. Jetzt verzichten sie auf solche Vorhaben.
Weil aktuell eine flächendeckende Umstellung weder technisch noch wirtschaftlich möglich ist, bremst der Wegfall dieser Förderung den Umstieg, stellt Noerpel – Schneider fest.
Auch Michael Starke, Geschäftsführer von Rhenus Trucking, bedauert das Aus von KsNI. Die Konzerntochter hat mehrere elektrogetriebene 44-Tonner mit diesem Programm finanziert.
Wir können nur appellieren, dass der notwendige Transformationsprozess planbar bleibt und eine nachhaltige ‚Anschubförderung“ über mehrere Jahre sichergestellt ist, mahnt Starke.
Wenn außerdem grüner Strom verfügbar und bezahlbar ist, sollte die Transformation bis 2040 inklusive ihrer Teilziele 2030 und 2035 nicht an der Logistikwirtschaft scheitern. Manche Unternehmen und Kooperationen haben lange vor dem EU-Verhandlungsergebnis Emissionsziele formuliert. So will IDS Logistik ab 2023 die Emissionen bis 2030 um 22 Prozent und bis 2040 um 60 Prozent reduzieren.
Wir kalkulieren mit einem Flottenmix, so dass die Ziele nicht im Widerspruch zur EU stehen, sagt IDS – Geschäftsführer Michael Bargl.
Auch Bestandsfahrzeuge und nicht nur neu zugelassene LKW sollen diese Zahlen ermöglichen. Für Bargl sind diese Ziele ebenfalls nur mit alternativen Treibstoffen von E´-Fuels bis HVO zu schaffen.
Wenn die Reduktionsziele doch nicht erreichbar sind und die Hersteller mögliche Strafzahlungen für Verbrenner weitergeben, muss die EU-Kommission handeln, warnt der IDS-Chef.
Besser wäre es freilich, wenn die EU ihre Emissionsvorgaben vorher korrigieren würde.