Aufbruch mit Nachhaltigkeit: Wie der Lkw-Fuhrpark wirklich ökologisch wird

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Für Wolfgang Thoma hat der lange Abschied vom Diesel-Lkw längst begonnen. „Voraussichtlich 2023 werden wir den ersten Wasserstoff-Lkw in Betrieb nehmen“, vermutet der Geschäftsführer von Ansorge Logistik in Biessenhofen.

„Vorher nutzen wir Liquified Natural Gas (LNG) als Brückentechnologie.“ Gegenwärtig hat Ansorge 150 Lkw – Züge. Alle fahren mit emissionsarmen Euro 6- Motoren, sie sind höchstens vier Jahre alt und werden überwiegend für Fernverkehre genutzt. Für Nahverkehre setzt das Allgäuer Unternehmen Elektro-Lkw ein und nutzt zwei unterschiedliche Modelle für die Produktionsversorgung eines Kunden sowie für Shuttle-Verkehre zum 125 Kilometer entfernten KV-Terminal in München-Riem. Ebenfalls Nahverkehre fährt ein Biomethan-Lkw. Mit diesem überwiegend aus organischen Abfällen hergestellten Kraftstoff kann LNG angereichert werden, was die Umweltbilanz dieses Kraftstoffs deutlich verbessert.

Förderprogramme winken

Wie Thoma gehen viele Unternehmer vor. Wenn sie mit einem nachhaltigen Fuhrpark überzeugen wollen, kaufen, leasen oder mieten sie ausschließlich Euro 6 – Lkw und testen zusätzlich alternative Antriebe. An Euro 6 – Fahrzeugen führt in jedem Fall kein Weg vorbei. Sie stoßen gegenüber der Vorgängernorm Euro 5 ungefähr 67 Prozent weniger Partikel und sogar 80 Prozent weniger Stickstoffoxide aus. Außerdem überzeugen sie mit Grenzwerten für die Partikelanzahl. Heute verkaufen nahezu alle bekannten Hersteller ausschließlich Euro 6 – Lkw, ältere Normen gibt es lediglich auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt. Mit öffentlichen Fördergeldern erleichtert die Bundesregierung den Umstieg auf Euro 6. Seit Anfang 2021 unterstützt sie die Anschaffung solcher Lkw mit bis zu 15.000 Euro, wenn gleichzeitig ein alter Lkw mit Abgasnormen Euro 5, Euro 4 oder Euro 3 stillgelegt wird. Anträge sind an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bis 15.04.2021 zu stellen.  Auch andere europäische Länder unterstützen den Umstieg auf Euro 6 mit neuen Förderprogrammen. Sie sind Teil eines europaweiten Konjunkturprogramms, mit denen die EU-Länder die Auswirkungen der Corona-Krise bekämpfen wollen.

Mit diesen Fördergeldern werden auch Lkw unterstützt, welche mit Liquefied Natural Gas (LNG), Elektrobatterien sowie Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellentechnologie betrieben werden. Solchen Fahrzeugen gehört zweifelsfrei die Zukunft. Einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zufolge werden 2030 bei den Neuzulassungen jeder dritte leichte Lkw und jeder vierte schwere Lkw mit einem alternativen Antrieb fahren. Gegenwärtig haben diese Technologien alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen – hohe Anschaffungskosten, geringe Reichweiten, lückenhafte Versorgungsinfrastruktur und langen Ladezeiten. Eine interessante Zwischenlösung sind deshalb Lkw mit Dual – Fuel – Antrieb für Diesel und Erdgas. Solche Fahrzeuge bieten – meist in Zusammenarbeit mit Umrüstungspartnern – nahezu alle großen Hersteller an. Während jeder Tour können beide Treibstoffe eingespritzt werden, was laut Herstellerangaben bis zu 85 Prozent Diesel einspart. Mit dieser Technologie könne der Unternehmer demnach die CO²-Emissionen um rund 40 Prozent und den Feinstaubausstoß sogar um rund 90 Prozent senken. 

Das ganze Unternehmen erfassen

Trotz der öffentlichen Förderung investieren Unternehmer wie Wolfgang Thoma derzeit nur in alternative Antriebe, wenn sie diese nahtlos in ihre vorhandenen Netze integrieren können. Ausschließlich dann ist ein einigermaßen wirtschaftlicher Betrieb möglich. Mit dem Umstieg auf Euro 6 – Lkw haben Transportunternehmer erst den ersten Schritt zu einem nachhaltigen Fuhrpark getan.

Wer mit Nachhaltigkeit wirklich überzeugen will, muss ein ganzheitliches Konzept für möglichst viele Betriebsbereiche entwickeln“, sagt Peter Hellwich, Inhaber der PHS Fuhrpark- und Logistikberatung in Germering bei München.

Auch Fahrzeugequipment, Werkstatt, Waschanlage und andere Bereiche müssen dahingehend analysiert werde, ob sie Nachhaltigkeitsanforderungen genügen. Und natürlich sind auch die Mitarbeiter einzubinden. An Einweisungen und Weiterbildungen über Veränderungen, welche der Umstieg auf einen nachhaltigen Fuhrpark zur Folge hat, führt kein Weg vorbei.

Reifen, Telematik, Krafstoffmanagement

Wer mit solchen Maßnahmen Nachhaltigkeit glaubwürdig kommuniziert, spart Geld und kann auch gegen den Markttrend wachsen. Ein Beispiel ist die Spedition Prüstel im sächsischen Callenberg. Das 30 Jahre alte Unternehmen fährt ebenfalls ausschließlich Euro 6-Lkw. Außerdem achtet Firmenchef Ingo Prüstel, der gerne Nachhaltigkeit als zentralen Unternehmenswert bezeichnet und in einem Atemzug mit „Sicherheit, Qualität, Zuverlässigkeit, Partnerschaft und Flexibilität“, auf umweltfreundliches Zubehör. So fahren alle 145 Zugmaschinen mit sogenannten „Energy Saver“ – Reifen, welche mit niedrigen Rollwiderstand und geringerer Wärmeentwicklung Treibstoff sparen und langlebiger sind. Außerdem sind die mit Telematiksystemen ausgestattet, welche Standort und Auftragsstatus regelmäßig an die Unternehmenszentrale übermitteln.

„Wir können die Fahrzeuge besser auslasten und verkehrsbedingte Emissionen vermeiden“, sagt Prüstel.

Ansonsten nimmt das Unternehmen am Kraftstoffmanagementsystem eines bekannten Mineralölkonzerns teil. Eine On Board-Unit (OBU) analysiert Fahrverhalten des Truckers und Fahreigenschaften des Fahrzeugs und gleicht diese Daten mit Tankkarteninformationen ab. Anschließend ermittelt sie, wie Kraftstoff eingespart und Emissionen reduziert werden können.

Jede Maßnahme spart ein paar Prozent Treibstoff und mindert so Emissionen. 

Der Unternehmer muss jedoch nachjustieren“, mahnt Hellwich. Ein Beispiel sind Spritsparkurse für Fahrer: Auch wenn diese ihr Wissen über treibstoffsparendes Fahren in jeder Grundqualifikation auffrischen, unterlaufen ihnen immer wieder Nachlässigkeiten, die nicht zu Gewohnheiten auswachsen dürfen. Unternehmer wie Prüstel und Thoma halten deshalb an diesen Kursen fest. Bei der Einführung vor rund zehn Jahren habe er sich über „sieben bis acht Prozent Treibstoffeinsparungen“, gefreut, erinnert sich Wolfgang Thoma. „Heute sind solche Quoten längst eingepreist“, sagt der Verkehrsunternehmer. Trotzdem fallen Fahrer, die neu im Unternehmen sind, auf, weil ihr früherer Arbeitgeber offenbar weniger aufs Treibstoffsparen achtete. „Mit dem Training können sie sich sofort umstellen“, sagt Thoma. 

Foto: Mercedes Benz

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