Fotonachweis: BGL/Piotr Banczerowski

Sind die Klimaziele noch realistisch?

Der Gastbeitrag wurde vom BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt verfasst und ist zuerst in unserem Magazin “Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik” erschienen.

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13.06.2022

Eigentlich müsste die Frage für den Bereich des Straßengüterverkehrs mit schweren LKW lauten: Waren die Klimaziele für 2030 jemals realistisch? Denn offensichtlich wurden diese Ziele, deren Erreichen zwingend von geeigneten alternativen Antriebstechnologien abhängt, formuliert, ohne das Vorhandensein solcher Alternativen auch nur in Zweifel zu ziehen.

Heute wissen wir: der Wasserstoff-LKW wird ca. 2027 kommen, der Batterie-LKW im Fernverkehr wahrscheinlich nur wenig früher; da ist es doch unrealistisch zu erwarten, dass binnen drei Jahren weite Teile der LKW-Flotten auf die neue Technik umgestellt werden können. Es wird nicht nur daran liegen, dass nicht genügend dieser LKW gebaut werden können – es ist auch noch völlig ungeklärt, wer diese derzeit noch exorbitant teuren Fahrzeuge bezahlen soll. Kein Transportunternehmen kann ohne massive staatliche Förderung LKW und Sattelzugmaschinen kaufen, die das Mehrfache heutiger Modelle kosten. Transportunternehmen und Speditionen müssen sich ihr Geld bei ihren Auftraggebern verdienen. Und diese werden für die – wenn überhaupt – gleich gute Dienstleistung nicht den doppelten oder dreifachen Preis zahlen wollen.

Auch an anderer Stelle verlässt die Politik gerade den Boden der Realität: durch den infolge des Ukraine-Krieges geplanten massiven Import amerikanischen Fracking-LNGs. Jeder, der es wissen will, kann es wissen: Dieses Gas wird nicht nur unter Hervorrufung großer Umweltschäden gewonnen, es hat auch durch den enormen Energieeinsatz bei seiner Gewinnung eine wesentlich schlechtere Klimabilanz als z.B. fossiler Dieseltreibstoff. Wie unter diesen Voraussetzungen die Klimaziele erreicht werden sollen, stellt vermutlich nicht nur uns vor eine schwer lösbare Aufgabe.

Apropos LNG (gemeint ist in der Folge das herkömmliche LNG aus arabischen Quellen mit positiver Klimabilanz im Vergleich zum Diesel): Aufgrund der explodierten Erdgaspreise ist ein wirtschaftlicher Betrieb von LNG-Fahrzeugen – selbst mit Mautbefreiung – derzeit nicht möglich. Viele Transportunternehmen, die auf die CO2-reduzierende Technologie gesetzt haben und wesentliche Teile ihres Fuhrparks damit betreiben, stehen jetzt vor dem Ruin, da fast kein Auftraggeber bereit ist, für mehr Klimaschutz auch eminent höhere Frachtpreise zu bezahlen. Diese „Flucht“ aus dem LNG lässt die Klimaziele zusätzlich in weitere Ferne rücken. Grundsätzlich zeigt die aktuelle Entwicklung bei der LNG-Technologie, dass Unternehmen bei der Umstellung von LKW-Flotten auf alternative Kraftstoffe bzw. alternative Antriebe eine viel größere Planungs- und Investitionssicherheit von Seiten des Gesetzgebers benötigen, sonst ist das Risiko eines Totalverlustes des oftmals in zweiter, dritter oder vierter Generation geführten Familienunternehmens einfach zu groß.

Die Unternehmen der Transport-, Logistik- wie auch der Busbranche haben jedoch nicht nur mit massiven Preissteigerungen bei Diesel und Gas (LNG, CNG) in kürzester Zeit zu kämpfen, denn diese Preisexplosion begann nicht bei null, sondern kam quasi „on top“ zu den bereits seit vielen Monaten steigenden Kosten für Diesel, Erdgas, Reifen, AdBlue, Fahrerlöhne sowie den zweistelligen Preiserhöhungen von Fahrzeug- und Anhängerherstellern hinzu. Ohne vorübergehende staatliche Unterstützung besteht die Gefahr, dass zahlreiche Familienbetriebe aus den genannten Gründen in Verbindung mit dem extremen Fahrermangel aus dem Transportmarkt ausscheiden. Dies könnte die Versorgungssicherheit von Bevölkerung und Wirtschaft gefährden. Leider hat hier die deutsche Regierung bislang keine passenden Lösungen für den Mittelstand bereitgestellt.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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