Foto: BALM / BALM-Kontrolle eines LKW auf einem Rastplatz

EU-Mobilitätspaket: Bundesregierung nimmt Stellung zur Einhaltung der Vorgaben

Die Bundesregierung hat eine Kleine Anfrage der CDU/CSU zur Einhaltung der Vorgaben aus dem EU-Mobilitätspaket beantwortet. In ihrer Antwort bezieht sie sich auf Kontrollen in den Rechtsgebieten des Güterkraftverkehrsgesetzes, Fahrpersonalrechts und der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug, nimmt Stellung zum Kabotageverkehr und dem Entsenderecht, sowie den damit verbundenen Sanktionen.

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Das EU-Mobilitätspaket wurde im Juli 2020 durch den europäischen Gesetzgeber verabschiedet und zielt darauf ab, faire Arbeitsbedingungen für Fahrer sowie faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen, die Regelungen für den Straßengüterverkehr im Binnenmarkt zu harmonisieren und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Das Mobilitätspaket beinhaltet u.a. Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten, Kabotage und Entsendung von Fahrern. Bei der Entsendung wurden spezifische Regelungen für den Transportsektor beschlossen. Danach gelten für alle Kabotagefahrten und grenzüberschreitenden Fahrten die Mindestlöhne des jeweiligen Staates, in dem die Fahrer unterwegs sind.

Das Mobilitätspaket bringt nichts

Aus Sicht der Fraktion CDU/CSU sieht die Praxis jedoch ganz anders aus. Das EU-Mobilitätspaket habe die Probleme des europäischen Transportgewerbes nur in der Theorie, nicht aber in der Praxis lösen können, so die Fragesteller und nennen als Beispiel die wochenlangen Streiks von LKW-Fahrern aus Osteuropa und Zentralasien auf der Raststätte Gräfenhausen, die von ihren Arbeitgebern die Auszahlung ausstehender Löhne einforderten.

Das Risiko, bei Kontrollen während einer im LKW verbrachten Wochenruhezeit durch das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) kontrolliert zu werden, geht gegen null” heißt es zudem vonseiten der Fragesteller.

Deshalb fragen sie die Bundesregierung wie nationale Durchsetzungsbehörden die Vorgaben des Mobilitätspakets kontrollieren und welche Auswirkungen das Paket auf den Straßengüterverkehr in den letzten Jahren entfaltet hat.

Realistische Bilanz

Wie viele Kontrollen haben welche Behörden zur Einhaltung der Vorgaben aus dem Mobilitätspaket seit Oktober 2021 durchgeführt?

  • Das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM), die die Einhaltung der Regelungen des Mobilitätspakets I monatlich als Schwerpunktkontrollen prüft, werden in den inhaltlich betroffenen (Teil-) Rechtsgebieten Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG), Fahrpersonalrecht (FahrpersR) und Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug (rWRZ) ausgewiesen:
Kontrollen GüKG FahrpersR rWRZ (Jahreswerte ab 2023 vorhanden)
2021 129 777 111 390
2022 125 055 106 187
2023 127 268 107 968 8 625
  • Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) befasst sich mit Arbeitgeberprüfungen bzw. Geschäftsunterlagenprüfungen und verfolgt dabei grundsätzlich einen ganzheitlichen Prüfungsansatz, sodass unter anderem die Einhaltung der Vorgaben nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz geprüft wird. Die FKS prüft demnach auch die Einhaltung der Pflicht zur Entsendemeldung sowie zur Bereithaltung der entsprechenden Unterlagen.

Die Anzahl der in den letzten drei Jahren in der Branche des Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbes durchgeführten Arbeitgeberprüfungen sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

Jahr Arbeitgeberprüfungen STL
2021 5 602
2022 4 308
2023 3 041

Statistische Auswertungen der Kontrollbehörden der Länder liegen der Bundesregierung nicht vor.

Welche Sanktionen drohen für Verstöße gegen Regelungen des Mobilitätspakets?

Bei Verstößen gegen die Regelungen des Mobilitätspakets I sind in Abhängigkeit von der konkreten Bestimmung, gegen die verstoßen wurde, sowie dem handelnden Akteur (Fahrer oder Unternehmer) unterschiedliche Bußgelder vorgesehen. Regelgeldbußen gelten wie folgt:

  • Verstöße gegen die Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug:
    – für den Fahrer 500 Euro und
    – für den Unternehmer 1 500 Euro (vorsätzliche Begehungsweise). Bei fahrlässigen Verstößen wird die Regelbuße halbiert.
  • Verstöße gegen die Kabotagebestimmungen: Regelgeldbuße für den Unternehmer beträgt für eine unerlaubte Kabotage 2 500 Euro (bei Vorsatz).
  • Verstöße gegen das Rückkehrrecht des Fahrers können nur im Land des Unternehmenssitzes festgestellt und sanktioniert werden, da die diesbezüglichen Nachweise am Standort des Unternehmens aufzubewahren sind. Für Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind die jeweiligen Landesbehörden für derartige Betriebskontrollen zuständig.
  • Verstöße gegen die Meldepflicht (MiLoG) können mit einer Geldbuße bis zu 30 000 Euro geahndet werden.
  • Verstöße gegen die Pflicht, den Mindestlohn zu zahlen, können mit einer Geldbuße bis 500 000 Euro geahndet werden.
  • Verstöße gegen die Rückkehrpflicht des Fahrzeugs: Mit Urteil vom 4. Oktober 2024 (Rechtssachen C-541/20 bis C-555/20) hat der EuGH die Verpflichtung nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, wonach die Fahrzeuge alle acht Wochen zur Betriebsstätte des Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen, für nichtig erklärt.

Die meisten Bußgeldbescheide nach EU-Staaten

Fünf EU-Staaten mit den meisten Bußgeldbescheiden (BB) für Verstöße gegen das Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug. Erhebung nach Niederlassungsstaaten.

Jahr 2023

Nation Anzahl BB Unternehmer Betrag in Euro Anzahl BB Fahrer Betrag in Euro
1. Polen 281   364 922, 19 245 81 570,55
2. Rumänien 129 143 790,79 129 49 506,50
3. Litauen 102 114 392,08 105 31 607,50
4. Bulgarien 98 101 271,70 94 35 283,50
5. Slowenien 27 25 410,00 21 8 679,00

EU-Staaten mit den wenigsten Bußgeldbescheiden für Verstöße gegen das Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug, sind Niederlande und Belgien mit jeweils einem Bußgeldbescheid in Höhe von 750 Euro und Finnland mit einem Bußgeldbescheid von 875 Euro.

2024 (1. Halbjahr)

Nation Anzahl BB Unternehmer Betrag in Euro Anzahl BB Fahrer Betrag in Euro
1. Polen 215 255 367,75 179 62 167,75
2. Rumänien 125 135 187,50 120 39 891,63
3. Litauen 98 88 511,25 99 29 797,00
4. Bulgarien 41 42 276,25 34 14 190,50
5. Slowakei 19 14 537,50 19 4 997,50

Kontrolle der Kabotagebeförderung

Darüber hinaus haben die Fragesteller auch nach den Kontrollen der Kabotagebeförderung gefragt, wie wird diese sichergestellt und wie viele Kontrollen jährlich zur Überprüfung der Kabotagevorschriften durchgeführt wurden.

Die Kontrollen der Regelungen zur Einhaltung der Kabotagevorschriften durch das BALM erfolgen im Rahmen von Straßen- und Betriebskontrollen. Die Straßenkontrollen werden erst seit 2023 differenziert nach Kabotage statistisch gesondert erfasst”, erklärt die Bundesregierung.

Für die vorherigen Zeiträume werden die Kontrollen von gebietsfremden Fahrzeugen im Rahmen der Kontrollen nach dem GüKG ausgewiesen. In der Regel umfasst bei gebietsfremden Fahrzeugen die Kontrolle im GüKG die Prüfung, ob eine Kabotagebeförderung vorliegt und falls ja, ob diese in zulässiger Weise erfolgt.

Straßenkontrollen GüKG (gebietsfremde Fahrzeuge)
2021 97 059
2022 88 318
Kabotage
2023 58 042

Im Rahmen der Betriebskontrollen GüKG bei Auftraggebern werden die Kabotagetransporte auf Beachtung aller Voraussetzungen geprüft.

Betriebskontrollen

2022 207
2023 211
1. Halbjahr 2024 107

Verbesserungsbedarf bei der Durchsetzung des EU-Mobilitätspakets

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Verbesserungsbedarf bei der Durchsetzung des EU-Mobilitätspakets besteht, um die Kontrollen effizienter zu gestalten.

Demnach heißt es, dass “derzeit im europäischen Recht nicht eindeutig geregelt ist, ob eine behördliche Kontrolle während der täglichen oder reduzierten wöchentlichen Ruhezeit, während der sich das Fahrpersonal zulässigerweise im Fahrzeug aufhalten darf, dessen Ruhezeit unterbricht mit der Folge, dass die Ruhezeit nach der Kontrolle ggf. neu zu beginnen ist. Dies kann insbesondere bei Fahrten ins Ausland dazu führen, dass die Ruhezeit von den dortigen Behörden nicht als ununterbrochen anerkannt wird. Eine einheitliche Auslegung der Vorschriften durch die Europäische Kommission würde Rechtssicherheit schaffen“.

Soweit die Durchsetzung der entsenderechtlichen Regelungen im Straßenverkehr betroffen ist, ist diese insbesondere an die europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie (EU) 2020/1057 gebunden, die u. a. vorgibt, in welchen Fällen eine Entsendung vorliegen bzw. nicht vorliegen soll.

Weiter heißt es, dass mit der Richtlinie auch die Regelungen zu den Melde- und Dokumentationspflichten angepasst wurden, die im Ausland ansässigen Kraftverkehrsunternehmer bei Entsendungen nach Deutschland über die elektronische Schnittstelle zum BinnenmarktInformationssystem (IMI) erfüllen müssen.

Zugleich wurde der grenzüberschreitende Austausch zwischen den nationalen Behörden vereinfacht. So können die Kontrollbehörden direkt über das (mehrsprachige) IMI um Amtshilfe bei den zuständigen Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten bitten.

Die Bundesregierung betont, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in diesem Bereich stetig verbessert wird und nennt als Beispiel die Behörde European Labour Authority (ELA), die diese Kooperation auf EU-Ebene fördert.

Seit 2022 unterstützt die ELA die EU-Mitgliedstaaten bei der Bewältigung spezifischer Herausforderungen bei der Durchsetzung sozialer Aspekte der für den internationalen Straßenverkehrssektor geltenden Rechtsvorschriften. Die ELA leistet dabei Unterstützung der nationalen Behörden (in Deutschland FKS) bei der Durchsetzung der geltenden Rechtsvorschriften und bei der Information von mobilen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über ihre Rechte”.

Unter der Leitung der ELA gibt es zudem das IMI-PROVE Programm, das in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission eingerichtet wurde und den Austausch zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, der ELA und der Europäischen Kommission über Nutzung und Verbesserung der Module des IMI ermöglicht. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich der Durchsetzung zu unterstützen und zu stärken.

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