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EuGH: Deutsche LKW-Maut zu hoch – Erstattungsansprüche rechtzeitig geltend machen!

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Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 28.10.2020 hat die Aufmerksamkeit der gesamten Speditionsbranche geweckt: Die deutsche LKW-Maut ist seit Jahren zu hoch und Spediteure können Geld zurückfordern.

Worum geht es?

Die Mautsätze werden aufgrund einer komplexen Berechnung in einem Wertkostengutachten festgesetzt und als Anlage zum Bundesfernstraßenmautgesetz BFStrMG veröffentlicht. Gegen die Berechnung der Mautsätze hatte eine polnische Spedition in einem deutschen Verwaltungsgerichtsverfahren geklagt und Maut zurückverlangt, die sie in den Jahren 2010 und 2011 bezahlt hatte. Grundsätzlich gilt: Die Bestimmung von Mautgebühren muss sich an den Kosten der Straße orientieren. Im maßgeblichen Zeitraum machten jedoch Kosten der Verkehrspolizei 3,8% des Mautsatzes aus. Das zuständige Berufungsgericht (OVG Münster, 9 A 118/16) hat den EuGH im Rahmen eines sogenannten Vorlageverfahrens dazu gefragt, ob die Berechnung inklusive der Kosten der Verkehrspolizei mit EU-Recht vereinbar ist.

Was hat der EuGH entschieden?

Nach dem Urteil des EuGH ist die Einberechnung von Kosten der Verkehrspolizei für die Feststellung der Mautsätze rechtswidrig. Da diese Kosten in den deutschen Mautsätzen bis heute berücksichtigt wurden und werden, ist davon auszugehen, dass die Maut seit Jahren zu hoch berechnet worden ist.

Der EuGH hat entschieden, dass auch geringfügige Fehler (wie im konkreten Fall 3,8%) zur Rechtswidrigkeit der Maut führen.

Ebenfalls entschieden ist, dass es nicht ausreicht, wenn die Kosten im Ergebnis (z.B. weil andere Berechnungsposten in der Prognose zu niedrig angesetzt waren) richtig errechnet wurden.

Schließlich hat der EuGH geurteilt, dass sich Mautzahler direkt auf die Richtlinie berufen können sollen.

Einen Antrag der Bundesrepublik Deutschland, die zeitliche Wirkung auf die Zukunft zu beschränken, hat der EuGH abgelehnt. Das bedeutet, dass überzahlte Maut zurückverlangt werden kann und die Berechnung nicht nur für die künftige Maut berichtigt werden muss.

Welche Ansprüche gibt es nun?

Mautzahler sollen zu viel gezahlte Maut zurückerstattet verlangen können. Es stellen sich folgende Fragen:

1. Ab welchem Zeitraum kommt eine Erstattung in Betracht, für welchen Zeitraum ist von Verjährung auszugehen?

Die Frage der Verjährung richtet sich grundsätzlich nach deutschem Recht. Rückerstattungsansprüche verjähren, wenn sie nicht bis zum Ende des dritten Kalenderjahres geltend gemacht werden, das der Entstehung des Rückerstattungsanspruchs folgt. Da die Maut in der Regel von Toll Collect automatisch abgebucht wird, entsteht der Rückerstattungsanspruch im Moment der Abbuchung. Das heißt: Maut, die vor 2017 abgebucht wurde, kann wegen Verjährung nicht mehr zurückverlangt werden. Maut, die im Jahr 2017 abgebucht wurde, muss bis zum Ende des Jahres 2020 zurückverlangt werden. Dies gilt auch dann, wenn erst Anfang des Jahres 2017 Maut abgebucht wurde, die eine Ende 2016 durchgeführte Fahrt betrifft.

Der Vollständigkeit halber ist Folgendes zu ergänzen: Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber auch nicht völlig ausgeschlossen, dass die Gerichte aus verschiedenen, z.B. europarechtlichen Erwägungen der effektiven Durchsetzung des EU-Rechts, zum Ergebnis kommen, dass auch die mehr als drei Jahre zurückliegenden Ansprüche noch nicht verjährt sind. Womöglich könnten Spediteure dann sogar bis zurück ins Jahr 2005 gezahlte Maut ersetzt verlangen! Dies müssten jedoch im Streitfall Gerichte klären. Falls die Gerichte zukünftig in diesem Sinne zugunsten der Mautzahler entscheiden würden, so wären Rückzahlungsansprüche für die Jahre 2005 bis 2016 noch nicht verjährt und könnten zu einem späteren Zeitpunkt von den Mautzahlern geltend gemacht werden.

2. Kann ein Spediteur die gesamte Maut zurückverlangen oder nur den Teil, der auf die Kosten der Verkehrspolizei zurückzuführen ist? Wie hoch ist dieser Teil?

Der EuGH und das EU-Recht verlangen nicht, dass die gesamte Maut zurückzuzahlen ist, wenn ein Posten zu Unrecht als Kostenposition in die Berechnung eingegangen ist. Es wäre nur der Teil zurückzuerstatten, der zu Unrecht in den Mautsatz eingeflossen ist. In den Jahren 2010-2011, um den es im konkreten Gerichtsfall ging, waren das 3,8%. Da die Mautsätze aber für spätere Jahre jeweils neu berechnet wurden, kann der jeweils zurückzuerstattende Teil höher oder niedriger sein. Nur eine Analyse der Wertkostengutachten kann die konkreten Prozentsätze klären. Es wird sich wahrscheinlich im Hinblick auf die zu Unrecht eingeflossenen Kosten der Verkehrspolizei pro Jahr jeweils um 3 bis 4% der gezahlten Maut handeln.

Es ist zudem zwar nicht wahrscheinlich, aber auf Grundlage des deutschen Rechts nicht von vornherein ausgeschlossen, dass aufgrund des Berechnungsfehlers sogar die gesamte Maut als rechtswidrig angesehen werden könnte. Auch dies müssten jedoch Gerichte klären.

Praxisempfehlung: Akuter Handlungsbedarf für Maut aus 2017!

Aufgrund der drohenden Verjährung sind jedenfalls Mautgebühren, die im Jahr 2017 abgebucht wurden, noch in diesem Jahr, bis zum 31.12.2020, zurückzuverlangen! Aus Vorsicht empfiehlt es sich, alle im Jahr 2017 gezahlten Mautgebühren zurückzuverlangen. Zu rechnen ist allerdings nur mit einer Erstattung in Höhe von 3 bis 4%.

Für die nach 2017 gezahlten Gebühren droht die Verjährung der Erstattung nicht zum Endes des Jahres 2020. Sofern Ansprüche auf Rückzahlung von vor 2017 bezahlter Maut nicht ohnehin schon verjährt sind, so verjähren sie jedenfalls nicht akut zum Ende diesen Jahres. Akuter Handlungsbedarf besteht derzeit somit lediglich für die Maut, die im Jahr 2017 abgebucht worden ist.

3. Wie und bei wem ist die Erstattung zu verlangen?

Das richtige Verfahren ist ein Erstattungsantrag nach § 4 Abs. 2 S. 2 BFStrMG an das Bundesamt für Güterverkehr (www.bag.bund.de).

Der Antrag ist schriftlich zu stellen, das heißt per unterschriebenem Brief. Eine einfache E-Mail genügt nicht.

Der Antrag muss wegen der drohenden Verjährung spätestens am 31.12.2020 bei der Behörde eingehen. Verwenden Sie daher unbedingt eine Zustellart mit Zugangsnachweis (z.B. Kurier oder Einschreiben/Rückschein).

Der Antrag ist auf Deutsch zu stellen.

Dem Antrag sollten Nachweise für die Zahlung der Maut beigefügt werden. Die entsprechenden Aufstellungen sind den Mautzahlern durch Toll Collect zugeschickt worden.

Beratung und Unterstützung

Mehrere Dienstleister und Vereine bieten bei der Erstattung ihre Unterstützung an, z.B. der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) e.V. für seine Mitglieder, wenn sie sich vor dem 04.12.2020 registriert haben. Auch viele Rechtsanwälte konkurrieren um Mandate in diesem Bereich. Im behördlichen Erstattungsverfahren dürfte es allerdings noch keinen anwaltlichen Beratungsbedarf geben, da es hier erst mal nicht um Rechtsfragen geht, sondern um die Wahrung einer Frist sowie um die Auflistung gezahlter Maut; dies können die Mautzahler ohne Weiteres auch selbst erledigen.

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